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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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grosse Topfschale mit purpurnen Federchen gefüllt. Den neuen Korb bestrichen
sie innen und aussen reichlich mit Uruku und während die einen den Korb mit
Federn beklebten, widmeten sich die andern dem Schädel, in den sie den Unter-
kiefer einsetzten und den sie, am Hinterhaupt beginnend, auf das Sorgfältigste
mit den Purpurfederchen beklebten. Jedes Federchen wurde am Ende mit einem
Harzstäbchen bestrichen und einzeln aufgesetzt.

Währenddessen kam auch Coqueiro mit einem Kind an der Hand. Er
setzte sich still beiseit, schluchzte und weinte. Er trug keinen Schmuck als
um den Leib die schwarze Schnur, die er sich aus dem Haar seines Weibes ge-
sponnen und geflochten hatte. Seine Wangen waren thränennass, er kniff die
Augen zusammen, wie wenn das Weinen schmerzhaft wäre.

Allmählich bedeckte sich das Schädelgewölbe mit einem roten Ararasammet.
Wer die Hände abwischen musste, gebrauchte den Korb. Ein Teil der An-
wesenden kümmerte sich bald nicht mehr um die Feier. Die Kinder sprangen
munter umher, einige Männer knabberten an Maiskolben und arbeiteten, ein
paar Frauen fingen sich gegenseitig Läuse, sangen dabei aber andächtig weiter.
Es wurde auch leerer.

Man wurde auf die Dauer duselig von alle den schwirrenden und hallenden
Tönen. Ein Trommler hatte sich hinzugesellt, die Arme mit einem Pelz von
Papageienfederchen beklebt. Wieder füllte sich der Raum. Sieben Frauen traten
an den alten Knochenkorb, ritzten sich und stellten die Füsse darauf, sodass auch
ihr Blut das Stroh tränkte. Vgl. Tafel 29. Die Wunden waren 2 -- 3 cm von-
einander entfernt, ein rotes Netzgeäder bedeckte Beine und Arme, Brüste und
Leib. Der Gesichtsausdruck blieb ruhig und bekundete keinen Schmerz; das
Ritzen geschah mit ungemein schnellen Bewegungen. Alle wickelten ihren Glas-
splitter in ein Blatt, überreichten es Coqueiro und setzten sich zu ihm nieder.
Neue Gruppen kamen sich zu ritzen, immer nur Frauen und Mädchen, und
thaten wie die vorigen; jede führte den Splitter, bevor sie ritzte, nässend zum
Munde. Brummend, schnarrend mischten sich zwei Flöten in die Musik der
klappernden Kürbisse, der Trommel, des Gesanges und des Stampfens. Mit un-
glaublicher Ausdauer tanzten die Sänger. Auch Coqueiro hockte bei dem Korb
nieder und ritzte sich die Arme, während eine Frau daneben stand mit ihrem
Kind auf dem Rücken.

Gegen Mittag waren Schädel und Korb fertig. Bei jenem hatte man mit
einer schönen gelben Querlinie, der Kranznaht entsprechend, die rote Sammet-
kappe unterbrochen. Der neue Korb war mit schneeig weissen Federchen be-
klebt, und auf jeder Seite innerhalb der weissen Fläche zwei Reihen von roten
Rechtecken fensterartig angelegt. Es sah ganz allerliebst und zierlich aus, was
die rohen Jäger da gearbeitet hatten. Nun wurde eine besondere Handlung ver-
anstaltet, die "Einsegnung" von Schädel und neuem Korb. Man baute eine
Art Kapelle oder Sanktuarium, indem man fünf Bogen im Halbkreis aufpflanzte,
Matten anlehnte und Decken daran und darüber hing. In diese Nische stellte

grosse Topfschale mit purpurnen Federchen gefüllt. Den neuen Korb bestrichen
sie innen und aussen reichlich mit Urukú und während die einen den Korb mit
Federn beklebten, widmeten sich die andern dem Schädel, in den sie den Unter-
kiefer einsetzten und den sie, am Hinterhaupt beginnend, auf das Sorgfältigste
mit den Purpurfederchen beklebten. Jedes Federchen wurde am Ende mit einem
Harzstäbchen bestrichen und einzeln aufgesetzt.

Währenddessen kam auch Coqueiro mit einem Kind an der Hand. Er
setzte sich still beiseit, schluchzte und weinte. Er trug keinen Schmuck als
um den Leib die schwarze Schnur, die er sich aus dem Haar seines Weibes ge-
sponnen und geflochten hatte. Seine Wangen waren thränennass, er kniff die
Augen zusammen, wie wenn das Weinen schmerzhaft wäre.

Allmählich bedeckte sich das Schädelgewölbe mit einem roten Ararasammet.
Wer die Hände abwischen musste, gebrauchte den Korb. Ein Teil der An-
wesenden kümmerte sich bald nicht mehr um die Feier. Die Kinder sprangen
munter umher, einige Männer knabberten an Maiskolben und arbeiteten, ein
paar Frauen fingen sich gegenseitig Läuse, sangen dabei aber andächtig weiter.
Es wurde auch leerer.

Man wurde auf die Dauer duselig von alle den schwirrenden und hallenden
Tönen. Ein Trommler hatte sich hinzugesellt, die Arme mit einem Pelz von
Papageienfederchen beklebt. Wieder füllte sich der Raum. Sieben Frauen traten
an den alten Knochenkorb, ritzten sich und stellten die Füsse darauf, sodass auch
ihr Blut das Stroh tränkte. Vgl. Tafel 29. Die Wunden waren 2 — 3 cm von-
einander entfernt, ein rotes Netzgeäder bedeckte Beine und Arme, Brüste und
Leib. Der Gesichtsausdruck blieb ruhig und bekundete keinen Schmerz; das
Ritzen geschah mit ungemein schnellen Bewegungen. Alle wickelten ihren Glas-
splitter in ein Blatt, überreichten es Coqueiro und setzten sich zu ihm nieder.
Neue Gruppen kamen sich zu ritzen, immer nur Frauen und Mädchen, und
thaten wie die vorigen; jede führte den Splitter, bevor sie ritzte, nässend zum
Munde. Brummend, schnarrend mischten sich zwei Flöten in die Musik der
klappernden Kürbisse, der Trommel, des Gesanges und des Stampfens. Mit un-
glaublicher Ausdauer tanzten die Sänger. Auch Coqueiro hockte bei dem Korb
nieder und ritzte sich die Arme, während eine Frau daneben stand mit ihrem
Kind auf dem Rücken.

Gegen Mittag waren Schädel und Korb fertig. Bei jenem hatte man mit
einer schönen gelben Querlinie, der Kranznaht entsprechend, die rote Sammet-
kappe unterbrochen. Der neue Korb war mit schneeig weissen Federchen be-
klebt, und auf jeder Seite innerhalb der weissen Fläche zwei Reihen von roten
Rechtecken fensterartig angelegt. Es sah ganz allerliebst und zierlich aus, was
die rohen Jäger da gearbeitet hatten. Nun wurde eine besondere Handlung ver-
anstaltet, die »Einsegnung« von Schädel und neuem Korb. Man baute eine
Art Kapelle oder Sanktuarium, indem man fünf Bogen im Halbkreis aufpflanzte,
Matten anlehnte und Decken daran und darüber hing. In diese Nische stellte

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[508/0582] grosse Topfschale mit purpurnen Federchen gefüllt. Den neuen Korb bestrichen sie innen und aussen reichlich mit Urukú und während die einen den Korb mit Federn beklebten, widmeten sich die andern dem Schädel, in den sie den Unter- kiefer einsetzten und den sie, am Hinterhaupt beginnend, auf das Sorgfältigste mit den Purpurfederchen beklebten. Jedes Federchen wurde am Ende mit einem Harzstäbchen bestrichen und einzeln aufgesetzt. Währenddessen kam auch Coqueiro mit einem Kind an der Hand. Er setzte sich still beiseit, schluchzte und weinte. Er trug keinen Schmuck als um den Leib die schwarze Schnur, die er sich aus dem Haar seines Weibes ge- sponnen und geflochten hatte. Seine Wangen waren thränennass, er kniff die Augen zusammen, wie wenn das Weinen schmerzhaft wäre. Allmählich bedeckte sich das Schädelgewölbe mit einem roten Ararasammet. Wer die Hände abwischen musste, gebrauchte den Korb. Ein Teil der An- wesenden kümmerte sich bald nicht mehr um die Feier. Die Kinder sprangen munter umher, einige Männer knabberten an Maiskolben und arbeiteten, ein paar Frauen fingen sich gegenseitig Läuse, sangen dabei aber andächtig weiter. Es wurde auch leerer. Man wurde auf die Dauer duselig von alle den schwirrenden und hallenden Tönen. Ein Trommler hatte sich hinzugesellt, die Arme mit einem Pelz von Papageienfederchen beklebt. Wieder füllte sich der Raum. Sieben Frauen traten an den alten Knochenkorb, ritzten sich und stellten die Füsse darauf, sodass auch ihr Blut das Stroh tränkte. Vgl. Tafel 29. Die Wunden waren 2 — 3 cm von- einander entfernt, ein rotes Netzgeäder bedeckte Beine und Arme, Brüste und Leib. Der Gesichtsausdruck blieb ruhig und bekundete keinen Schmerz; das Ritzen geschah mit ungemein schnellen Bewegungen. Alle wickelten ihren Glas- splitter in ein Blatt, überreichten es Coqueiro und setzten sich zu ihm nieder. Neue Gruppen kamen sich zu ritzen, immer nur Frauen und Mädchen, und thaten wie die vorigen; jede führte den Splitter, bevor sie ritzte, nässend zum Munde. Brummend, schnarrend mischten sich zwei Flöten in die Musik der klappernden Kürbisse, der Trommel, des Gesanges und des Stampfens. Mit un- glaublicher Ausdauer tanzten die Sänger. Auch Coqueiro hockte bei dem Korb nieder und ritzte sich die Arme, während eine Frau daneben stand mit ihrem Kind auf dem Rücken. Gegen Mittag waren Schädel und Korb fertig. Bei jenem hatte man mit einer schönen gelben Querlinie, der Kranznaht entsprechend, die rote Sammet- kappe unterbrochen. Der neue Korb war mit schneeig weissen Federchen be- klebt, und auf jeder Seite innerhalb der weissen Fläche zwei Reihen von roten Rechtecken fensterartig angelegt. Es sah ganz allerliebst und zierlich aus, was die rohen Jäger da gearbeitet hatten. Nun wurde eine besondere Handlung ver- anstaltet, die »Einsegnung« von Schädel und neuem Korb. Man baute eine Art Kapelle oder Sanktuarium, indem man fünf Bogen im Halbkreis aufpflanzte, Matten anlehnte und Decken daran und darüber hing. In diese Nische stellte

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/582>, abgerufen am 22.11.2024.