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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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Unorganischen von seinem Urtheile abzuwälzen, darauf hinwei-
sen, wie in seinem Urtheile "der organische Gegensatz von Thä-
tigkeit und Sein zu einer organischen Einheit verbunden wird".
Es ist aber bloß Bewußtlosigkeit, wenn Becker nicht sieht, wie
eben eine Verbindung zweier Elemente zu einer Einheit des
Urtheils unorganisches Thun ist, da organisch nur die Geburt der
Begriffe aus dem Urtheile wäre. Dann wäre auch allerdings
das Urtheil vor dem Begriffe. Daß aber die so eben betrach-
tete Darstellung Beckers nicht bloß eine zufällig mißrathene
ist, zeigt eine andere Stelle, wo derselbe Gegenstand, der Ur-
sprung des Urtheils, an seinem eigentlichen Orte besprochen
wird. Obwohl da größere Genauigkeit zu erwarten ist, wird
man den Ursprung des Urtheils durch mechanisches Verbinden
zweier Begriffe nur noch bestimmter ausgesprochen finden. Die
Stelle lautet (§. 45.): "Der Geist hat in der organischen Ent-
wickelung der Begriffe die Dinge der realen Welt als ein
hleibendes Eigenthum in sich aufgenommen, und in einem or-
ganisch gegliederten Ganzen reproducirt, welches der realen
Welt der Dinge als ein Gegenbild entspricht. Aber wie die
reale Welt der Dinge in beständiger Verwandlung begriffen,
sich in jedem Augenblicke neu gebiert" (welche Phrase! ist die
Verwandlung eine Neugeburt?), "so ist auch die geistige
Welt der Gedanken immer im Werden begriffen" -- welch ein
schmachvolles "wie ... so"! Das tautologische Werden der
Natur steht freilich immer noch bei weitem höher als Be-
ckers tautologisches Gerede --; "und das eigentliche Leben
des denkenden Geistes besteht gerade darin, daß er aus den
zu seinem Eigenthume gewordenen Begriffen beständig Neues
schafft. Ihm sind die Begriffe als Begriffe nur der Stoff,
aus dem er schöpferisch Gedanken bildet, indem er mit der
größten Freiheit, jedoch nach ihm eigenen organischen Gese-
tzen" -- wir kennen schon das Spiel von Beckers organi-
scher Freiheit -- "die Begriffe mit einander in den mannigfal-
tigsten Verhältnissen verbindet." Diese Zusammensetzung von
Begriffen ist die organische Production der Gedanken! die in
den mannigfaltigsten Verhältnissen mögliche Verbindung der als
Stoff todt daliegenden Begriffe ist das Werden der geistigen
Welt! ist lebendiger Geist! -- So mag Becker durch Trendelen-
burg, auf den er sich beruft, verurtheilt werden (Log. Unters.

Unorganischen von seinem Urtheile abzuwälzen, darauf hinwei-
sen, wie in seinem Urtheile „der organische Gegensatz von Thä-
tigkeit und Sein zu einer organischen Einheit verbunden wird“.
Es ist aber bloß Bewußtlosigkeit, wenn Becker nicht sieht, wie
eben eine Verbindung zweier Elemente zu einer Einheit des
Urtheils unorganisches Thun ist, da organisch nur die Geburt der
Begriffe aus dem Urtheile wäre. Dann wäre auch allerdings
das Urtheil vor dem Begriffe. Daß aber die so eben betrach-
tete Darstellung Beckers nicht bloß eine zufällig mißrathene
ist, zeigt eine andere Stelle, wo derselbe Gegenstand, der Ur-
sprung des Urtheils, an seinem eigentlichen Orte besprochen
wird. Obwohl da größere Genauigkeit zu erwarten ist, wird
man den Ursprung des Urtheils durch mechanisches Verbinden
zweier Begriffe nur noch bestimmter ausgesprochen finden. Die
Stelle lautet (§. 45.): „Der Geist hat in der organischen Ent-
wickelung der Begriffe die Dinge der realen Welt als ein
hleibendes Eigenthum in sich aufgenommen, und in einem or-
ganisch gegliederten Ganzen reproducirt, welches der realen
Welt der Dinge als ein Gegenbild entspricht. Aber wie die
reale Welt der Dinge in beständiger Verwandlung begriffen,
sich in jedem Augenblicke neu gebiert“ (welche Phrase! ist die
Verwandlung eine Neugeburt?), „so ist auch die geistige
Welt der Gedanken immer im Werden begriffen“ — welch ein
schmachvolles „wie … so“! Das tautologische Werden der
Natur steht freilich immer noch bei weitem höher als Be-
ckers tautologisches Gerede —; „und das eigentliche Leben
des denkenden Geistes besteht gerade darin, daß er aus den
zu seinem Eigenthume gewordenen Begriffen beständig Neues
schafft. Ihm sind die Begriffe als Begriffe nur der Stoff,
aus dem er schöpferisch Gedanken bildet, indem er mit der
größten Freiheit, jedoch nach ihm eigenen organischen Gese-
tzen“ — wir kennen schon das Spiel von Beckers organi-
scher Freiheit — „die Begriffe mit einander in den mannigfal-
tigsten Verhältnissen verbindet.“ Diese Zusammensetzung von
Begriffen ist die organische Production der Gedanken! die in
den mannigfaltigsten Verhältnissen mögliche Verbindung der als
Stoff todt daliegenden Begriffe ist das Werden der geistigen
Welt! ist lebendiger Geist! — So mag Becker durch Trendelen-
burg, auf den er sich beruft, verurtheilt werden (Log. Unters.

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[93/0131] Unorganischen von seinem Urtheile abzuwälzen, darauf hinwei- sen, wie in seinem Urtheile „der organische Gegensatz von Thä- tigkeit und Sein zu einer organischen Einheit verbunden wird“. Es ist aber bloß Bewußtlosigkeit, wenn Becker nicht sieht, wie eben eine Verbindung zweier Elemente zu einer Einheit des Urtheils unorganisches Thun ist, da organisch nur die Geburt der Begriffe aus dem Urtheile wäre. Dann wäre auch allerdings das Urtheil vor dem Begriffe. Daß aber die so eben betrach- tete Darstellung Beckers nicht bloß eine zufällig mißrathene ist, zeigt eine andere Stelle, wo derselbe Gegenstand, der Ur- sprung des Urtheils, an seinem eigentlichen Orte besprochen wird. Obwohl da größere Genauigkeit zu erwarten ist, wird man den Ursprung des Urtheils durch mechanisches Verbinden zweier Begriffe nur noch bestimmter ausgesprochen finden. Die Stelle lautet (§. 45.): „Der Geist hat in der organischen Ent- wickelung der Begriffe die Dinge der realen Welt als ein hleibendes Eigenthum in sich aufgenommen, und in einem or- ganisch gegliederten Ganzen reproducirt, welches der realen Welt der Dinge als ein Gegenbild entspricht. Aber wie die reale Welt der Dinge in beständiger Verwandlung begriffen, sich in jedem Augenblicke neu gebiert“ (welche Phrase! ist die Verwandlung eine Neugeburt?), „so ist auch die geistige Welt der Gedanken immer im Werden begriffen“ — welch ein schmachvolles „wie … so“! Das tautologische Werden der Natur steht freilich immer noch bei weitem höher als Be- ckers tautologisches Gerede —; „und das eigentliche Leben des denkenden Geistes besteht gerade darin, daß er aus den zu seinem Eigenthume gewordenen Begriffen beständig Neues schafft. Ihm sind die Begriffe als Begriffe nur der Stoff, aus dem er schöpferisch Gedanken bildet, indem er mit der größten Freiheit, jedoch nach ihm eigenen organischen Gese- tzen“ — wir kennen schon das Spiel von Beckers organi- scher Freiheit — „die Begriffe mit einander in den mannigfal- tigsten Verhältnissen verbindet.“ Diese Zusammensetzung von Begriffen ist die organische Production der Gedanken! die in den mannigfaltigsten Verhältnissen mögliche Verbindung der als Stoff todt daliegenden Begriffe ist das Werden der geistigen Welt! ist lebendiger Geist! — So mag Becker durch Trendelen- burg, auf den er sich beruft, verurtheilt werden (Log. Unters.

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/131>, abgerufen am 24.11.2024.