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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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und schwatzte mit seinem Stammesgenossen Antonio, als ob er in einem glück-
lichen Lande der gemässigten Zone aufgewachsen wäre. In wenigen Minuten
waren wir gute Freunde, er sagte uns sogar, was er freilich nach des Landes
Brauch ohne schamhaftes Zaudern und Zögern nicht zu Stande brachte, auf mein
Drängen seinen Namen; er hiess Tumayaua und war der Häuptling eines
wenige Stunden entfernten Dorfes der Bakairi.

Also wirklich der Bakairi! Die Hoffnung der vergangenen Wochen war in
Erfüllung gegangen, wir traten in unser Forschungsgebiet bei einem uns wohl-
bekannten gutartigen Völkchen ein, und unser Debut war gesichert. Tumayaua,
erfuhr ich jetzt durch Antonio, war nicht wenig verdutzt gewesen über meinen
Zuruf; dass er ein Bakairi sei, dass wir aber keine Bakairi seien, hatte er
geantwortet. Zuvorkommend bot uns der Gute sein Kanu an, stieg selbst in das
unsere und übernahm die Führung. Aber wir plauderten nicht minder eifrig als
wir ruderten. Die Bakairi des Batovy waren Tumayaua's Verwandte und Freunde.
Von dem ersten Dorf, das wir 1884 besucht hatten, gab es wunderbare Neuig-
keiten. Der alte Indianer, den wir damals den "Professor" genannt hatten, war
mit einigen Andern unterwegs zum Paranatinga! Sie wollten Antonio und seinen
Stammesbrüdern einen neuen Besuch abstatten. Pauhaga, der erste Bakairi, den
wir auf der früheren Reise am Batovy begrüsst hatten, wohnte augenblicklich in
Tumayaua's Gemeinde, und ein merkwürdiger Zufall fügte es also, dass wir ihn
auch gerade im ersten Dorfe des Kulisehu wiedersehen sollten. Waren wir denn
auch wirklich am Kulisehu? Ja, der Fluss hiess Kulisehu, Kuliseu oder Kuliheu,
wie denn h und s im Bakairi zu wechseln pflegen, und alle die Stämme, die wir
suchten, wohnten anscheinend auch an seinen Ufern.

Doch Cachoeiras unterbrachen die Unterhaltung. Um 12 Uhr waren wir
abgefahren; nach einer halben Stunde kam eine 60 m lange, niedrige Stein-
cachoeira, durch die wir uns mühsam hindurchwanden, kurz nach 1 Uhr dann
No. 4 der heutigen Reihe, wo entladen werden musste, und ein halbes Stündchen
Aufenthalt entstand. 3/43 Uhr trafen wir bei der fünften und letzten ein, die
sich mit kräftigem Schwall durch die Felsblöcke ergoss. Hier aber streikte der
Pilot gegen die Weiterbeförderung unseres in akuter Wassersucht verendenden
Kanus. Wir nahmen ihn als Vierten auf und überliessen die Leiche ihrem Schicksal.
Tumayaua, dass mussten wir lobend anerkennen, war uns wirklich zur guten
Stunde entgegengekommen; dass wir drei mit unserm Gepäck und ohne Kenntnis
des Weges durch die letzten Cachoeiras in dem elenden Kanu, das den einzelnen
Indianer nicht mehr tragen konnte, bis zum Dorf gekommen wären, ist sehr
unwahrscheinlich. Gewiss aber hätten wir heute dieses Ziel nicht mehr erreicht.
31/4 Uhr legten wir am linken Ufer an; wir waren im "Hafen".

Wer sich mehr freute, Tumayaua, der eilend vorauslief, um uns anzumelden,
und rasch unseren Blicken entschwunden war, oder wir, ist schwer zu sagen.
Wir wanderten hintereinander den schmalen Pfad in dem durch Brand gelichteten
Terrain, traten nach wenigen Minuten in den Wald, hörten lautes Schreien und

und schwatzte mit seinem Stammesgenossen Antonio, als ob er in einem glück-
lichen Lande der gemässigten Zone aufgewachsen wäre. In wenigen Minuten
waren wir gute Freunde, er sagte uns sogar, was er freilich nach des Landes
Brauch ohne schamhaftes Zaudern und Zögern nicht zu Stande brachte, auf mein
Drängen seinen Namen; er hiess Tumayaua und war der Häuptling eines
wenige Stunden entfernten Dorfes der Bakaïrí.

Also wirklich der Bakaïrí! Die Hoffnung der vergangenen Wochen war in
Erfüllung gegangen, wir traten in unser Forschungsgebiet bei einem uns wohl-
bekannten gutartigen Völkchen ein, und unser Debut war gesichert. Tumayaua,
erfuhr ich jetzt durch Antonio, war nicht wenig verdutzt gewesen über meinen
Zuruf; dass er ein Bakaïrí sei, dass wir aber keine Bakaïrí seien, hatte er
geantwortet. Zuvorkommend bot uns der Gute sein Kanu an, stieg selbst in das
unsere und übernahm die Führung. Aber wir plauderten nicht minder eifrig als
wir ruderten. Die Bakaïrí des Batovy waren Tumayaua’s Verwandte und Freunde.
Von dem ersten Dorf, das wir 1884 besucht hatten, gab es wunderbare Neuig-
keiten. Der alte Indianer, den wir damals den »Professor« genannt hatten, war
mit einigen Andern unterwegs zum Paranatinga! Sie wollten Antonio und seinen
Stammesbrüdern einen neuen Besuch abstatten. Pauhaga, der erste Bakaïrí, den
wir auf der früheren Reise am Batovy begrüsst hatten, wohnte augenblicklich in
Tumayaua’s Gemeinde, und ein merkwürdiger Zufall fügte es also, dass wir ihn
auch gerade im ersten Dorfe des Kulisehu wiedersehen sollten. Waren wir denn
auch wirklich am Kulisehu? Ja, der Fluss hiess Kulisehu, Kulisëu oder Kulihëu,
wie denn h und s im Bakaïrí zu wechseln pflegen, und alle die Stämme, die wir
suchten, wohnten anscheinend auch an seinen Ufern.

Doch Cachoeiras unterbrachen die Unterhaltung. Um 12 Uhr waren wir
abgefahren; nach einer halben Stunde kam eine 60 m lange, niedrige Stein-
cachoeira, durch die wir uns mühsam hindurchwanden, kurz nach 1 Uhr dann
No. 4 der heutigen Reihe, wo entladen werden musste, und ein halbes Stündchen
Aufenthalt entstand. ¾3 Uhr trafen wir bei der fünften und letzten ein, die
sich mit kräftigem Schwall durch die Felsblöcke ergoss. Hier aber streikte der
Pilot gegen die Weiterbeförderung unseres in akuter Wassersucht verendenden
Kanus. Wir nahmen ihn als Vierten auf und überliessen die Leiche ihrem Schicksal.
Tumayaua, dass mussten wir lobend anerkennen, war uns wirklich zur guten
Stunde entgegengekommen; dass wir drei mit unserm Gepäck und ohne Kenntnis
des Weges durch die letzten Cachoeiras in dem elenden Kanu, das den einzelnen
Indianer nicht mehr tragen konnte, bis zum Dorf gekommen wären, ist sehr
unwahrscheinlich. Gewiss aber hätten wir heute dieses Ziel nicht mehr erreicht.
3¼ Uhr legten wir am linken Ufer an; wir waren im »Hafen«.

Wer sich mehr freute, Tumayaua, der eilend vorauslief, um uns anzumelden,
und rasch unseren Blicken entschwunden war, oder wir, ist schwer zu sagen.
Wir wanderten hintereinander den schmalen Pfad in dem durch Brand gelichteten
Terrain, traten nach wenigen Minuten in den Wald, hörten lautes Schreien und

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[53/0081] und schwatzte mit seinem Stammesgenossen Antonio, als ob er in einem glück- lichen Lande der gemässigten Zone aufgewachsen wäre. In wenigen Minuten waren wir gute Freunde, er sagte uns sogar, was er freilich nach des Landes Brauch ohne schamhaftes Zaudern und Zögern nicht zu Stande brachte, auf mein Drängen seinen Namen; er hiess Tumayaua und war der Häuptling eines wenige Stunden entfernten Dorfes der Bakaïrí. Also wirklich der Bakaïrí! Die Hoffnung der vergangenen Wochen war in Erfüllung gegangen, wir traten in unser Forschungsgebiet bei einem uns wohl- bekannten gutartigen Völkchen ein, und unser Debut war gesichert. Tumayaua, erfuhr ich jetzt durch Antonio, war nicht wenig verdutzt gewesen über meinen Zuruf; dass er ein Bakaïrí sei, dass wir aber keine Bakaïrí seien, hatte er geantwortet. Zuvorkommend bot uns der Gute sein Kanu an, stieg selbst in das unsere und übernahm die Führung. Aber wir plauderten nicht minder eifrig als wir ruderten. Die Bakaïrí des Batovy waren Tumayaua’s Verwandte und Freunde. Von dem ersten Dorf, das wir 1884 besucht hatten, gab es wunderbare Neuig- keiten. Der alte Indianer, den wir damals den »Professor« genannt hatten, war mit einigen Andern unterwegs zum Paranatinga! Sie wollten Antonio und seinen Stammesbrüdern einen neuen Besuch abstatten. Pauhaga, der erste Bakaïrí, den wir auf der früheren Reise am Batovy begrüsst hatten, wohnte augenblicklich in Tumayaua’s Gemeinde, und ein merkwürdiger Zufall fügte es also, dass wir ihn auch gerade im ersten Dorfe des Kulisehu wiedersehen sollten. Waren wir denn auch wirklich am Kulisehu? Ja, der Fluss hiess Kulisehu, Kulisëu oder Kulihëu, wie denn h und s im Bakaïrí zu wechseln pflegen, und alle die Stämme, die wir suchten, wohnten anscheinend auch an seinen Ufern. Doch Cachoeiras unterbrachen die Unterhaltung. Um 12 Uhr waren wir abgefahren; nach einer halben Stunde kam eine 60 m lange, niedrige Stein- cachoeira, durch die wir uns mühsam hindurchwanden, kurz nach 1 Uhr dann No. 4 der heutigen Reihe, wo entladen werden musste, und ein halbes Stündchen Aufenthalt entstand. ¾3 Uhr trafen wir bei der fünften und letzten ein, die sich mit kräftigem Schwall durch die Felsblöcke ergoss. Hier aber streikte der Pilot gegen die Weiterbeförderung unseres in akuter Wassersucht verendenden Kanus. Wir nahmen ihn als Vierten auf und überliessen die Leiche ihrem Schicksal. Tumayaua, dass mussten wir lobend anerkennen, war uns wirklich zur guten Stunde entgegengekommen; dass wir drei mit unserm Gepäck und ohne Kenntnis des Weges durch die letzten Cachoeiras in dem elenden Kanu, das den einzelnen Indianer nicht mehr tragen konnte, bis zum Dorf gekommen wären, ist sehr unwahrscheinlich. Gewiss aber hätten wir heute dieses Ziel nicht mehr erreicht. 3¼ Uhr legten wir am linken Ufer an; wir waren im »Hafen«. Wer sich mehr freute, Tumayaua, der eilend vorauslief, um uns anzumelden, und rasch unseren Blicken entschwunden war, oder wir, ist schwer zu sagen. Wir wanderten hintereinander den schmalen Pfad in dem durch Brand gelichteten Terrain, traten nach wenigen Minuten in den Wald, hörten lautes Schreien und

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/81>, abgerufen am 25.11.2024.