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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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nen Einheit aus; die geistige hingegen von dem Aggregat
mannigfaltiger vereinzelter Dinge"; trotzdem will Becker den Be-
griff der Thätigkeit oder der Bewegung als die oberste Einheit
ansehen, als den eigentlichen Urbegriff, aus dem sich alle nach
ihren Arten und Unterarten unterschiedene Begriffe durch eine
fortschreitende Individualisirung entwickelt haben (S. 71). Das
heißt also, nach Becker selbst, die Sache auf den Kopf stellen.

Ferner: Die Thätigkeit ist das Allgemeine, das Sein ist das
Moment des Besondern; folglich sind die durch die seiende
Besonderheit geschiedenen Dinge geschieden in Arten der All-
gemeinheit, der Thätigkeit, aber nicht in Arten des Seins,
wie Becker sagt. Wie nun aber gar die Begriffe andererseits
sich nach dem Momente der Allgemeinheit sollen scheiden
können, läßt sich wohl nur nach Beckers ganz individueller Lo-
gik begreifen. Nach der allgemeinen Logik kann eine Schei-
dung nur durch das Moment des Besonderen erzeugt werden.
Würde aber dem Allgemeinen eine scheidende Kraft zugestanden,
so entstünden Arten des Seins, nicht des Allgemeinen -- wenn
hierin nur ein Sinn läge!

So können wir in den angeführten Sätzen nichts mehr se-
hen als sophistisches Gaukelspiel mit den unbestimmt gelassenen
Begriffen Allgemeinheit und Besonderheit, Thätigkeit und Sein,
dem auch sehr leicht auf den Grund zu schauen ist. Wie wäre
nicht der Begriff der Thätigkeit nach Beckerscher Auffassung
die allgemeinste Kategorie! Das Beckersche Sein ist aber gerade
eben so allgemein. Becker sagt, daß beide in jedem Dinge
in Einheit liegen, und nie eins ohne das andere ist; also ist
eins so allgemein wie das andere. Was in Wahrheit und mit
Bestimmtheit Thätigkeit, was Sein ist? frage man doch ja
Becker nicht; für solche Fragen hat er weder Ohr noch Ver-
stand. Genug, es sind Wörter, und es muß sich doch bei ih-
nen etwas denken lassen. -- Andererseits aber, gesteht man auch
gern sogleich zu, daß das Moment des Seins die Besonderheit
der Dinge bewirke; hört darum das Sein auf das Allgemeinste
zu sein? Durchaus nicht! Jedes Ding zeigt ein besonderes
Sein; das Sein ist das Allgemeine. Die Thätigkeit hinwiederum,
beharrt sie etwa in ihrer reinen Allgemeinheit? Keineswegs! auch
sie erscheint in jedem besonderen Dinge besonders. Thätigkeit,
oder gar Bewegung, sind Begriffe, denen nur wenig Wirklich-
keit entspricht; die Wirklichkeit ist immer etwas Besonderes

nen Einheit aus; die geistige hingegen von dem Aggregat
mannigfaltiger vereinzelter Dinge“; trotzdem will Becker den Be-
griff der Thätigkeit oder der Bewegung als die oberste Einheit
ansehen, als den eigentlichen Urbegriff, aus dem sich alle nach
ihren Arten und Unterarten unterschiedene Begriffe durch eine
fortschreitende Individualisirung entwickelt haben (S. 71). Das
heißt also, nach Becker selbst, die Sache auf den Kopf stellen.

Ferner: Die Thätigkeit ist das Allgemeine, das Sein ist das
Moment des Besondern; folglich sind die durch die seiende
Besonderheit geschiedenen Dinge geschieden in Arten der All-
gemeinheit, der Thätigkeit, aber nicht in Arten des Seins,
wie Becker sagt. Wie nun aber gar die Begriffe andererseits
sich nach dem Momente der Allgemeinheit sollen scheiden
können, läßt sich wohl nur nach Beckers ganz individueller Lo-
gik begreifen. Nach der allgemeinen Logik kann eine Schei-
dung nur durch das Moment des Besonderen erzeugt werden.
Würde aber dem Allgemeinen eine scheidende Kraft zugestanden,
so entstünden Arten des Seins, nicht des Allgemeinen — wenn
hierin nur ein Sinn läge!

So können wir in den angeführten Sätzen nichts mehr se-
hen als sophistisches Gaukelspiel mit den unbestimmt gelassenen
Begriffen Allgemeinheit und Besonderheit, Thätigkeit und Sein,
dem auch sehr leicht auf den Grund zu schauen ist. Wie wäre
nicht der Begriff der Thätigkeit nach Beckerscher Auffassung
die allgemeinste Kategorie! Das Beckersche Sein ist aber gerade
eben so allgemein. Becker sagt, daß beide in jedem Dinge
in Einheit liegen, und nie eins ohne das andere ist; also ist
eins so allgemein wie das andere. Was in Wahrheit und mit
Bestimmtheit Thätigkeit, was Sein ist? frage man doch ja
Becker nicht; für solche Fragen hat er weder Ohr noch Ver-
stand. Genug, es sind Wörter, und es muß sich doch bei ih-
nen etwas denken lassen. — Andererseits aber, gesteht man auch
gern sogleich zu, daß das Moment des Seins die Besonderheit
der Dinge bewirke; hört darum das Sein auf das Allgemeinste
zu sein? Durchaus nicht! Jedes Ding zeigt ein besonderes
Sein; das Sein ist das Allgemeine. Die Thätigkeit hinwiederum,
beharrt sie etwa in ihrer reinen Allgemeinheit? Keineswegs! auch
sie erscheint in jedem besonderen Dinge besonders. Thätigkeit,
oder gar Bewegung, sind Begriffe, denen nur wenig Wirklich-
keit entspricht; die Wirklichkeit ist immer etwas Besonderes

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[87/0125] nen Einheit aus; die geistige hingegen von dem Aggregat mannigfaltiger vereinzelter Dinge“; trotzdem will Becker den Be- griff der Thätigkeit oder der Bewegung als die oberste Einheit ansehen, als den eigentlichen Urbegriff, aus dem sich alle nach ihren Arten und Unterarten unterschiedene Begriffe durch eine fortschreitende Individualisirung entwickelt haben (S. 71). Das heißt also, nach Becker selbst, die Sache auf den Kopf stellen. Ferner: Die Thätigkeit ist das Allgemeine, das Sein ist das Moment des Besondern; folglich sind die durch die seiende Besonderheit geschiedenen Dinge geschieden in Arten der All- gemeinheit, der Thätigkeit, aber nicht in Arten des Seins, wie Becker sagt. Wie nun aber gar die Begriffe andererseits sich nach dem Momente der Allgemeinheit sollen scheiden können, läßt sich wohl nur nach Beckers ganz individueller Lo- gik begreifen. Nach der allgemeinen Logik kann eine Schei- dung nur durch das Moment des Besonderen erzeugt werden. Würde aber dem Allgemeinen eine scheidende Kraft zugestanden, so entstünden Arten des Seins, nicht des Allgemeinen — wenn hierin nur ein Sinn läge! So können wir in den angeführten Sätzen nichts mehr se- hen als sophistisches Gaukelspiel mit den unbestimmt gelassenen Begriffen Allgemeinheit und Besonderheit, Thätigkeit und Sein, dem auch sehr leicht auf den Grund zu schauen ist. Wie wäre nicht der Begriff der Thätigkeit nach Beckerscher Auffassung die allgemeinste Kategorie! Das Beckersche Sein ist aber gerade eben so allgemein. Becker sagt, daß beide in jedem Dinge in Einheit liegen, und nie eins ohne das andere ist; also ist eins so allgemein wie das andere. Was in Wahrheit und mit Bestimmtheit Thätigkeit, was Sein ist? frage man doch ja Becker nicht; für solche Fragen hat er weder Ohr noch Ver- stand. Genug, es sind Wörter, und es muß sich doch bei ih- nen etwas denken lassen. — Andererseits aber, gesteht man auch gern sogleich zu, daß das Moment des Seins die Besonderheit der Dinge bewirke; hört darum das Sein auf das Allgemeinste zu sein? Durchaus nicht! Jedes Ding zeigt ein besonderes Sein; das Sein ist das Allgemeine. Die Thätigkeit hinwiederum, beharrt sie etwa in ihrer reinen Allgemeinheit? Keineswegs! auch sie erscheint in jedem besonderen Dinge besonders. Thätigkeit, oder gar Bewegung, sind Begriffe, denen nur wenig Wirklich- keit entspricht; die Wirklichkeit ist immer etwas Besonderes

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/125>, abgerufen am 24.11.2024.