Zuweilen kam auch eins der nachts eifrig thätigen Mäuslein spionieren und wurde, wenn es nicht zeitig entwischte, mit einem Kinderpfeil geschossen und den Frauen zum Braten gebracht. Fast ständige Gäste waren grosse schwarz-weiss gestreifte Bienen, die sich ebenso wie ein hier und da durch den Eingang herzuflatternder Schmetterling ruhig greifen und bei Seite setzen liessen. Am heissen Mittag meinte ich öfters inmitten eines von Gesumm und Gebrumm erfüllten Bienenkorbes zu sitzen.
Es war um diese Stunde am dritten Tage, dass ich vor den Bienen und Fliegen in das grosse Haus Paleko's flüchtete und es zum ersten Mal betrat. Dort drinnen war es wundervoll kühl und gemütlich und nichts von lästigem Ungeziefer vorhanden. Nur Ameisen zogen mit Mehlkörnern beladen ihre Strasse zum Mandiokastampfer. Die Männer schaukelten sich, ihre Hauptbeschäftigung daheim, in den Hängematten, und nachdem ich anstandshalber auf dem Ehren- schemel, der die Höhe einer Zigarrenkiste hatte, ein Weilchen sitzen geblieben war, folgte ich bald ihrem Beispiel.
Man meinte sich in einem riesigen Bienenkorb zu befinden, glücklicherweise ohne die Bienen. Der Grundriss war fast kreisförmig mit einem Durchmesser vom 15 m; zwei gewaltige Pfosten, 9 m hoch und 31/2 m von einander abstehend, stützten in der Mitte die mächtige Strohkuppel, deren Gerüst aus horizontalen Bambusringen und über diese senkrecht nach oben zur Luke gebogenen Stangen bestand. Sie war rauchgeschwärzt, wie Theer glänzend. Die Wandung ringsum, über der sie sich erhob, ein festgeschlossener Ring von 11/2 m hohen Pfosten, nur unterbrochen durch zwei für mich viel zu niedrige Thüreingänge, die sich gegen- überlagen. Von der Wand waren nach innen zu, in der Richtung der Radien, die Hängematten gespannt, an besonders starken Pfosten beiderseits befestigt, sodass der Aussenraum in eine Anzahl von freilich offenen Gemächern eingeteilt war. Der grosse Mittelraum um die Hauptpfosten herum und unter der Luke, der frei blieb, war Küche und Stapelplatz für Proviantkörbe, Töpfe, irdene Beiju- Pfannen, Siebe, Matten, Kiepen, Mörser, Stampfer und Kalabassen. An die Haupt- pfosten waren Stöcke mit Schlingpflanzen angeflochten, wo wieder Kürbisschalen oder Tabakbündel herabhingen, von einem Querbalken baumelten grosse Vögel mit strohgeflochtenen Beinen und Schwänzen herab, die sehr geheimnisvoll aus- sahen und nur den Zweck hatten, die Maiskolben, aus denen ihr Inneres und die Flügel zusammengesetzt waren, auf eine das Auge erfreuende Art aufzubewahren. Der Boden war überzogen von einem steinharten Satz des feinen weissen Mandioka- mehls, mehlweiss waren die Mörser und Stampfer und rauchgeschwärzt die Töpfe. Ueber den Thüren Körbe mit Kalabassen, Reusen, Fischnetze, in den "Gemächern" an der Wand Bogen, Steinbeile, die buntgefiederten Pfeile aus dem Kuppelstroh hervorstarrend, ein Kram von Körbchen, Trinkschalen und kleinerem Gerät, am Boden weisse Lehmkugeln, Töpfchen, Schemel, Holzstücke, Feuerfächer und die Asche des Feuerchens, das Jeder nachts neben und fast unter seiner Hängematte unterhält, an der Hängematte ein Büschelchen bunter Federn und der Kamm hängend, hier und da eine Pyramide aus Stäben mit dem Bratrost;
Zuweilen kam auch eins der nachts eifrig thätigen Mäuslein spionieren und wurde, wenn es nicht zeitig entwischte, mit einem Kinderpfeil geschossen und den Frauen zum Braten gebracht. Fast ständige Gäste waren grosse schwarz-weiss gestreifte Bienen, die sich ebenso wie ein hier und da durch den Eingang herzuflatternder Schmetterling ruhig greifen und bei Seite setzen liessen. Am heissen Mittag meinte ich öfters inmitten eines von Gesumm und Gebrumm erfüllten Bienenkorbes zu sitzen.
Es war um diese Stunde am dritten Tage, dass ich vor den Bienen und Fliegen in das grosse Haus Paleko’s flüchtete und es zum ersten Mal betrat. Dort drinnen war es wundervoll kühl und gemütlich und nichts von lästigem Ungeziefer vorhanden. Nur Ameisen zogen mit Mehlkörnern beladen ihre Strasse zum Mandiokastampfer. Die Männer schaukelten sich, ihre Hauptbeschäftigung daheim, in den Hängematten, und nachdem ich anstandshalber auf dem Ehren- schemel, der die Höhe einer Zigarrenkiste hatte, ein Weilchen sitzen geblieben war, folgte ich bald ihrem Beispiel.
Man meinte sich in einem riesigen Bienenkorb zu befinden, glücklicherweise ohne die Bienen. Der Grundriss war fast kreisförmig mit einem Durchmesser vom 15 m; zwei gewaltige Pfosten, 9 m hoch und 3½ m von einander abstehend, stützten in der Mitte die mächtige Strohkuppel, deren Gerüst aus horizontalen Bambusringen und über diese senkrecht nach oben zur Luke gebogenen Stangen bestand. Sie war rauchgeschwärzt, wie Theer glänzend. Die Wandung ringsum, über der sie sich erhob, ein festgeschlossener Ring von 1½ m hohen Pfosten, nur unterbrochen durch zwei für mich viel zu niedrige Thüreingänge, die sich gegen- überlagen. Von der Wand waren nach innen zu, in der Richtung der Radien, die Hängematten gespannt, an besonders starken Pfosten beiderseits befestigt, sodass der Aussenraum in eine Anzahl von freilich offenen Gemächern eingeteilt war. Der grosse Mittelraum um die Hauptpfosten herum und unter der Luke, der frei blieb, war Küche und Stapelplatz für Proviantkörbe, Töpfe, irdene Beijú- Pfannen, Siebe, Matten, Kiepen, Mörser, Stampfer und Kalabassen. An die Haupt- pfosten waren Stöcke mit Schlingpflanzen angeflochten, wo wieder Kürbisschalen oder Tabakbündel herabhingen, von einem Querbalken baumelten grosse Vögel mit strohgeflochtenen Beinen und Schwänzen herab, die sehr geheimnisvoll aus- sahen und nur den Zweck hatten, die Maiskolben, aus denen ihr Inneres und die Flügel zusammengesetzt waren, auf eine das Auge erfreuende Art aufzubewahren. Der Boden war überzogen von einem steinharten Satz des feinen weissen Mandioka- mehls, mehlweiss waren die Mörser und Stampfer und rauchgeschwärzt die Töpfe. Ueber den Thüren Körbe mit Kalabassen, Reusen, Fischnetze, in den »Gemächern« an der Wand Bogen, Steinbeile, die buntgefiederten Pfeile aus dem Kuppelstroh hervorstarrend, ein Kram von Körbchen, Trinkschalen und kleinerem Gerät, am Boden weisse Lehmkugeln, Töpfchen, Schemel, Holzstücke, Feuerfächer und die Asche des Feuerchens, das Jeder nachts neben und fast unter seiner Hängematte unterhält, an der Hängematte ein Büschelchen bunter Federn und der Kamm hängend, hier und da eine Pyramide aus Stäben mit dem Bratrost;
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Zuweilen kam auch eins der nachts eifrig thätigen Mäuslein spionieren und wurde,
wenn es nicht zeitig entwischte, mit einem Kinderpfeil geschossen und den Frauen
zum Braten gebracht. Fast ständige Gäste waren grosse schwarz-weiss gestreifte
Bienen, die sich ebenso wie ein hier und da durch den Eingang herzuflatternder
Schmetterling ruhig greifen und bei Seite setzen liessen. Am heissen Mittag meinte
ich öfters inmitten eines von Gesumm und Gebrumm erfüllten Bienenkorbes zu sitzen.
Es war um diese Stunde am dritten Tage, dass ich vor den Bienen und
Fliegen in das grosse Haus Paleko’s flüchtete und es zum ersten Mal betrat.
Dort drinnen war es wundervoll kühl und gemütlich und nichts von lästigem
Ungeziefer vorhanden. Nur Ameisen zogen mit Mehlkörnern beladen ihre Strasse
zum Mandiokastampfer. Die Männer schaukelten sich, ihre Hauptbeschäftigung
daheim, in den Hängematten, und nachdem ich anstandshalber auf dem Ehren-
schemel, der die Höhe einer Zigarrenkiste hatte, ein Weilchen sitzen geblieben
war, folgte ich bald ihrem Beispiel.
Man meinte sich in einem riesigen Bienenkorb zu befinden, glücklicherweise
ohne die Bienen. Der Grundriss war fast kreisförmig mit einem Durchmesser
vom 15 m; zwei gewaltige Pfosten, 9 m hoch und 3½ m von einander abstehend,
stützten in der Mitte die mächtige Strohkuppel, deren Gerüst aus horizontalen
Bambusringen und über diese senkrecht nach oben zur Luke gebogenen Stangen
bestand. Sie war rauchgeschwärzt, wie Theer glänzend. Die Wandung ringsum,
über der sie sich erhob, ein festgeschlossener Ring von 1½ m hohen Pfosten, nur
unterbrochen durch zwei für mich viel zu niedrige Thüreingänge, die sich gegen-
überlagen. Von der Wand waren nach innen zu, in der Richtung der Radien, die
Hängematten gespannt, an besonders starken Pfosten beiderseits befestigt, sodass
der Aussenraum in eine Anzahl von freilich offenen Gemächern eingeteilt war.
Der grosse Mittelraum um die Hauptpfosten herum und unter der Luke, der
frei blieb, war Küche und Stapelplatz für Proviantkörbe, Töpfe, irdene Beijú-
Pfannen, Siebe, Matten, Kiepen, Mörser, Stampfer und Kalabassen. An die Haupt-
pfosten waren Stöcke mit Schlingpflanzen angeflochten, wo wieder Kürbisschalen
oder Tabakbündel herabhingen, von einem Querbalken baumelten grosse Vögel
mit strohgeflochtenen Beinen und Schwänzen herab, die sehr geheimnisvoll aus-
sahen und nur den Zweck hatten, die Maiskolben, aus denen ihr Inneres und die
Flügel zusammengesetzt waren, auf eine das Auge erfreuende Art aufzubewahren.
Der Boden war überzogen von einem steinharten Satz des feinen weissen Mandioka-
mehls, mehlweiss waren die Mörser und Stampfer und rauchgeschwärzt die
Töpfe. Ueber den Thüren Körbe mit Kalabassen, Reusen, Fischnetze, in den
»Gemächern« an der Wand Bogen, Steinbeile, die buntgefiederten Pfeile aus dem
Kuppelstroh hervorstarrend, ein Kram von Körbchen, Trinkschalen und kleinerem
Gerät, am Boden weisse Lehmkugeln, Töpfchen, Schemel, Holzstücke, Feuerfächer
und die Asche des Feuerchens, das Jeder nachts neben und fast unter seiner
Hängematte unterhält, an der Hängematte ein Büschelchen bunter Federn und
der Kamm hängend, hier und da eine Pyramide aus Stäben mit dem Bratrost;
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/88>, abgerufen am 24.11.2024.
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