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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Hat ein armer Teufel ein Stück Vieh gestohlen, so vergräbt er die Zunge mit der
Spitze nach oben so, dass sie ein wenig herausschaut. Dem Besitzer des gestohlenen Tieres
bleibt dann unbekannt, dass es verschwunden ist.

Wer rachsüchtig eine Viehherde auseinandertreiben will, streut Salz in's Feuer.

Kirchlicher Zauber. Vorausschicken möchte ich das in Brasilien allgemein ver-
breitete Tiermärchen, wie es mir in Cuyaba erzählt wurde, vom Bemtevi-Vögelchen,
(Tyrannus sulfuratus, in Brehm's Tierleben, Vögel I, p. 549 fälschlich Bentevi geschrieben).
Maria wollte sich auf der Flucht nach Egypten, als die Soldaten des Herodes sie verfolgten,
im Hause des Töpfervogels, Furnarius rufus, oder Joao de barro, verstecken; die Lehmnester
dieses guten Lehmhans, der sich ihrer eifrig annahm, sind Jedermann von Dächern, Balken
und hohen Passionskreuzen her wohlbekannt. Der neugierige Bemtevi höhnte schreiend
hinter Maria her und rief sein ewiges "bem te vi" "wohl sah ich dich". Sie verfluchte ihn;
seither hat er kein Fleisch mehr, sondern besteht aus lauter Maden, von denen er voll steckt.

"Lavadeira da Nossa Senhora" "Waschfrau der Muttergottes" wird vom Volk eine
grüne Heuschrecke genannt, deren Anspringen Glück bedeutet. Der Name rührt wohl von
dem der Gespenstheuschrecke (Mantis) "louvadeos" = "Gottesanbeterin" her, wenn die Tiere
nicht überhaupt identisch sind. Letztere Bezeichnung hat ihren Grund in der an eine Betende
erinnernden Körperhaltung.

Taufe. Ungetaufte Kinder aufnehmen bringt Glück in's Haus. Totgeborene Kinder
tauft man am 2. Februar, an Mariae Lichtmess: Padrinho und Madrinha, Pate und Patin
giessen Wasser über das Grab. Kinder, die auf der Fazenda ungetauft sterben, begräbt man
an dem Thor des Currals, der Viehhürde. Die Kühe taufen! Dabei liegt den Leuten
Frivolität fern.

Der Heiligenkultus bedeutet für die niedere Bevölkerung und für alle Frauen
Cuyaba's einen äusserst groben Fetischdienst.

Hausgötzen in Form von Heiligenbildern und -figürchen aller Art in buntem Flitter-
staat, fehlen auch nicht in der ärmsten Hütte. Begeht man ein Unrecht, so werden sie
zugedeckt. Der Besucher, der sich auf irgend einen Kasten setzen will, fragt: "es sind doch
keine Heiligenbilder darin?"

Der Santo wird belohnt und bestraft, je nachdem er sich bei der Promessa,
dem Gelöbnis, bewährt. Der heilige Antonio, der übrigens in rio de Janeiro, was all-
gemein, ob es Wahrheit oder Dichtung sei, geglaubt wird, als Tenente-Colonel, Oberst-
leutnant, sein regelmässiges Gehalt beziehen soll, ist der meist berufene Schutzpatron.
Ist Jemand ein Pferd abhanden gekommen, so wird der Heilige mit einem Halfter bedeckt
und in das eine Ende eingebunden, ein gesticktes Tuch wird darüber gebreitet, ein
Lichterpaar angezündet und feierlich das Gelöbnis ausgesprochen, dass er einen Vintem,
20 Reis = 4 Pfg., erhalten werde, wenn er das Pferd zurückbringe. Mehr Geld nimmt er
nicht. Heiratslustige Mädchen machen eine Promessa, dass er ihnen zu einem Mann ver-
helfe. Tritt keine sichtbare Wirkung ein, so kommt er hinter die Thüre und ein Hut wird
ihm fest aufgedrückt aus schwarzem Wachs von bösen, wilden Waldbienen. Hilft diese Auf-
munterung noch nicht, so wird er an einen Faden angebunden und in einen Brunnen hinab-
gelassen. Nächster Grad: er kommt unter den Topfuntersatz, den Takuru, am Herdfeuer
und wird einige Tage gebacken. Kann oder will er auch dann noch nichts, so wird er im
Mörser zerstampft.

Erfüllt der Heilige jedoch die Wünsche, wird er fröhlich gefeiert, es wird Schnaps
getrunken und Kururu getanzt, und er steht in seinem Kasten auf dem Tisch als Mittel-
punkt des Ganzen. Lustiger geht es natürlich noch an den kirchlichen Festtagen her,
namentlich den Tagen des S. Joao, S. Antonio, der Nossa Senhora da Concepcao,
des S. Pedro und der Sta. Anna. Die Hauptfeier ist stets am Vorabend und wird in be-

Hat ein armer Teufel ein Stück Vieh gestohlen, so vergräbt er die Zunge mit der
Spitze nach oben so, dass sie ein wenig herausschaut. Dem Besitzer des gestohlenen Tieres
bleibt dann unbekannt, dass es verschwunden ist.

Wer rachsüchtig eine Viehherde auseinandertreiben will, streut Salz in’s Feuer.

Kirchlicher Zauber. Vorausschicken möchte ich das in Brasilien allgemein ver-
breitete Tiermärchen, wie es mir in Cuyabá erzählt wurde, vom Bemteví-Vögelchen,
(Tyrannus sulfuratus, in Brehm’s Tierleben, Vögel I, p. 549 fälschlich Bentevi geschrieben).
Maria wollte sich auf der Flucht nach Egypten, als die Soldaten des Herodes sie verfolgten,
im Hause des Töpfervogels, Furnarius rufus, oder João de barro, verstecken; die Lehmnester
dieses guten Lehmhans, der sich ihrer eifrig annahm, sind Jedermann von Dächern, Balken
und hohen Passionskreuzen her wohlbekannt. Der neugierige Bemteví höhnte schreiend
hinter Maria her und rief sein ewiges „bem te vi“ »wohl sah ich dich«. Sie verfluchte ihn;
seither hat er kein Fleisch mehr, sondern besteht aus lauter Maden, von denen er voll steckt.

Lavadeira da Nossa Senhora“ »Waschfrau der Muttergottes« wird vom Volk eine
grüne Heuschrecke genannt, deren Anspringen Glück bedeutet. Der Name rührt wohl von
dem der Gespenstheuschrecke (Mantis) „louvadeos“ = »Gottesanbeterin« her, wenn die Tiere
nicht überhaupt identisch sind. Letztere Bezeichnung hat ihren Grund in der an eine Betende
erinnernden Körperhaltung.

Taufe. Ungetaufte Kinder aufnehmen bringt Glück in’s Haus. Totgeborene Kinder
tauft man am 2. Februar, an Mariae Lichtmess: Padrinho und Madrinha, Pate und Patin
giessen Wasser über das Grab. Kinder, die auf der Fazenda ungetauft sterben, begräbt man
an dem Thor des Currals, der Viehhürde. Die Kühe taufen! Dabei liegt den Leuten
Frivolität fern.

Der Heiligenkultus bedeutet für die niedere Bevölkerung und für alle Frauen
Cuyabá’s einen äusserst groben Fetischdienst.

Hausgötzen in Form von Heiligenbildern und -figürchen aller Art in buntem Flitter-
staat, fehlen auch nicht in der ärmsten Hütte. Begeht man ein Unrecht, so werden sie
zugedeckt. Der Besucher, der sich auf irgend einen Kasten setzen will, fragt: »es sind doch
keine Heiligenbilder darin?«

Der Santo wird belohnt und bestraft, je nachdem er sich bei der Promessa,
dem Gelöbnis, bewährt. Der heilige Antonio, der übrigens in rio de Janeiro, was all-
gemein, ob es Wahrheit oder Dichtung sei, geglaubt wird, als Tenente-Colonel, Oberst-
leutnant, sein regelmässiges Gehalt beziehen soll, ist der meist berufene Schutzpatron.
Ist Jemand ein Pferd abhanden gekommen, so wird der Heilige mit einem Halfter bedeckt
und in das eine Ende eingebunden, ein gesticktes Tuch wird darüber gebreitet, ein
Lichterpaar angezündet und feierlich das Gelöbnis ausgesprochen, dass er einen Vintem,
20 Reis = 4 Pfg., erhalten werde, wenn er das Pferd zurückbringe. Mehr Geld nimmt er
nicht. Heiratslustige Mädchen machen eine Promessa, dass er ihnen zu einem Mann ver-
helfe. Tritt keine sichtbare Wirkung ein, so kommt er hinter die Thüre und ein Hut wird
ihm fest aufgedrückt aus schwarzem Wachs von bösen, wilden Waldbienen. Hilft diese Auf-
munterung noch nicht, so wird er an einen Faden angebunden und in einen Brunnen hinab-
gelassen. Nächster Grad: er kommt unter den Topfuntersatz, den Takurú, am Herdfeuer
und wird einige Tage gebacken. Kann oder will er auch dann noch nichts, so wird er im
Mörser zerstampft.

Erfüllt der Heilige jedoch die Wünsche, wird er fröhlich gefeiert, es wird Schnaps
getrunken und Kururú getanzt, und er steht in seinem Kasten auf dem Tisch als Mittel-
punkt des Ganzen. Lustiger geht es natürlich noch an den kirchlichen Festtagen her,
namentlich den Tagen des S. João, S. Antonio, der Nossa Senhora da Concepção,
des S. Pedro und der Sta. Anna. Die Hauptfeier ist stets am Vorabend und wird in be-

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[560/0636] Hat ein armer Teufel ein Stück Vieh gestohlen, so vergräbt er die Zunge mit der Spitze nach oben so, dass sie ein wenig herausschaut. Dem Besitzer des gestohlenen Tieres bleibt dann unbekannt, dass es verschwunden ist. Wer rachsüchtig eine Viehherde auseinandertreiben will, streut Salz in’s Feuer. Kirchlicher Zauber. Vorausschicken möchte ich das in Brasilien allgemein ver- breitete Tiermärchen, wie es mir in Cuyabá erzählt wurde, vom Bemteví-Vögelchen, (Tyrannus sulfuratus, in Brehm’s Tierleben, Vögel I, p. 549 fälschlich Bentevi geschrieben). Maria wollte sich auf der Flucht nach Egypten, als die Soldaten des Herodes sie verfolgten, im Hause des Töpfervogels, Furnarius rufus, oder João de barro, verstecken; die Lehmnester dieses guten Lehmhans, der sich ihrer eifrig annahm, sind Jedermann von Dächern, Balken und hohen Passionskreuzen her wohlbekannt. Der neugierige Bemteví höhnte schreiend hinter Maria her und rief sein ewiges „bem te vi“ »wohl sah ich dich«. Sie verfluchte ihn; seither hat er kein Fleisch mehr, sondern besteht aus lauter Maden, von denen er voll steckt. „Lavadeira da Nossa Senhora“ »Waschfrau der Muttergottes« wird vom Volk eine grüne Heuschrecke genannt, deren Anspringen Glück bedeutet. Der Name rührt wohl von dem der Gespenstheuschrecke (Mantis) „louvadeos“ = »Gottesanbeterin« her, wenn die Tiere nicht überhaupt identisch sind. Letztere Bezeichnung hat ihren Grund in der an eine Betende erinnernden Körperhaltung. Taufe. Ungetaufte Kinder aufnehmen bringt Glück in’s Haus. Totgeborene Kinder tauft man am 2. Februar, an Mariae Lichtmess: Padrinho und Madrinha, Pate und Patin giessen Wasser über das Grab. Kinder, die auf der Fazenda ungetauft sterben, begräbt man an dem Thor des Currals, der Viehhürde. Die Kühe taufen! Dabei liegt den Leuten Frivolität fern. Der Heiligenkultus bedeutet für die niedere Bevölkerung und für alle Frauen Cuyabá’s einen äusserst groben Fetischdienst. Hausgötzen in Form von Heiligenbildern und -figürchen aller Art in buntem Flitter- staat, fehlen auch nicht in der ärmsten Hütte. Begeht man ein Unrecht, so werden sie zugedeckt. Der Besucher, der sich auf irgend einen Kasten setzen will, fragt: »es sind doch keine Heiligenbilder darin?« Der Santo wird belohnt und bestraft, je nachdem er sich bei der Promessa, dem Gelöbnis, bewährt. Der heilige Antonio, der übrigens in rio de Janeiro, was all- gemein, ob es Wahrheit oder Dichtung sei, geglaubt wird, als Tenente-Colonel, Oberst- leutnant, sein regelmässiges Gehalt beziehen soll, ist der meist berufene Schutzpatron. Ist Jemand ein Pferd abhanden gekommen, so wird der Heilige mit einem Halfter bedeckt und in das eine Ende eingebunden, ein gesticktes Tuch wird darüber gebreitet, ein Lichterpaar angezündet und feierlich das Gelöbnis ausgesprochen, dass er einen Vintem, 20 Reis = 4 Pfg., erhalten werde, wenn er das Pferd zurückbringe. Mehr Geld nimmt er nicht. Heiratslustige Mädchen machen eine Promessa, dass er ihnen zu einem Mann ver- helfe. Tritt keine sichtbare Wirkung ein, so kommt er hinter die Thüre und ein Hut wird ihm fest aufgedrückt aus schwarzem Wachs von bösen, wilden Waldbienen. Hilft diese Auf- munterung noch nicht, so wird er an einen Faden angebunden und in einen Brunnen hinab- gelassen. Nächster Grad: er kommt unter den Topfuntersatz, den Takurú, am Herdfeuer und wird einige Tage gebacken. Kann oder will er auch dann noch nichts, so wird er im Mörser zerstampft. Erfüllt der Heilige jedoch die Wünsche, wird er fröhlich gefeiert, es wird Schnaps getrunken und Kururú getanzt, und er steht in seinem Kasten auf dem Tisch als Mittel- punkt des Ganzen. Lustiger geht es natürlich noch an den kirchlichen Festtagen her, namentlich den Tagen des S. João, S. Antonio, der Nossa Senhora da Concepção, des S. Pedro und der Sta. Anna. Die Hauptfeier ist stets am Vorabend und wird in be-

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/636>, abgerufen am 22.11.2024.