Meteor heisst auf portugiesisch meteoro; daraus ist der Name mai de ouro entstanden. Die Leuchtkugel bedeutet eine wandernde Goldmine. Mit dem Tupiwort boitata = Feuerschlange wird die Erscheinung ebenfalls bezeichnet; der "Teufel" fliegt als Leuchtkugel vorüber und lässt, wo er mit Jemanden einen Pakt geschlossen hat, das Gold fallen. Auch findet sich eine Goldmine, wo Blitze öfter einschlagen. Wenn ein Meteor fällt, heisst es mai de ouro mudou, "die Goldmutter hat sich verändert". Es kommt ein Feuerklumpen aus der Erde, Goldfunken fallen herab, und 2--5 Leguas weiter dringt der Klumpen wieder in den Boden. Leute sind hinterher gesprungen und haben am nächsten Tage bis 1/4 Arrobe (4 kg) Gold gefunden.
Die Frau, die das Wort "Goldmutter" anregen sollte, ist auch vorhanden. In Rosario am Rio Cuyaba aufwärts wohnte dort, wo jetzt die Kapelle steht, ein grausamer Herr, dessen Sklaven täglich Gold abliefern mussten. Ein alter Neger, Vater Antonio, hatte eine Woche nichts gefunden; traurig streifte er umher, die Strafe fürchtend. Da sah er plötzlich eine Frau da sitzen, weiss wie Schnee, mit schönen blonden Haaren. Sie erkundigte sich, weshalb er so betrübt sei, und sagte: "Kauf mir ein blau-rot-gelbes Band, einen Kamm und einen Spiegel und bring es her." Der Schwarze brachte die Sachen zusammen und ging damit wieder an den Ort. Sie zeigte ihm eine Stelle, er nahm die Waschschüssel und fand sehr viel Gold, das er zu seinen Herrn trug. Die Frau hatte aber verboten, den Fundort zu nennen. Vater Antonio wurde Tag um Tag gequält und geschlagen und lief in seiner Angst, die Frau wieder zu suchen. Sie war auch da mit ihrem schönen, goldglänzenden Haar und erlaubte ihm, dem Herrn die Stelle zu zeigen, er könne nachgraben mit allen seinen Leuten und werde ein grosses Stück Gold finden. Mit 22 Sklaven arbeitete der Herr, und sie fanden Gold die Menge, ja, es reichte wie ein Stamm in die Tiefe und man kam garnicht bis zum Grunde. Die Frau aber warnte den Sklaven, er solle sich am nächsten Tage gerade vor Mittag einen Augenblick entschuldigen. Mit wahrer Verzweiflung mühte sich der Herr und seine Leute, die unbarmherzig geschlagen wurden, den goldenen Stamm heraus zu wühlen; kurz vor Mittag sagte der Vater Antonio "ich habe Leibschmerzen" und ging bei Seite. Da stürzte Alles zusammen, der Herr und die Leute wurden verschüttet und nie mehr gesehen. Der Vater Antonio lebte noch lange und wurde über hundert Jahre alt. Auf Grund seiner Erzählung veranstaltete eine Aktiengesellschaft in Cuyaba grosse Nachgrabungen.
Patua. Im Tupi heisst patua Kiste, Kasten; das Wort wird für allen glückbringenden Zauber gebraucht. In der Nacht vom Gründonnerstag auf Charfreitag geht man Patua holen zwischen 11 und 12 Uhr an einem Kreuzweg, z. B. bei dem Kreuz auf der Strasse nach Coxipo. Man kann dann mit dem Teufel einen Pakt schliessen und darf sich wünschen, dass man Glück in den Karten oder bei den Frauen habe, gut Violine spiele, gut schiesse und dergleichen. Neger gehen hin, mit einem grossen Säbel bewaffnet. Zuweilen greift sie ein böses Tier an, dringen sie aber vorwärts, so finden sie den Diavo mor, den obersten Teufel, als Bock, Ochsen, Kröte oder Frosch. Er lässt sich den Hintern küssen, er bewilligt den Wunsch für bestimmte Zeit und befiehlt, jedes Jahr einmal zu der allgemeinen Versamm- lung zu kommen. Baargeld giebt es nicht. Kein Heiliger darf bei Namen genannt werden. Auch Frauen gehen Patua nehmen. Eine sah einen grossen schwarzen Bock, verlor den Mut zu bitten und schrie "Maria Santissima!" Von der Stunde an glaubte sie immer, sie brenne und schüttelte an den Kleidern, als wenn sie das Feuer sähe, bis sie bald darauf starb.
Patua sind auch die Amulette "von Heiligen oder vom Teufel", erstere namentlich italienischer Arbeit, so die der Santa Lucia gegen schlechte Augen, Jesuherzen, die des Heiligen Geistes wider Alles und die "figa", vergl. weiter unten, gegen den bösen Blick. Kostbarer aber sind die nicht käuflichen Krötensteine. Ein Italiener hatte einen Ring mit drei roten Krötensteinen, den er für ein Vermögen nicht hergegeben hätte; stellte man eine Reihe von Tellern auf den Tisch, mit Speisen gefüllt und zwar zum Teil vergifteten,
Meteor heisst auf portugiesisch meteóro; daraus ist der Name mài de ouro entstanden. Die Leuchtkugel bedeutet eine wandernde Goldmine. Mit dem Tupíwort boitata = Feuerschlange wird die Erscheinung ebenfalls bezeichnet; der »Teufel« fliegt als Leuchtkugel vorüber und lässt, wo er mit Jemanden einen Pakt geschlossen hat, das Gold fallen. Auch findet sich eine Goldmine, wo Blitze öfter einschlagen. Wenn ein Meteor fällt, heisst es mãi de ouro mudou, »die Goldmutter hat sich verändert«. Es kommt ein Feuerklumpen aus der Erde, Goldfunken fallen herab, und 2—5 Leguas weiter dringt der Klumpen wieder in den Boden. Leute sind hinterher gesprungen und haben am nächsten Tage bis ¼ Arrobe (4 kg) Gold gefunden.
Die Frau, die das Wort »Goldmutter« anregen sollte, ist auch vorhanden. In Rosario am Rio Cuyabá aufwärts wohnte dort, wo jetzt die Kapelle steht, ein grausamer Herr, dessen Sklaven täglich Gold abliefern mussten. Ein alter Neger, Vater Antonio, hatte eine Woche nichts gefunden; traurig streifte er umher, die Strafe fürchtend. Da sah er plötzlich eine Frau da sitzen, weiss wie Schnee, mit schönen blonden Haaren. Sie erkundigte sich, weshalb er so betrübt sei, und sagte: »Kauf mir ein blau-rot-gelbes Band, einen Kamm und einen Spiegel und bring es her.« Der Schwarze brachte die Sachen zusammen und ging damit wieder an den Ort. Sie zeigte ihm eine Stelle, er nahm die Waschschüssel und fand sehr viel Gold, das er zu seinen Herrn trug. Die Frau hatte aber verboten, den Fundort zu nennen. Vater Antonio wurde Tag um Tag gequält und geschlagen und lief in seiner Angst, die Frau wieder zu suchen. Sie war auch da mit ihrem schönen, goldglänzenden Haar und erlaubte ihm, dem Herrn die Stelle zu zeigen, er könne nachgraben mit allen seinen Leuten und werde ein grosses Stück Gold finden. Mit 22 Sklaven arbeitete der Herr, und sie fanden Gold die Menge, ja, es reichte wie ein Stamm in die Tiefe und man kam garnicht bis zum Grunde. Die Frau aber warnte den Sklaven, er solle sich am nächsten Tage gerade vor Mittag einen Augenblick entschuldigen. Mit wahrer Verzweiflung mühte sich der Herr und seine Leute, die unbarmherzig geschlagen wurden, den goldenen Stamm heraus zu wühlen; kurz vor Mittag sagte der Vater Antonio »ich habe Leibschmerzen« und ging bei Seite. Da stürzte Alles zusammen, der Herr und die Leute wurden verschüttet und nie mehr gesehen. Der Vater Antonio lebte noch lange und wurde über hundert Jahre alt. Auf Grund seiner Erzählung veranstaltete eine Aktiengesellschaft in Cuyabá grosse Nachgrabungen.
Patuá. Im Tupí heisst patuá Kiste, Kasten; das Wort wird für allen glückbringenden Zauber gebraucht. In der Nacht vom Gründonnerstag auf Charfreitag geht man Patuá holen zwischen 11 und 12 Uhr an einem Kreuzweg, z. B. bei dem Kreuz auf der Strasse nach Coxipó. Man kann dann mit dem Teufel einen Pakt schliessen und darf sich wünschen, dass man Glück in den Karten oder bei den Frauen habe, gut Violine spiele, gut schiesse und dergleichen. Neger gehen hin, mit einem grossen Säbel bewaffnet. Zuweilen greift sie ein böses Tier an, dringen sie aber vorwärts, so finden sie den Diavo mór, den obersten Teufel, als Bock, Ochsen, Kröte oder Frosch. Er lässt sich den Hintern küssen, er bewilligt den Wunsch für bestimmte Zeit und befiehlt, jedes Jahr einmal zu der allgemeinen Versamm- lung zu kommen. Baargeld giebt es nicht. Kein Heiliger darf bei Namen genannt werden. Auch Frauen gehen Patuá nehmen. Eine sah einen grossen schwarzen Bock, verlor den Mut zu bitten und schrie »Maria Santissima!« Von der Stunde an glaubte sie immer, sie brenne und schüttelte an den Kleidern, als wenn sie das Feuer sähe, bis sie bald darauf starb.
Patuá sind auch die Amulette »von Heiligen oder vom Teufel«, erstere namentlich italienischer Arbeit, so die der Santa Lucia gegen schlechte Augen, Jesuherzen, die des Heiligen Geistes wider Alles und die „figa“, vergl. weiter unten, gegen den bösen Blick. Kostbarer aber sind die nicht käuflichen Krötensteine. Ein Italiener hatte einen Ring mit drei roten Krötensteinen, den er für ein Vermögen nicht hergegeben hätte; stellte man eine Reihe von Tellern auf den Tisch, mit Speisen gefüllt und zwar zum Teil vergifteten,
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[554/0630]
Meteor heisst auf portugiesisch meteóro; daraus ist der Name mài de ouro entstanden. Die
Leuchtkugel bedeutet eine wandernde Goldmine. Mit dem Tupíwort boitata = Feuerschlange
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lässt, wo er mit Jemanden einen Pakt geschlossen hat, das Gold fallen. Auch findet sich
eine Goldmine, wo Blitze öfter einschlagen. Wenn ein Meteor fällt, heisst es mãi de ouro
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Goldfunken fallen herab, und 2—5 Leguas weiter dringt der Klumpen wieder in den Boden.
Leute sind hinterher gesprungen und haben am nächsten Tage bis ¼ Arrobe (4 kg) Gold
gefunden.
Die Frau, die das Wort »Goldmutter« anregen sollte, ist auch vorhanden. In Rosario
am Rio Cuyabá aufwärts wohnte dort, wo jetzt die Kapelle steht, ein grausamer Herr, dessen
Sklaven täglich Gold abliefern mussten. Ein alter Neger, Vater Antonio, hatte eine Woche
nichts gefunden; traurig streifte er umher, die Strafe fürchtend. Da sah er plötzlich eine
Frau da sitzen, weiss wie Schnee, mit schönen blonden Haaren. Sie erkundigte sich, weshalb
er so betrübt sei, und sagte: »Kauf mir ein blau-rot-gelbes Band, einen Kamm und einen
Spiegel und bring es her.« Der Schwarze brachte die Sachen zusammen und ging damit wieder
an den Ort. Sie zeigte ihm eine Stelle, er nahm die Waschschüssel und fand sehr viel Gold,
das er zu seinen Herrn trug. Die Frau hatte aber verboten, den Fundort zu nennen. Vater
Antonio wurde Tag um Tag gequält und geschlagen und lief in seiner Angst, die Frau
wieder zu suchen. Sie war auch da mit ihrem schönen, goldglänzenden Haar und erlaubte
ihm, dem Herrn die Stelle zu zeigen, er könne nachgraben mit allen seinen Leuten und
werde ein grosses Stück Gold finden. Mit 22 Sklaven arbeitete der Herr, und sie fanden
Gold die Menge, ja, es reichte wie ein Stamm in die Tiefe und man kam garnicht bis zum
Grunde. Die Frau aber warnte den Sklaven, er solle sich am nächsten Tage gerade vor
Mittag einen Augenblick entschuldigen. Mit wahrer Verzweiflung mühte sich der Herr und
seine Leute, die unbarmherzig geschlagen wurden, den goldenen Stamm heraus zu wühlen;
kurz vor Mittag sagte der Vater Antonio »ich habe Leibschmerzen« und ging bei Seite. Da
stürzte Alles zusammen, der Herr und die Leute wurden verschüttet und nie mehr gesehen.
Der Vater Antonio lebte noch lange und wurde über hundert Jahre alt. Auf Grund seiner
Erzählung veranstaltete eine Aktiengesellschaft in Cuyabá grosse Nachgrabungen.
Patuá. Im Tupí heisst patuá Kiste, Kasten; das Wort wird für allen glückbringenden
Zauber gebraucht. In der Nacht vom Gründonnerstag auf Charfreitag geht man Patuá holen
zwischen 11 und 12 Uhr an einem Kreuzweg, z. B. bei dem Kreuz auf der Strasse nach
Coxipó. Man kann dann mit dem Teufel einen Pakt schliessen und darf sich wünschen,
dass man Glück in den Karten oder bei den Frauen habe, gut Violine spiele, gut schiesse
und dergleichen. Neger gehen hin, mit einem grossen Säbel bewaffnet. Zuweilen greift sie
ein böses Tier an, dringen sie aber vorwärts, so finden sie den Diavo mór, den obersten
Teufel, als Bock, Ochsen, Kröte oder Frosch. Er lässt sich den Hintern küssen, er bewilligt
den Wunsch für bestimmte Zeit und befiehlt, jedes Jahr einmal zu der allgemeinen Versamm-
lung zu kommen. Baargeld giebt es nicht. Kein Heiliger darf bei Namen genannt werden.
Auch Frauen gehen Patuá nehmen. Eine sah einen grossen schwarzen Bock, verlor den
Mut zu bitten und schrie »Maria Santissima!« Von der Stunde an glaubte sie immer, sie
brenne und schüttelte an den Kleidern, als wenn sie das Feuer sähe, bis sie bald darauf starb.
Patuá sind auch die Amulette »von Heiligen oder vom Teufel«, erstere namentlich
italienischer Arbeit, so die der Santa Lucia gegen schlechte Augen, Jesuherzen, die des
Heiligen Geistes wider Alles und die „figa“, vergl. weiter unten, gegen den bösen Blick.
Kostbarer aber sind die nicht käuflichen Krötensteine. Ein Italiener hatte einen Ring
mit drei roten Krötensteinen, den er für ein Vermögen nicht hergegeben hätte; stellte man
eine Reihe von Tellern auf den Tisch, mit Speisen gefüllt und zwar zum Teil vergifteten,
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/630>, abgerufen am 22.11.2024.
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