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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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damals bei Koblenz vor uns in heller Flucht davongestürzt waren, und unsere
Soldaten sie verfolgt hatten, um einige von ihnen trotz aller Eile mitgenommenen
Gegenstände zurückzugewinnen, war bei dem thörichten Schiessen, das sich die
Leute erlaubt hatten und das angeblich nur in die Luft gerichtet war, dennoch
ein Trumai, wie ich jetzt erfuhr, getödtet worden. Dort konnten wir also kaum
auf herzliches Willkommen rechnen.

Antonio und Carlos schickte ich am nächsten Tage, dem 11. September
1887, mit den Neuigkeiten nach der Independencia zurück. Ich hatte für ein
Buschmesser das eine der beiden Kanus, das die Bakairi besassen, erworben. Ich
selbst wollte zurückbleiben, ein neues Kanu anfertigen lassen und die seltene
Gelegenheit, allein unter diesen Naturkindern zu weilen, für meine Studien aus-
nutzen. In dem flussabwärts liegenden zweiten Bakairidorf, hörte ich, seien drei
Kanus vorhanden, und könnten wir vielleicht zwei bekommen. Während für die
im Standquartier zurückbleibenden ein guter Rancho gebaut würde, sollten
deshalb ein oder zwei Herren, die jetzt von Antonio und Carlos geholt wurden,
mit mir nach dem zweiten Bakairidorf fahren; dort konnten wir uns vervoll-
ständigen und alsdann günstigen Falls mit vier Kanus nach der Independencia
zurückrudern, um nun endlich die eigentliche Flussfahrt anzutreten. Antonio und
Carlos sollten ferner, um Zeit zu sparen, ihr Kanu an der ersten grossen
Cachoeira zurücklassen und über Land die Independencia aufsuchen. So wurde
das Terrain im Anschluss an die mittlerweile von den Herren in der Inde-
pendencia gewonnenen Erfahrungen vollständig rekognosziert und die Frage er-
ledigt, ob das Standquartier nicht näher an das erste Bakairidorf vorgeschoben
werden könne.

Als ich die beiden Wackern zum Hafen gebracht hatte und sie bald in der
nächsten Biegung des Flusses verschwunden waren, kehrte ich zu meinen neuen
Freunden zurück und fühlte mich in ihrer Mitte bald so wohl, dass ich jene
idyllischen Tage unbedenklich den glücklichsten zurechne, die ich erlebt habe.
Ich will versuchen, ihnen in einer kleinen Skizze gerecht zu werden; ich erhalte
dadurch Gelegenheit, manche kleinen Züge von dem braven Völkchen mitzu-
teilen, die im rein fachwissenschaftlichen Bericht nicht unterzubringen wären und
doch des Wertes schon deshalb nicht entbehren, weil sie uns die Indianer nicht
ganz so zeigen, wie wir sie uns vorzustellen gewohnt sind. Nicht Weniges davon
verschwand, als später die grössere Gesellschaft kam; die volle Unbefangenheit,
mit der man sich mir Einzelnen gegenüber gab, blieb nicht bestehen, und das
Verhalten ähnelte mehr dem bekannten Schema, das in den Büchern gezeichnet
zu werden pflegt. Und da möchte ich, was meine Bakairi angeht, von vorn-
herein Einspruch erheben gegen derartige Anschauungen über ihre Eigenschaften,
wie sie ihren typischen Ausdruck in den folgenden Sätzen Oscar Peschels
(Abhandlungen zur Erd- und Völkerkunde, Leipzig 1877, Band I, p. 421) finden:
"In keinem Weltteil der Erde hat man vor 1492 weniger frohes Lachen gehört
als in Amerika. Der sogenannte rote Mann bleibt sich unter allen Himmels-

damals bei Koblenz vor uns in heller Flucht davongestürzt waren, und unsere
Soldaten sie verfolgt hatten, um einige von ihnen trotz aller Eile mitgenommenen
Gegenstände zurückzugewinnen, war bei dem thörichten Schiessen, das sich die
Leute erlaubt hatten und das angeblich nur in die Luft gerichtet war, dennoch
ein Trumaí, wie ich jetzt erfuhr, getödtet worden. Dort konnten wir also kaum
auf herzliches Willkommen rechnen.

Antonio und Carlos schickte ich am nächsten Tage, dem 11. September
1887, mit den Neuigkeiten nach der Independencia zurück. Ich hatte für ein
Buschmesser das eine der beiden Kanus, das die Bakaïrí besassen, erworben. Ich
selbst wollte zurückbleiben, ein neues Kanu anfertigen lassen und die seltene
Gelegenheit, allein unter diesen Naturkindern zu weilen, für meine Studien aus-
nutzen. In dem flussabwärts liegenden zweiten Bakaïrídorf, hörte ich, seien drei
Kanus vorhanden, und könnten wir vielleicht zwei bekommen. Während für die
im Standquartier zurückbleibenden ein guter Rancho gebaut würde, sollten
deshalb ein oder zwei Herren, die jetzt von Antonio und Carlos geholt wurden,
mit mir nach dem zweiten Bakaïrídorf fahren; dort konnten wir uns vervoll-
ständigen und alsdann günstigen Falls mit vier Kanus nach der Independencia
zurückrudern, um nun endlich die eigentliche Flussfahrt anzutreten. Antonio und
Carlos sollten ferner, um Zeit zu sparen, ihr Kanu an der ersten grossen
Cachoeira zurücklassen und über Land die Independencia aufsuchen. So wurde
das Terrain im Anschluss an die mittlerweile von den Herren in der Inde-
pendencia gewonnenen Erfahrungen vollständig rekognosziert und die Frage er-
ledigt, ob das Standquartier nicht näher an das erste Bakaïrídorf vorgeschoben
werden könne.

Als ich die beiden Wackern zum Hafen gebracht hatte und sie bald in der
nächsten Biegung des Flusses verschwunden waren, kehrte ich zu meinen neuen
Freunden zurück und fühlte mich in ihrer Mitte bald so wohl, dass ich jene
idyllischen Tage unbedenklich den glücklichsten zurechne, die ich erlebt habe.
Ich will versuchen, ihnen in einer kleinen Skizze gerecht zu werden; ich erhalte
dadurch Gelegenheit, manche kleinen Züge von dem braven Völkchen mitzu-
teilen, die im rein fachwissenschaftlichen Bericht nicht unterzubringen wären und
doch des Wertes schon deshalb nicht entbehren, weil sie uns die Indianer nicht
ganz so zeigen, wie wir sie uns vorzustellen gewohnt sind. Nicht Weniges davon
verschwand, als später die grössere Gesellschaft kam; die volle Unbefangenheit,
mit der man sich mir Einzelnen gegenüber gab, blieb nicht bestehen, und das
Verhalten ähnelte mehr dem bekannten Schema, das in den Büchern gezeichnet
zu werden pflegt. Und da möchte ich, was meine Bakaïrí angeht, von vorn-
herein Einspruch erheben gegen derartige Anschauungen über ihre Eigenschaften,
wie sie ihren typischen Ausdruck in den folgenden Sätzen Oscar Peschels
(Abhandlungen zur Erd- und Völkerkunde, Leipzig 1877, Band I, p. 421) finden:
»In keinem Weltteil der Erde hat man vor 1492 weniger frohes Lachen gehört
als in Amerika. Der sogenannte rote Mann bleibt sich unter allen Himmels-

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[56/0084] damals bei Koblenz vor uns in heller Flucht davongestürzt waren, und unsere Soldaten sie verfolgt hatten, um einige von ihnen trotz aller Eile mitgenommenen Gegenstände zurückzugewinnen, war bei dem thörichten Schiessen, das sich die Leute erlaubt hatten und das angeblich nur in die Luft gerichtet war, dennoch ein Trumaí, wie ich jetzt erfuhr, getödtet worden. Dort konnten wir also kaum auf herzliches Willkommen rechnen. Antonio und Carlos schickte ich am nächsten Tage, dem 11. September 1887, mit den Neuigkeiten nach der Independencia zurück. Ich hatte für ein Buschmesser das eine der beiden Kanus, das die Bakaïrí besassen, erworben. Ich selbst wollte zurückbleiben, ein neues Kanu anfertigen lassen und die seltene Gelegenheit, allein unter diesen Naturkindern zu weilen, für meine Studien aus- nutzen. In dem flussabwärts liegenden zweiten Bakaïrídorf, hörte ich, seien drei Kanus vorhanden, und könnten wir vielleicht zwei bekommen. Während für die im Standquartier zurückbleibenden ein guter Rancho gebaut würde, sollten deshalb ein oder zwei Herren, die jetzt von Antonio und Carlos geholt wurden, mit mir nach dem zweiten Bakaïrídorf fahren; dort konnten wir uns vervoll- ständigen und alsdann günstigen Falls mit vier Kanus nach der Independencia zurückrudern, um nun endlich die eigentliche Flussfahrt anzutreten. Antonio und Carlos sollten ferner, um Zeit zu sparen, ihr Kanu an der ersten grossen Cachoeira zurücklassen und über Land die Independencia aufsuchen. So wurde das Terrain im Anschluss an die mittlerweile von den Herren in der Inde- pendencia gewonnenen Erfahrungen vollständig rekognosziert und die Frage er- ledigt, ob das Standquartier nicht näher an das erste Bakaïrídorf vorgeschoben werden könne. Als ich die beiden Wackern zum Hafen gebracht hatte und sie bald in der nächsten Biegung des Flusses verschwunden waren, kehrte ich zu meinen neuen Freunden zurück und fühlte mich in ihrer Mitte bald so wohl, dass ich jene idyllischen Tage unbedenklich den glücklichsten zurechne, die ich erlebt habe. Ich will versuchen, ihnen in einer kleinen Skizze gerecht zu werden; ich erhalte dadurch Gelegenheit, manche kleinen Züge von dem braven Völkchen mitzu- teilen, die im rein fachwissenschaftlichen Bericht nicht unterzubringen wären und doch des Wertes schon deshalb nicht entbehren, weil sie uns die Indianer nicht ganz so zeigen, wie wir sie uns vorzustellen gewohnt sind. Nicht Weniges davon verschwand, als später die grössere Gesellschaft kam; die volle Unbefangenheit, mit der man sich mir Einzelnen gegenüber gab, blieb nicht bestehen, und das Verhalten ähnelte mehr dem bekannten Schema, das in den Büchern gezeichnet zu werden pflegt. Und da möchte ich, was meine Bakaïrí angeht, von vorn- herein Einspruch erheben gegen derartige Anschauungen über ihre Eigenschaften, wie sie ihren typischen Ausdruck in den folgenden Sätzen Oscar Peschels (Abhandlungen zur Erd- und Völkerkunde, Leipzig 1877, Band I, p. 421) finden: »In keinem Weltteil der Erde hat man vor 1492 weniger frohes Lachen gehört als in Amerika. Der sogenannte rote Mann bleibt sich unter allen Himmels-

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/84>, abgerufen am 25.11.2024.