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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Aires vor vielen Jahren abgespielt hat, als er dort war. Er wohnte bei einem Argentinier,
der zwar eine hübsche Frau besass, jedoch mit einer leichtsinnigen Person im Haus gegen-
über ein Verhältnis unterhielt. Die Geliebte wollte die Frau töten und erbat sich ein Stück
Brod, in das diese bereits gebissen hatte. Auf den Rat unseres Landsmannes gab der
Argentinier ein Stück Brod, das er ihr selbst und nicht der Gattin weggenommen hatte.
Am nächsten Tag kam die Dienerin der Geliebten gelaufen, ihre Herrin liege in schrecklichen
Krämpfen und fluche dem Don Enrique, dem "ingrato". Sie eilten in den Garten und
fanden in einem Kistchen eine grosse Kröte, sie hatte das Stück Brod im Maul und einen
dicken Stein darüber gezwängt, so dass sie es nicht ausspucken konnte. Stein und Brod
wurden weggenommen, die Kröte in Freiheit gesetzt, und die unglückliche Kranke kam wieder
zu Kräften. Unser Landsmann hatte die Geschichte aber noch Niemanden in Cuyaba erzählt,
"er sei nicht so schlecht, die Leute so etwas zu lehren". Immerhin sei sie in diesem Zu-
sammenhang mitgeteilt, da sie zu dem Krötenzauber (vgl. Seite 554) passt.

Cortar o rasto, "die Spur ausschneiden", ist ein im Matogrosso beliebtes Mittel.
Man umschneidet die Spur eines Feindes, hängt die gesammelte Erde in einem Säckchen
über den Herd; sowie die Erde trocknet, trocknet auch die Person.

Auf abgeschnittene Haare treten macht den früheren Besitzer irrsinnig.

Nägel oder Haar hält man von dem Gatten, der verreist, zurück, wenn man will,
dass er das Wiederkommen nicht vergesse. Die Frau darf das Haus nicht sogleich nach
dem Abschied ausfegen, sonst würde sie den Mann hinausfegen und er käme nicht zurück.
Wünscht sie umgekehrt, er bleibe fort, so fegt sie das Haus sofort und wirft den Kehricht
hinter ihm her oder in's Wasser. (Zum Zeichen der Trauer darf das Haus vom Grün-
donnerstag Mittag bis zum Mittag des Halleluja-Sonnabend nicht gefegt werden, wie schmutzig
es auch sei; keine Frau macht sich das Haar.)

Will eine Frau die Liebe eines Mannes gewinnen (nicht etwa verlieren), so
schabt sie sich ein wenig von den Nägeln oder schneidet ein paar Haare klein und mischt
das in seine Zigarette. Oder sie setzt sich nackt in eine grosse Blechschüssel mit wenig
Wasser und zerbricht in gebückter Stellung ein Ei über den Schultern, das hinten in die
Schüssel niederläuft; sie nimmt das Ei mit der Hand aus dem Wasser heraus und mischt
es unter eine Speise, die dem Mann vorgesetzt wird. Oder, ein Mittel, das auch verheiratete
Frauen bei Untreue des Gatten anwenden, sie setzt dem Kaffee, den der Mann trinkt, drei
Tropfen ihres Menstrualblutes zu.

Böser Blick. Ein Kind, "de maos olhos" angesehen, wird krank und stirbt, wenn
es nicht schleunigst eingesegnet wird. Der Schwächezustand, in den es gerät, heisst
quebranto und spielt eine grosse Rolle; das Kind ist wie "gebrochen", wird "weich", schlaff,
will nichts mehr essen. Am grössten ist die Gefahr am siebenten Lebenstage, wo kein
Fremder in's Haus gelassen wird; die Kinder sterben am leichtesten am siebenten Tage und
man redet deshalb auch von der "molestia do setimo dia". Zum Schutz gegen den Quebranto
trägt das Kind ein rotes Bändchen um den Hals, an dem häufig eine aus Holz oder Knochen
geschnitzte oder goldene Faust, die "figa", befestigt wird; der gleiche Name kommt der
verhöhnenden Geberde zu mit Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger.

Ein Mittel gegen Quebranto besteht darin, dass man die Unterhosen des Vaters
dreimal durch die Strickbündel der Hängematte durchzieht. Mit Nadel und Zwirn ferner
näht man über dem kranken Kinde in der Luft und spricht dreimal: que eu coso? Carne
quebrada
, veia fendida, osso partido. "Was nähe ich? Zerschlagenes Fleisch, zersprengte
Ader, zerbrochenen Knochen."

Vorbedeutende Zeichen für den Tod sind: Hundeheulen, Verschwinden der
Tauben ("am Vorabend"), ein schwarzer Schmetterling im Haus. Setzt sich eine Eule Nachts
auf das Dach, so stirbt Einer im Hause binnen acht Tagen.


Aires vor vielen Jahren abgespielt hat, als er dort war. Er wohnte bei einem Argentinier,
der zwar eine hübsche Frau besass, jedoch mit einer leichtsinnigen Person im Haus gegen-
über ein Verhältnis unterhielt. Die Geliebte wollte die Frau töten und erbat sich ein Stück
Brod, in das diese bereits gebissen hatte. Auf den Rat unseres Landsmannes gab der
Argentinier ein Stück Brod, das er ihr selbst und nicht der Gattin weggenommen hatte.
Am nächsten Tag kam die Dienerin der Geliebten gelaufen, ihre Herrin liege in schrecklichen
Krämpfen und fluche dem Don Enrique, dem »ingrato«. Sie eilten in den Garten und
fanden in einem Kistchen eine grosse Kröte, sie hatte das Stück Brod im Maul und einen
dicken Stein darüber gezwängt, so dass sie es nicht ausspucken konnte. Stein und Brod
wurden weggenommen, die Kröte in Freiheit gesetzt, und die unglückliche Kranke kam wieder
zu Kräften. Unser Landsmann hatte die Geschichte aber noch Niemanden in Cuyabá erzählt,
»er sei nicht so schlecht, die Leute so etwas zu lehren«. Immerhin sei sie in diesem Zu-
sammenhang mitgeteilt, da sie zu dem Krötenzauber (vgl. Seite 554) passt.

Cortar o rasto, »die Spur ausschneiden«, ist ein im Matogrosso beliebtes Mittel.
Man umschneidet die Spur eines Feindes, hängt die gesammelte Erde in einem Säckchen
über den Herd; sowie die Erde trocknet, trocknet auch die Person.

Auf abgeschnittene Haare treten macht den früheren Besitzer irrsinnig.

Nägel oder Haar hält man von dem Gatten, der verreist, zurück, wenn man will,
dass er das Wiederkommen nicht vergesse. Die Frau darf das Haus nicht sogleich nach
dem Abschied ausfegen, sonst würde sie den Mann hinausfegen und er käme nicht zurück.
Wünscht sie umgekehrt, er bleibe fort, so fegt sie das Haus sofort und wirft den Kehricht
hinter ihm her oder in’s Wasser. (Zum Zeichen der Trauer darf das Haus vom Grün-
donnerstag Mittag bis zum Mittag des Halleluja-Sonnabend nicht gefegt werden, wie schmutzig
es auch sei; keine Frau macht sich das Haar.)

Will eine Frau die Liebe eines Mannes gewinnen (nicht etwa verlieren), so
schabt sie sich ein wenig von den Nägeln oder schneidet ein paar Haare klein und mischt
das in seine Zigarette. Oder sie setzt sich nackt in eine grosse Blechschüssel mit wenig
Wasser und zerbricht in gebückter Stellung ein Ei über den Schultern, das hinten in die
Schüssel niederläuft; sie nimmt das Ei mit der Hand aus dem Wasser heraus und mischt
es unter eine Speise, die dem Mann vorgesetzt wird. Oder, ein Mittel, das auch verheiratete
Frauen bei Untreue des Gatten anwenden, sie setzt dem Kaffee, den der Mann trinkt, drei
Tropfen ihres Menstrualblutes zu.

Böser Blick. Ein Kind, „de maos olhos“ angesehen, wird krank und stirbt, wenn
es nicht schleunigst eingesegnet wird. Der Schwächezustand, in den es gerät, heisst
quebranto und spielt eine grosse Rolle; das Kind ist wie »gebrochen«, wird »weich«, schlaff,
will nichts mehr essen. Am grössten ist die Gefahr am siebenten Lebenstage, wo kein
Fremder in’s Haus gelassen wird; die Kinder sterben am leichtesten am siebenten Tage und
man redet deshalb auch von der „molestia do setimo dia“. Zum Schutz gegen den Quebranto
trägt das Kind ein rotes Bändchen um den Hals, an dem häufig eine aus Holz oder Knochen
geschnitzte oder goldene Faust, die „figa“, befestigt wird; der gleiche Name kommt der
verhöhnenden Geberde zu mit Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger.

Ein Mittel gegen Quebranto besteht darin, dass man die Unterhosen des Vaters
dreimal durch die Strickbündel der Hängematte durchzieht. Mit Nadel und Zwirn ferner
näht man über dem kranken Kinde in der Luft und spricht dreimal: que eu coso? Carne
quebrada
, veia fendida, osso partido. »Was nähe ich? Zerschlagenes Fleisch, zersprengte
Ader, zerbrochenen Knochen.«

Vorbedeutende Zeichen für den Tod sind: Hundeheulen, Verschwinden der
Tauben (»am Vorabend«), ein schwarzer Schmetterling im Haus. Setzt sich eine Eule Nachts
auf das Dach, so stirbt Einer im Hause binnen acht Tagen.


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[558/0634] Aires vor vielen Jahren abgespielt hat, als er dort war. Er wohnte bei einem Argentinier, der zwar eine hübsche Frau besass, jedoch mit einer leichtsinnigen Person im Haus gegen- über ein Verhältnis unterhielt. Die Geliebte wollte die Frau töten und erbat sich ein Stück Brod, in das diese bereits gebissen hatte. Auf den Rat unseres Landsmannes gab der Argentinier ein Stück Brod, das er ihr selbst und nicht der Gattin weggenommen hatte. Am nächsten Tag kam die Dienerin der Geliebten gelaufen, ihre Herrin liege in schrecklichen Krämpfen und fluche dem Don Enrique, dem »ingrato«. Sie eilten in den Garten und fanden in einem Kistchen eine grosse Kröte, sie hatte das Stück Brod im Maul und einen dicken Stein darüber gezwängt, so dass sie es nicht ausspucken konnte. Stein und Brod wurden weggenommen, die Kröte in Freiheit gesetzt, und die unglückliche Kranke kam wieder zu Kräften. Unser Landsmann hatte die Geschichte aber noch Niemanden in Cuyabá erzählt, »er sei nicht so schlecht, die Leute so etwas zu lehren«. Immerhin sei sie in diesem Zu- sammenhang mitgeteilt, da sie zu dem Krötenzauber (vgl. Seite 554) passt. Cortar o rasto, »die Spur ausschneiden«, ist ein im Matogrosso beliebtes Mittel. Man umschneidet die Spur eines Feindes, hängt die gesammelte Erde in einem Säckchen über den Herd; sowie die Erde trocknet, trocknet auch die Person. Auf abgeschnittene Haare treten macht den früheren Besitzer irrsinnig. Nägel oder Haar hält man von dem Gatten, der verreist, zurück, wenn man will, dass er das Wiederkommen nicht vergesse. Die Frau darf das Haus nicht sogleich nach dem Abschied ausfegen, sonst würde sie den Mann hinausfegen und er käme nicht zurück. Wünscht sie umgekehrt, er bleibe fort, so fegt sie das Haus sofort und wirft den Kehricht hinter ihm her oder in’s Wasser. (Zum Zeichen der Trauer darf das Haus vom Grün- donnerstag Mittag bis zum Mittag des Halleluja-Sonnabend nicht gefegt werden, wie schmutzig es auch sei; keine Frau macht sich das Haar.) Will eine Frau die Liebe eines Mannes gewinnen (nicht etwa verlieren), so schabt sie sich ein wenig von den Nägeln oder schneidet ein paar Haare klein und mischt das in seine Zigarette. Oder sie setzt sich nackt in eine grosse Blechschüssel mit wenig Wasser und zerbricht in gebückter Stellung ein Ei über den Schultern, das hinten in die Schüssel niederläuft; sie nimmt das Ei mit der Hand aus dem Wasser heraus und mischt es unter eine Speise, die dem Mann vorgesetzt wird. Oder, ein Mittel, das auch verheiratete Frauen bei Untreue des Gatten anwenden, sie setzt dem Kaffee, den der Mann trinkt, drei Tropfen ihres Menstrualblutes zu. Böser Blick. Ein Kind, „de maos olhos“ angesehen, wird krank und stirbt, wenn es nicht schleunigst eingesegnet wird. Der Schwächezustand, in den es gerät, heisst quebranto und spielt eine grosse Rolle; das Kind ist wie »gebrochen«, wird »weich«, schlaff, will nichts mehr essen. Am grössten ist die Gefahr am siebenten Lebenstage, wo kein Fremder in’s Haus gelassen wird; die Kinder sterben am leichtesten am siebenten Tage und man redet deshalb auch von der „molestia do setimo dia“. Zum Schutz gegen den Quebranto trägt das Kind ein rotes Bändchen um den Hals, an dem häufig eine aus Holz oder Knochen geschnitzte oder goldene Faust, die „figa“, befestigt wird; der gleiche Name kommt der verhöhnenden Geberde zu mit Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger. Ein Mittel gegen Quebranto besteht darin, dass man die Unterhosen des Vaters dreimal durch die Strickbündel der Hängematte durchzieht. Mit Nadel und Zwirn ferner näht man über dem kranken Kinde in der Luft und spricht dreimal: que eu coso? Carne quebrada, veia fendida, osso partido. »Was nähe ich? Zerschlagenes Fleisch, zersprengte Ader, zerbrochenen Knochen.« Vorbedeutende Zeichen für den Tod sind: Hundeheulen, Verschwinden der Tauben (»am Vorabend«), ein schwarzer Schmetterling im Haus. Setzt sich eine Eule Nachts auf das Dach, so stirbt Einer im Hause binnen acht Tagen.

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/634>, abgerufen am 22.11.2024.