Bei unserer Betrachtung des Beckerschen Princips haben wir schon gelegentlich erkannt, wie dasselbe ursprünglich unbe- stimmt gefaßt, bald gänzlich verwirrt, in der weiteren Darle- gung, statt sich abzuklären und an Fülle des Inhalts sowohl als an Festigkeit der Form zu gewinnen, vielmehr durch völlige Unmethodik leerer Spielerei und Tautologie anheim fiel. Auch bei der Entwickelung des logisch-mechanischen Charakters der Beckerschen Sprachbetrachtung haben wir gefunden, wie abstract und leer formal die logischen Kategorien gefaßt werden. Wir haben dieses Formelspiel Beckers genauer kennen zu lernen.
Sobald sich Becker den logischen Formen als constitutiven Leitern seiner Sprachwissenschaft ergab, war er dem unorgani- schen Wesen verfallen, der unorganischen Gabelung der Gegen- sätze. Da nun aber diese logischen Formen, immer allgemein, das Wesen der besonderen Sache niemals decken, so erfaßt auch Becker mit ihnen niemals den vollen Gehalt der Sache; ja, da sie, an sich formal, aus sich heraus nicht auf die Besonderheit des Inhalts weisen, so hat Becker an ihnen nichts als leere Fä- cher, die gegen den Inhalt, den man ihnen giebt, gleichgültig sind. Bei diesem Mißbrauch derselben bleiben sie in Wahrheit leer, und auch dem Inhalte andererseits wird solche Gewalt an- gethan, daß er verschwindet.
Die logische Auffassung der Sprache und die unorganische Betrachtungsweise begünstigten sich einander. Wenn diese durch jene gefördert war, so führte sie auch ihrerseits zu jener zurück. Was war's denn, was den Inhalt des Organismus bei Becker ausmachte? Nicht ein Theil der Natur im Unterschiede von einem anderen, unorganischen Theile; nicht die Natur im Ge- gensatze zur Freiheit des Geistes; nicht der Zweckbegriff, die Verkörperung eines Gedankens war schließlich jener Inhalt; son- dern lediglich die Besonderung eines Allgemeinen nach dem ein- fachen Gegensatze -- ja, noch weniger als das, nämlich bloß die Entgegensetzung, welche sowohl das Verhältniß eines Be- sondern zu einem andern, als auch zum Allgemeinen umfaßt, ja, welche bis zur bloßen Verschiedenheit herabsinkt. Und aus dieser ärmsten logischen Kategorie sollte irgend welche inhalts- volle Entwickelung eines wirklichen Wesens möglich sein? Die kann sich ja nur an den Punkt anknüpfen, wo ein Allgemeines
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3. Beckers leerer Formalismus.
Bei unserer Betrachtung des Beckerschen Princips haben wir schon gelegentlich erkannt, wie dasselbe ursprünglich unbe- stimmt gefaßt, bald gänzlich verwirrt, in der weiteren Darle- gung, statt sich abzuklären und an Fülle des Inhalts sowohl als an Festigkeit der Form zu gewinnen, vielmehr durch völlige Unmethodik leerer Spielerei und Tautologie anheim fiel. Auch bei der Entwickelung des logisch-mechanischen Charakters der Beckerschen Sprachbetrachtung haben wir gefunden, wie abstract und leer formal die logischen Kategorien gefaßt werden. Wir haben dieses Formelspiel Beckers genauer kennen zu lernen.
Sobald sich Becker den logischen Formen als constitutiven Leitern seiner Sprachwissenschaft ergab, war er dem unorgani- schen Wesen verfallen, der unorganischen Gabelung der Gegen- sätze. Da nun aber diese logischen Formen, immer allgemein, das Wesen der besonderen Sache niemals decken, so erfaßt auch Becker mit ihnen niemals den vollen Gehalt der Sache; ja, da sie, an sich formal, aus sich heraus nicht auf die Besonderheit des Inhalts weisen, so hat Becker an ihnen nichts als leere Fä- cher, die gegen den Inhalt, den man ihnen giebt, gleichgültig sind. Bei diesem Mißbrauch derselben bleiben sie in Wahrheit leer, und auch dem Inhalte andererseits wird solche Gewalt an- gethan, daß er verschwindet.
Die logische Auffassung der Sprache und die unorganische Betrachtungsweise begünstigten sich einander. Wenn diese durch jene gefördert war, so führte sie auch ihrerseits zu jener zurück. Was war’s denn, was den Inhalt des Organismus bei Becker ausmachte? Nicht ein Theil der Natur im Unterschiede von einem anderen, unorganischen Theile; nicht die Natur im Ge- gensatze zur Freiheit des Geistes; nicht der Zweckbegriff, die Verkörperung eines Gedankens war schließlich jener Inhalt; son- dern lediglich die Besonderung eines Allgemeinen nach dem ein- fachen Gegensatze — ja, noch weniger als das, nämlich bloß die Entgegensetzung, welche sowohl das Verhältniß eines Be- sondern zu einem andern, als auch zum Allgemeinen umfaßt, ja, welche bis zur bloßen Verschiedenheit herabsinkt. Und aus dieser ärmsten logischen Kategorie sollte irgend welche inhalts- volle Entwickelung eines wirklichen Wesens möglich sein? Die kann sich ja nur an den Punkt anknüpfen, wo ein Allgemeines
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3. Beckers leerer Formalismus.
Bei unserer Betrachtung des Beckerschen Princips haben
wir schon gelegentlich erkannt, wie dasselbe ursprünglich unbe-
stimmt gefaßt, bald gänzlich verwirrt, in der weiteren Darle-
gung, statt sich abzuklären und an Fülle des Inhalts sowohl als
an Festigkeit der Form zu gewinnen, vielmehr durch völlige
Unmethodik leerer Spielerei und Tautologie anheim fiel. Auch
bei der Entwickelung des logisch-mechanischen Charakters der
Beckerschen Sprachbetrachtung haben wir gefunden, wie abstract
und leer formal die logischen Kategorien gefaßt werden. Wir
haben dieses Formelspiel Beckers genauer kennen zu lernen.
Sobald sich Becker den logischen Formen als constitutiven
Leitern seiner Sprachwissenschaft ergab, war er dem unorgani-
schen Wesen verfallen, der unorganischen Gabelung der Gegen-
sätze. Da nun aber diese logischen Formen, immer allgemein, das
Wesen der besonderen Sache niemals decken, so erfaßt auch
Becker mit ihnen niemals den vollen Gehalt der Sache; ja, da
sie, an sich formal, aus sich heraus nicht auf die Besonderheit
des Inhalts weisen, so hat Becker an ihnen nichts als leere Fä-
cher, die gegen den Inhalt, den man ihnen giebt, gleichgültig
sind. Bei diesem Mißbrauch derselben bleiben sie in Wahrheit
leer, und auch dem Inhalte andererseits wird solche Gewalt an-
gethan, daß er verschwindet.
Die logische Auffassung der Sprache und die unorganische
Betrachtungsweise begünstigten sich einander. Wenn diese durch
jene gefördert war, so führte sie auch ihrerseits zu jener zurück.
Was war’s denn, was den Inhalt des Organismus bei Becker
ausmachte? Nicht ein Theil der Natur im Unterschiede von
einem anderen, unorganischen Theile; nicht die Natur im Ge-
gensatze zur Freiheit des Geistes; nicht der Zweckbegriff, die
Verkörperung eines Gedankens war schließlich jener Inhalt; son-
dern lediglich die Besonderung eines Allgemeinen nach dem ein-
fachen Gegensatze — ja, noch weniger als das, nämlich bloß
die Entgegensetzung, welche sowohl das Verhältniß eines Be-
sondern zu einem andern, als auch zum Allgemeinen umfaßt,
ja, welche bis zur bloßen Verschiedenheit herabsinkt. Und aus
dieser ärmsten logischen Kategorie sollte irgend welche inhalts-
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/103>, abgerufen am 22.12.2024.
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