anderes als Kritik, als gewissenhaftes Prüfen, ob man sich nicht täusche oder täuschen lasse; sie ist Hut vor Sophistik, vor dem Trugschlusse wie vor der leeren Phrase. Sie fragt: wird hier ein Gedanke geboten, oder ein bloßes Wort? und wenn ein Ge- danke, ist er denkbar? und vorzüglich, stimmt die Thatsache mit sich selbst und der Gedanke mit ihr?
Die Dialektik ist also wesentlich angewandte Logik, Mes- sen des Gedachten an den Gesetzen des Denkens; sie ist die das Denken begleitende Kritik.
Hiernach mag man schon ermessen, was der Vorwurf des Mangels an Dialektik zu bedeuten habe: er giebt Becker nichts- sagende und trügerische Wortspielerei Schuld. Die Beweise sollen nicht fehlen.
Wir kennen aber auch mit dem Wesen der Dialektik den Grund ihres Mangels bei Becker. Sie erfordert ein höchst sorg- fältiges Eingehen auf die besondern Eigenthümlichkeiten des zu erforschenden Gegenstandes, um die vorliegende Erscheinung, wie sie sich giebt oder zu geben scheint, an den allgemeinen lo- gischen Gesetzen zu messen. Becker aber bleibt abstract logisch, ohne auf die Sache einzugehen. Die leere Kategorie Gegensatz, nicht ihr Gehalt, die leere Form der Einheit, nicht ihr Grund, ist es, wonach er hascht; ihm genügt die Schale des Wissens. -- Weil er aber nicht dialektisch ist, hat er weder vom Aus- gangspunkte, dem Principe, noch vom Ziele, also auch nicht vom ganzen Wege der Entwickelung eine scharf bestimmte An- schauung. Hiermit steht seine Unmethodik in Verbindung: wie denn natürlich alle bisher gerügten Fehler sich gegenseitig stärken.
§. 32. Tautologie.
Wir gingen bei unserer Betrachtung der Dialektik mit Tren- delenburg davon aus, daß sie der Reiz zur Wissenschaft sei. Bleiben wir, um ihren Mangel bei Becker darzulegen, bei die- sem Punkte stehen. Becker leitet in der Vorrede der ersten Auflage seines "Organism" die Nothwendigkeit der Grammatik der besonderen Sprache für das Volk selbst, dem die Sprache gehört, von dem Bedürfnisse ab, die durch Vermischung der Mundarten und durch Einführung fremdartiger Elemente, welche eine Folge der wachsenden Cultur sind, unverständlich geworde- nen und in ihrer Bedeutung getrübten Formen wieder zum Bewußt- sein zu bringen. Das ist in der Weise richtig, wie man auch
anderes als Kritik, als gewissenhaftes Prüfen, ob man sich nicht täusche oder täuschen lasse; sie ist Hut vor Sophistik, vor dem Trugschlusse wie vor der leeren Phrase. Sie fragt: wird hier ein Gedanke geboten, oder ein bloßes Wort? und wenn ein Ge- danke, ist er denkbar? und vorzüglich, stimmt die Thatsache mit sich selbst und der Gedanke mit ihr?
Die Dialektik ist also wesentlich angewandte Logik, Mes- sen des Gedachten an den Gesetzen des Denkens; sie ist die das Denken begleitende Kritik.
Hiernach mag man schon ermessen, was der Vorwurf des Mangels an Dialektik zu bedeuten habe: er giebt Becker nichts- sagende und trügerische Wortspielerei Schuld. Die Beweise sollen nicht fehlen.
Wir kennen aber auch mit dem Wesen der Dialektik den Grund ihres Mangels bei Becker. Sie erfordert ein höchst sorg- fältiges Eingehen auf die besondern Eigenthümlichkeiten des zu erforschenden Gegenstandes, um die vorliegende Erscheinung, wie sie sich giebt oder zu geben scheint, an den allgemeinen lo- gischen Gesetzen zu messen. Becker aber bleibt abstract logisch, ohne auf die Sache einzugehen. Die leere Kategorie Gegensatz, nicht ihr Gehalt, die leere Form der Einheit, nicht ihr Grund, ist es, wonach er hascht; ihm genügt die Schale des Wissens. — Weil er aber nicht dialektisch ist, hat er weder vom Aus- gangspunkte, dem Principe, noch vom Ziele, also auch nicht vom ganzen Wege der Entwickelung eine scharf bestimmte An- schauung. Hiermit steht seine Unmethodik in Verbindung: wie denn natürlich alle bisher gerügten Fehler sich gegenseitig stärken.
§. 32. Tautologie.
Wir gingen bei unserer Betrachtung der Dialektik mit Tren- delenburg davon aus, daß sie der Reiz zur Wissenschaft sei. Bleiben wir, um ihren Mangel bei Becker darzulegen, bei die- sem Punkte stehen. Becker leitet in der Vorrede der ersten Auflage seines „Organism“ die Nothwendigkeit der Grammatik der besonderen Sprache für das Volk selbst, dem die Sprache gehört, von dem Bedürfnisse ab, die durch Vermischung der Mundarten und durch Einführung fremdartiger Elemente, welche eine Folge der wachsenden Cultur sind, unverständlich geworde- nen und in ihrer Bedeutung getrübten Formen wieder zum Bewußt- sein zu bringen. Das ist in der Weise richtig, wie man auch
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anderes als Kritik, als gewissenhaftes Prüfen, ob man sich nicht
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Trugschlusse wie vor der leeren Phrase. Sie fragt: wird hier
ein Gedanke geboten, oder ein bloßes Wort? und wenn ein Ge-
danke, ist er denkbar? und vorzüglich, stimmt die Thatsache
mit sich selbst und der Gedanke mit ihr?
Die Dialektik ist also wesentlich angewandte Logik, Mes-
sen des Gedachten an den Gesetzen des Denkens; sie ist die
das Denken begleitende Kritik.
Hiernach mag man schon ermessen, was der Vorwurf des
Mangels an Dialektik zu bedeuten habe: er giebt Becker nichts-
sagende und trügerische Wortspielerei Schuld. Die Beweise
sollen nicht fehlen.
Wir kennen aber auch mit dem Wesen der Dialektik den
Grund ihres Mangels bei Becker. Sie erfordert ein höchst sorg-
fältiges Eingehen auf die besondern Eigenthümlichkeiten des zu
erforschenden Gegenstandes, um die vorliegende Erscheinung,
wie sie sich giebt oder zu geben scheint, an den allgemeinen lo-
gischen Gesetzen zu messen. Becker aber bleibt abstract logisch,
ohne auf die Sache einzugehen. Die leere Kategorie Gegensatz,
nicht ihr Gehalt, die leere Form der Einheit, nicht ihr Grund,
ist es, wonach er hascht; ihm genügt die Schale des Wissens.
— Weil er aber nicht dialektisch ist, hat er weder vom Aus-
gangspunkte, dem Principe, noch vom Ziele, also auch nicht
vom ganzen Wege der Entwickelung eine scharf bestimmte An-
schauung. Hiermit steht seine Unmethodik in Verbindung: wie
denn natürlich alle bisher gerügten Fehler sich gegenseitig
stärken.
§. 32. Tautologie.
Wir gingen bei unserer Betrachtung der Dialektik mit Tren-
delenburg davon aus, daß sie der Reiz zur Wissenschaft sei.
Bleiben wir, um ihren Mangel bei Becker darzulegen, bei die-
sem Punkte stehen. Becker leitet in der Vorrede der ersten
Auflage seines „Organism“ die Nothwendigkeit der Grammatik
der besonderen Sprache für das Volk selbst, dem die Sprache
gehört, von dem Bedürfnisse ab, die durch Vermischung der
Mundarten und durch Einführung fremdartiger Elemente, welche
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nen und in ihrer Bedeutung getrübten Formen wieder zum Bewußt-
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/107>, abgerufen am 22.12.2024.
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