schmale Bänder, in die Borsten vom Stachelschwein eingeflochten und die nach Art der Hosenträger, vgl. Abb. 141 und 129 als Brustschnüre von beiden Ge- schlechtern getragen wurden, sowie Armbänder durch künstliche Verschlingung des Fadens zwischen zwei dünnen Stäbchen.
Wie zierlich und nett die Männer arbeiteten, fiel namentlich bei dem Herrichten der Pfeile auf. Da gab es so manche kleine Geschicklichkeiten, die man nur zarten Frauenhänden zugetraut hätte. Dahin rechne ich besonders das Ausschmücken mit winzigen bunten Federchen, deren jedes Stück für Stück auf den Boden gelegt und sorgfältig zurechtgezupft wurde.
Auch kann in einer Spinnstube nicht mehr geschwatzt und gelacht werden als hier im Baito. Gewiss war es wenig frauenhaft, wenn sich plötzlich der Abwechslung halber zwei der Arbeiter erhoben und einen regelrechten Ring- kampf aufführten, der von den Uebrigen mit grossem Interesse verfolgt wurde. Sie standen auf, rangen, warfen sich und nahmen ihre Arbeit wieder auf oder legten sich wieder zum dolce far niente nieder. Denn behaglich Faulenzende fehlten niemals; selten fehlte es auch, während die Frauen sonst fern blieben, an einem Liebespärchen, das unter einer gemeinsamen roten Decke lag und schäkerte. Niemand kümmerte sich darum, ausser einigen von gelinder Eifer- sucht geplagten Freunden, die augenblicklich von der gemeinsamen Geliebten vernachlässigt wurden und zufrieden sein mussten, neben dem Pärchen zu sitzen und mit ihm zu plaudern.
Zuweilen gab Dyapokuri eine Vorstellung. Man war weit davon entfernt, den Geistesschwachen, der nur lallen konnte, als ein höheres Wesen anzusehen. Mit Vorliebe stellte er den Zank der Weiber dar, indem er sich in den wütigsten Geberden erging und das gegenseitige Kratzen und Haarausreissen kräftig ver- anschaulichte. In fürchterliche Aufregung geriet er aber selbst, als ein Soldat ihn wegen seines Auszugs zur Verfolgung der Kayapo (Seite 460) hänselte und, einen Stock über der Schulter, mit mächtig ausholenden Schritten daher hinkte: der arme Teufel schäumte vor Wut, warf seine brennenden Holzkloben nach dem Spötter und, als er sich nicht mehr zu helfen wusste, griff er ein paar Hobelspähne vom Boden auf und markierte mit einer zähnefletschenden Grimasse unter unverständlichen Zornlauten -- den Schnurrbart des Soldaten. Nach einer Weile kam er wieder zur Ruhe und übte sich für die Totenfeier im Klappern mit zwei Rasselkürbissen und taktfestem Aroe-Grunzen.
Es waren lehrreiche und gemütliche Stunden im Ranchao. Nur Eins war unleidlich, das unaufhörliche Betteln um Tabak. Meine Pfeife wanderte von Mann zu Mann. Die Leute diktierten mir Seiten lang Bororo, wobei jeder ge- rade sich abspielende Vorgang für die Sätze herhalten musste, überhörten mich und lachten dann ebenso befriedigt wie die Bakairi. Je vertrauter wir mitein- ander wurden, desto auffälliger wurde überhaupt die Uebereinstimmung in Tem- perament und Charakter mit den Kulisehuindianern. An einem Pfosten im Männerhaus wurde auch, nachdem wir die anthropologischen Messungen vorge-
schmale Bänder, in die Borsten vom Stachelschwein eingeflochten und die nach Art der Hosenträger, vgl. Abb. 141 und 129 als Brustschnüre von beiden Ge- schlechtern getragen wurden, sowie Armbänder durch künstliche Verschlingung des Fadens zwischen zwei dünnen Stäbchen.
Wie zierlich und nett die Männer arbeiteten, fiel namentlich bei dem Herrichten der Pfeile auf. Da gab es so manche kleine Geschicklichkeiten, die man nur zarten Frauenhänden zugetraut hätte. Dahin rechne ich besonders das Ausschmücken mit winzigen bunten Federchen, deren jedes Stück für Stück auf den Boden gelegt und sorgfältig zurechtgezupft wurde.
Auch kann in einer Spinnstube nicht mehr geschwatzt und gelacht werden als hier im Baitó. Gewiss war es wenig frauenhaft, wenn sich plötzlich der Abwechslung halber zwei der Arbeiter erhoben und einen regelrechten Ring- kampf aufführten, der von den Uebrigen mit grossem Interesse verfolgt wurde. Sie standen auf, rangen, warfen sich und nahmen ihre Arbeit wieder auf oder legten sich wieder zum dolce far niente nieder. Denn behaglich Faulenzende fehlten niemals; selten fehlte es auch, während die Frauen sonst fern blieben, an einem Liebespärchen, das unter einer gemeinsamen roten Decke lag und schäkerte. Niemand kümmerte sich darum, ausser einigen von gelinder Eifer- sucht geplagten Freunden, die augenblicklich von der gemeinsamen Geliebten vernachlässigt wurden und zufrieden sein mussten, neben dem Pärchen zu sitzen und mit ihm zu plaudern.
Zuweilen gab Dyapokuri eine Vorstellung. Man war weit davon entfernt, den Geistesschwachen, der nur lallen konnte, als ein höheres Wesen anzusehen. Mit Vorliebe stellte er den Zank der Weiber dar, indem er sich in den wütigsten Geberden erging und das gegenseitige Kratzen und Haarausreissen kräftig ver- anschaulichte. In fürchterliche Aufregung geriet er aber selbst, als ein Soldat ihn wegen seines Auszugs zur Verfolgung der Kayapó (Seite 460) hänselte und, einen Stock über der Schulter, mit mächtig ausholenden Schritten daher hinkte: der arme Teufel schäumte vor Wut, warf seine brennenden Holzkloben nach dem Spötter und, als er sich nicht mehr zu helfen wusste, griff er ein paar Hobelspähne vom Boden auf und markierte mit einer zähnefletschenden Grimasse unter unverständlichen Zornlauten — den Schnurrbart des Soldaten. Nach einer Weile kam er wieder zur Ruhe und übte sich für die Totenfeier im Klappern mit zwei Rasselkürbissen und taktfestem Aróe-Grunzen.
Es waren lehrreiche und gemütliche Stunden im Ranchão. Nur Eins war unleidlich, das unaufhörliche Betteln um Tabak. Meine Pfeife wanderte von Mann zu Mann. Die Leute diktierten mir Seiten lang Bororó, wobei jeder ge- rade sich abspielende Vorgang für die Sätze herhalten musste, überhörten mich und lachten dann ebenso befriedigt wie die Bakaïrí. Je vertrauter wir mitein- ander wurden, desto auffälliger wurde überhaupt die Uebereinstimmung in Tem- perament und Charakter mit den Kulisehuindianern. An einem Pfosten im Männerhaus wurde auch, nachdem wir die anthropologischen Messungen vorge-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0561"n="489"/>
schmale Bänder, in die Borsten vom Stachelschwein eingeflochten und die nach<lb/>
Art der Hosenträger, vgl. Abb. 141 und 129 als Brustschnüre von beiden Ge-<lb/>
schlechtern getragen wurden, sowie Armbänder durch künstliche Verschlingung<lb/>
des Fadens zwischen zwei dünnen Stäbchen.</p><lb/><p>Wie <hirendition="#g">zierlich</hi> und <hirendition="#g">nett</hi> die Männer arbeiteten, fiel namentlich bei dem<lb/>
Herrichten der Pfeile auf. Da gab es so manche kleine Geschicklichkeiten, die<lb/>
man nur zarten Frauenhänden zugetraut hätte. Dahin rechne ich besonders<lb/>
das Ausschmücken mit winzigen bunten Federchen, deren jedes Stück für Stück<lb/>
auf den Boden gelegt und sorgfältig zurechtgezupft wurde.</p><lb/><p>Auch kann in einer Spinnstube nicht mehr geschwatzt und gelacht werden<lb/>
als hier im Baitó. Gewiss war es wenig frauenhaft, wenn sich plötzlich der<lb/>
Abwechslung halber zwei der Arbeiter erhoben und einen regelrechten Ring-<lb/>
kampf aufführten, der von den Uebrigen mit grossem Interesse verfolgt wurde.<lb/>
Sie standen auf, rangen, warfen sich und nahmen ihre Arbeit wieder auf oder<lb/>
legten sich wieder zum dolce far niente nieder. Denn behaglich Faulenzende<lb/>
fehlten niemals; selten fehlte es auch, während die Frauen sonst fern blieben,<lb/>
an einem Liebespärchen, das unter einer gemeinsamen roten Decke lag und<lb/>
schäkerte. Niemand kümmerte sich darum, ausser einigen von gelinder Eifer-<lb/>
sucht geplagten Freunden, die augenblicklich von der gemeinsamen Geliebten<lb/>
vernachlässigt wurden und zufrieden sein mussten, neben dem Pärchen zu sitzen<lb/>
und mit ihm zu plaudern.</p><lb/><p>Zuweilen gab Dyapokuri eine Vorstellung. Man war weit davon entfernt,<lb/>
den Geistesschwachen, der nur lallen konnte, als ein höheres Wesen anzusehen.<lb/>
Mit Vorliebe stellte er den Zank der Weiber dar, indem er sich in den wütigsten<lb/>
Geberden erging und das gegenseitige Kratzen und Haarausreissen kräftig ver-<lb/>
anschaulichte. In fürchterliche Aufregung geriet er aber selbst, als ein Soldat<lb/>
ihn wegen seines Auszugs zur Verfolgung der Kayapó (Seite 460) hänselte und,<lb/>
einen Stock über der Schulter, mit mächtig ausholenden Schritten daher hinkte:<lb/>
der arme Teufel schäumte vor Wut, warf seine brennenden Holzkloben nach<lb/>
dem Spötter und, als er sich nicht mehr zu helfen wusste, griff er ein paar<lb/>
Hobelspähne vom Boden auf und markierte mit einer zähnefletschenden Grimasse<lb/>
unter unverständlichen Zornlauten — den Schnurrbart des Soldaten. Nach einer<lb/>
Weile kam er wieder zur Ruhe und übte sich für die Totenfeier im Klappern<lb/>
mit zwei Rasselkürbissen und taktfestem Aróe-Grunzen.</p><lb/><p>Es waren lehrreiche und gemütliche Stunden im Ranchão. Nur Eins war<lb/>
unleidlich, das unaufhörliche Betteln um Tabak. Meine Pfeife wanderte von<lb/>
Mann zu Mann. Die Leute diktierten mir Seiten lang Bororó, wobei jeder ge-<lb/>
rade sich abspielende Vorgang für die Sätze herhalten musste, überhörten mich<lb/>
und lachten dann ebenso befriedigt wie die Bakaïrí. Je vertrauter wir mitein-<lb/>
ander wurden, desto auffälliger wurde überhaupt die Uebereinstimmung in Tem-<lb/>
perament und Charakter mit den Kulisehuindianern. An einem Pfosten im<lb/>
Männerhaus wurde auch, nachdem wir die anthropologischen Messungen vorge-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[489/0561]
schmale Bänder, in die Borsten vom Stachelschwein eingeflochten und die nach
Art der Hosenträger, vgl. Abb. 141 und 129 als Brustschnüre von beiden Ge-
schlechtern getragen wurden, sowie Armbänder durch künstliche Verschlingung
des Fadens zwischen zwei dünnen Stäbchen.
Wie zierlich und nett die Männer arbeiteten, fiel namentlich bei dem
Herrichten der Pfeile auf. Da gab es so manche kleine Geschicklichkeiten, die
man nur zarten Frauenhänden zugetraut hätte. Dahin rechne ich besonders
das Ausschmücken mit winzigen bunten Federchen, deren jedes Stück für Stück
auf den Boden gelegt und sorgfältig zurechtgezupft wurde.
Auch kann in einer Spinnstube nicht mehr geschwatzt und gelacht werden
als hier im Baitó. Gewiss war es wenig frauenhaft, wenn sich plötzlich der
Abwechslung halber zwei der Arbeiter erhoben und einen regelrechten Ring-
kampf aufführten, der von den Uebrigen mit grossem Interesse verfolgt wurde.
Sie standen auf, rangen, warfen sich und nahmen ihre Arbeit wieder auf oder
legten sich wieder zum dolce far niente nieder. Denn behaglich Faulenzende
fehlten niemals; selten fehlte es auch, während die Frauen sonst fern blieben,
an einem Liebespärchen, das unter einer gemeinsamen roten Decke lag und
schäkerte. Niemand kümmerte sich darum, ausser einigen von gelinder Eifer-
sucht geplagten Freunden, die augenblicklich von der gemeinsamen Geliebten
vernachlässigt wurden und zufrieden sein mussten, neben dem Pärchen zu sitzen
und mit ihm zu plaudern.
Zuweilen gab Dyapokuri eine Vorstellung. Man war weit davon entfernt,
den Geistesschwachen, der nur lallen konnte, als ein höheres Wesen anzusehen.
Mit Vorliebe stellte er den Zank der Weiber dar, indem er sich in den wütigsten
Geberden erging und das gegenseitige Kratzen und Haarausreissen kräftig ver-
anschaulichte. In fürchterliche Aufregung geriet er aber selbst, als ein Soldat
ihn wegen seines Auszugs zur Verfolgung der Kayapó (Seite 460) hänselte und,
einen Stock über der Schulter, mit mächtig ausholenden Schritten daher hinkte:
der arme Teufel schäumte vor Wut, warf seine brennenden Holzkloben nach
dem Spötter und, als er sich nicht mehr zu helfen wusste, griff er ein paar
Hobelspähne vom Boden auf und markierte mit einer zähnefletschenden Grimasse
unter unverständlichen Zornlauten — den Schnurrbart des Soldaten. Nach einer
Weile kam er wieder zur Ruhe und übte sich für die Totenfeier im Klappern
mit zwei Rasselkürbissen und taktfestem Aróe-Grunzen.
Es waren lehrreiche und gemütliche Stunden im Ranchão. Nur Eins war
unleidlich, das unaufhörliche Betteln um Tabak. Meine Pfeife wanderte von
Mann zu Mann. Die Leute diktierten mir Seiten lang Bororó, wobei jeder ge-
rade sich abspielende Vorgang für die Sätze herhalten musste, überhörten mich
und lachten dann ebenso befriedigt wie die Bakaïrí. Je vertrauter wir mitein-
ander wurden, desto auffälliger wurde überhaupt die Uebereinstimmung in Tem-
perament und Charakter mit den Kulisehuindianern. An einem Pfosten im
Männerhaus wurde auch, nachdem wir die anthropologischen Messungen vorge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/561>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.