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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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diesen Tabak wenden wir daran, um das Uebel zu verscheuchen. Wehe Dir,
wenn Du uns nicht in Ruhe lässt!"

Eine seltsame Mischung von Angst und Mut, welch' letzter jedoch leider
etwas ebenso Künstliches an sich hatte wie der bei der Beschwörung der Kayapo-
gefahr. Das Zittern nahm zu, ihr ganzer Körper vibrierte, der zurückgebogene
Kopf wackelte, mit zuckenden Bewegungen tasteten und strichen sie sich über
Brust und Leib, um alles Böse wegzudrücken.

Nachdem dies Schauspiel eine Weile gedauert hatte, nahm man ihnen die
Zigarrenbündel aus der Hand und zündete sie am Feuer an, während sich die
aufgeregten Aerzte einen Augenblick wimmernd und schaudernd verschnauften.
Ein Halbdutzend Männer erhoben sich, rauchten zu Trost und Stärkung ein paar
Züge und gaben die Zigarren an die Baris, die ihre Kur wieder aufnahmen.
Sie rauchten an dem ganzen Bündel, heulten noch gellender und vorwurfsvoller
als vorher gen Himmel empor, strichen sich noch eifriger über den Leib, kratzten
sich heftig auf dem Kopf, schluckten wieder an ihrem Bündel, saugten sich
krampfhaft an den Unterarmen, als wenn sie das Blut aus dem Innersten herauf-
holen wollten, schrieen immer lauter vue vuau vuau, schüttelten sich und bliesen
gegen die Sterne; die Gelenke schlotterten, die Muskeln flogen.

Endlich begannen sie auf einmal sich suchend in der Menge umzuschauen,
sprachen mit den zunächst Stehenden, deuteten unter die Leute und gingen in
die Hauptgruppe hinein, wo sie einen lebensschwachen Greis, den Häuptling
Domingo, und mehrere der Angesehensten, um die es sich in so besonderem
Falle nur handeln konnte, einer kurzen Kur unterzogen. Sie hoben ihnen den
Kopf auf, schauten sie prüfend an, spritzen sie pzü pzü in's Gesicht und stiessen
mit vorgehaltener hohler Hand wieder ihr drohendes vou oder ein schrilles hahaho
aus, nicht vergessend, ihr Bündel dabei aufzurauchen. Der Chor hatte sich im
Allgemeinen ernst und still verhalten, nur hier und da war er in einstimmiges
huha ausgebrochen und wiederholte das jetzt triumphierend zum Schluss, als sich
die zwei Doktoren zähneklappernd und ein fröstelndes tedede tedete murmelnd
zurückzogen. Aroegesang ertönte die ganze Nacht hindurch.

Der Tabakrauch war hier ganz in derselben Weise wie das Prusten gegen
den Gewittersturm angewandt worden, und ich gewann den Eindruck, dass das
Qualmen des Arztes einem Ausräuchern sehr ähnlich sehe. Vielleicht ist dies
für den ursprünglichen Sinn der Heilmethode nicht zu unterschätzen.

Domingo hatte zwei Tage nach der Meteorbeschwörung einen Anfall von
Schwäche. Am dritten, dem 17. April, war er krank und offenbar war ihm sehr
unheimlich zu Mute. Er drückte sich ängstlich umher, die Hände in Lappen
eingebunden und Kopf und Gesicht verhüllt, dass man ihn nicht erkennen solle.
Da wir die Kolonie den 18. April verliessen, haben wir leider nicht verfolgen
können, ob ihm dieses Mittel geholfen hat.

Ahnensage. Ariga-Bororo ist der Stammvater der Indianer. Er hatte
eine Frau. ariga heisst der Puma. Später kamen zwei Männer und zwei Frauen

33*

diesen Tabak wenden wir daran, um das Uebel zu verscheuchen. Wehe Dir,
wenn Du uns nicht in Ruhe lässt!«

Eine seltsame Mischung von Angst und Mut, welch’ letzter jedoch leider
etwas ebenso Künstliches an sich hatte wie der bei der Beschwörung der Kayapó-
gefahr. Das Zittern nahm zu, ihr ganzer Körper vibrierte, der zurückgebogene
Kopf wackelte, mit zuckenden Bewegungen tasteten und strichen sie sich über
Brust und Leib, um alles Böse wegzudrücken.

Nachdem dies Schauspiel eine Weile gedauert hatte, nahm man ihnen die
Zigarrenbündel aus der Hand und zündete sie am Feuer an, während sich die
aufgeregten Aerzte einen Augenblick wimmernd und schaudernd verschnauften.
Ein Halbdutzend Männer erhoben sich, rauchten zu Trost und Stärkung ein paar
Züge und gaben die Zigarren an die Baris, die ihre Kur wieder aufnahmen.
Sie rauchten an dem ganzen Bündel, heulten noch gellender und vorwurfsvoller
als vorher gen Himmel empor, strichen sich noch eifriger über den Leib, kratzten
sich heftig auf dem Kopf, schluckten wieder an ihrem Bündel, saugten sich
krampfhaft an den Unterarmen, als wenn sie das Blut aus dem Innersten herauf-
holen wollten, schrieen immer lauter vué vuáu vuáu, schüttelten sich und bliesen
gegen die Sterne; die Gelenke schlotterten, die Muskeln flogen.

Endlich begannen sie auf einmal sich suchend in der Menge umzuschauen,
sprachen mit den zunächst Stehenden, deuteten unter die Leute und gingen in
die Hauptgruppe hinein, wo sie einen lebensschwachen Greis, den Häuptling
Domingo, und mehrere der Angesehensten, um die es sich in so besonderem
Falle nur handeln konnte, einer kurzen Kur unterzogen. Sie hoben ihnen den
Kopf auf, schauten sie prüfend an, spritzen sie pzü pzü in’s Gesicht und stiessen
mit vorgehaltener hohler Hand wieder ihr drohendes vóu oder ein schrilles hahahó
aus, nicht vergessend, ihr Bündel dabei aufzurauchen. Der Chor hatte sich im
Allgemeinen ernst und still verhalten, nur hier und da war er in einstimmiges
huhá ausgebrochen und wiederholte das jetzt triumphierend zum Schluss, als sich
die zwei Doktoren zähneklappernd und ein fröstelndes tédede tedéte murmelnd
zurückzogen. Aróegesang ertönte die ganze Nacht hindurch.

Der Tabakrauch war hier ganz in derselben Weise wie das Prusten gegen
den Gewittersturm angewandt worden, und ich gewann den Eindruck, dass das
Qualmen des Arztes einem Ausräuchern sehr ähnlich sehe. Vielleicht ist dies
für den ursprünglichen Sinn der Heilmethode nicht zu unterschätzen.

Domingo hatte zwei Tage nach der Meteorbeschwörung einen Anfall von
Schwäche. Am dritten, dem 17. April, war er krank und offenbar war ihm sehr
unheimlich zu Mute. Er drückte sich ängstlich umher, die Hände in Lappen
eingebunden und Kopf und Gesicht verhüllt, dass man ihn nicht erkennen solle.
Da wir die Kolonie den 18. April verliessen, haben wir leider nicht verfolgen
können, ob ihm dieses Mittel geholfen hat.

Ahnensage. Arigá-Bororó ist der Stammvater der Indianer. Er hatte
eine Frau. arigá heisst der Puma. Später kamen zwei Männer und zwei Frauen

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/591>, abgerufen am 25.11.2024.