auf lagen grosse Flussmuscheln zum Auflöffeln. Dann schritt Moguyokuri umher, legte einer Anzahl von Jungen oder Alten seine starke Hand auf die dicken Schädel, und die Auserwählten hockten um den Topf und stachen mit ihren Muschellöffeln kräftig in den Brei. Wer dieses patri- archalische Bild mit der Szene der brasilischen Fleischverteilung (Seite 456) verglich, musste von heiligem Zorn gegen die schändliche Wirtschaft erfüllt werden.
Der Idiot Dyapokuri briet das bei der "Fütterung der Tiere" erbeutete Rindfleisch. Er holte sich das Feuer in einer Hütte. Feuer brauchte nicht mehr durch Reiben entzündet zu werden, denn die Verwaltung lieferte schwedische Streichhölzer. Die ur- sprüngliche Methode der Bororo war dieselbe wie am Kulisehu. Als bestes Holz galt Canella brava, Pseudocaryophyllus sericeus.
Auch von Steinbeilen und schneidenden Fischzähnen war natürlich nichts mehr zu bemerken; Aexte und Messer waren im Ueberfluss vorhanden. Allein es gab doch noch Mancherlei aus der alten Zeit zu beobachten. So schnitten die Bororo beim Essen die Fleischstücke mit Bambusspähnen vor dem Munde ab, sie gebrauchten als Schabmeissel den an ein Stöckchen befestigten, bis 8 cm langen Kapivarazahn, vgl. Abb. 26 vom Schingu und hierher gehörig Abb. 139, sie schliffen diesen Zahn mit dem Zahn des Paka (Coelogenys paca), eines kleinen Nagetiers, sie hobelten, glätteten, bohrten noch auf gut indianische Art.
Ihr Hobel war eine Bulimusschale, ruo, 10 cm lang, vgl. Abb. 140 (und Abb. 27 vom Schingu). in die mit einer Oaussunuss scharfrandige Löcher geschlagen waren. Sie glätteten ferner Holz z. B. der Schwirrhölzer, die für die Totenfeier gemacht wurden, indem sie es eine Viertelstunde mit einem nassen, glatten Stein strichen. Oder sie nahmen die rauhen Blätter des Lischa- und des Imbaubabaums. Sie sassen mit untergeschlagenen und gekreuzten Beinen und schnitten und hobelten die Ge- genstände auf ihrem Fuss als Unterlage. An den auf dem Boden aufliegenden äusseren Knöchel fühlte ich vielfach kallöse Verdickungen und auch knorpelharte verschiebliche Stücke. Affenknochen zu Kettenschmuck zerschnitten sie auf dem Fuss, sodass ich jeden Augenblick für ihre eigenen Knochen fürchtete.
Bohren geschah stets mit Quirlbewegungen. Ein Nagel war an einem Stöckchen von 1/2 m Länge befestigt und dieses wurde zwischen den beiden schnell auf- und niedergleitenden
[Abbildung]
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Abb. 139.
Kapivara- Meissel. Bororo. (1/2 nat. Gr.)
[Abbildung]
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Abb. 140.
Hobel- muschel. Bororo. ( 2/5 nat. Gr.)
Händen gequirlt. So durchbohrten sie die Muschelplättchen für ihre Lippen- ketten, die sie so herstellten, dass sie eine Muschel zerhackten und die Kanten
auf lagen grosse Flussmuscheln zum Auflöffeln. Dann schritt Moguyokuri umher, legte einer Anzahl von Jungen oder Alten seine starke Hand auf die dicken Schädel, und die Auserwählten hockten um den Topf und stachen mit ihren Muschellöffeln kräftig in den Brei. Wer dieses patri- archalische Bild mit der Szene der brasilischen Fleischverteilung (Seite 456) verglich, musste von heiligem Zorn gegen die schändliche Wirtschaft erfüllt werden.
Der Idiot Dyapokuri briet das bei der »Fütterung der Tiere« erbeutete Rindfleisch. Er holte sich das Feuer in einer Hütte. Feuer brauchte nicht mehr durch Reiben entzündet zu werden, denn die Verwaltung lieferte schwedische Streichhölzer. Die ur- sprüngliche Methode der Bororó war dieselbe wie am Kulisehu. Als bestes Holz galt Canella brava, Pseudocaryophyllus sericeus.
Auch von Steinbeilen und schneidenden Fischzähnen war natürlich nichts mehr zu bemerken; Aexte und Messer waren im Ueberfluss vorhanden. Allein es gab doch noch Mancherlei aus der alten Zeit zu beobachten. So schnitten die Bororó beim Essen die Fleischstücke mit Bambusspähnen vor dem Munde ab, sie gebrauchten als Schabmeissel den an ein Stöckchen befestigten, bis 8 cm langen Kapivarazahn, vgl. Abb. 26 vom Schingú und hierher gehörig Abb. 139, sie schliffen diesen Zahn mit dem Zahn des Paka (Coelogenys paca), eines kleinen Nagetiers, sie hobelten, glätteten, bohrten noch auf gut indianische Art.
Ihr Hobel war eine Bulimusschale, ruo, 10 cm lang, vgl. Abb. 140 (und Abb. 27 vom Schingú). in die mit einer Oaussúnuss scharfrandige Löcher geschlagen waren. Sie glätteten ferner Holz z. B. der Schwirrhölzer, die für die Totenfeier gemacht wurden, indem sie es eine Viertelstunde mit einem nassen, glatten Stein strichen. Oder sie nahmen die rauhen Blätter des Lischa- und des Imbaubabaums. Sie sassen mit untergeschlagenen und gekreuzten Beinen und schnitten und hobelten die Ge- genstände auf ihrem Fuss als Unterlage. An den auf dem Boden aufliegenden äusseren Knöchel fühlte ich vielfach kallöse Verdickungen und auch knorpelharte verschiebliche Stücke. Affenknochen zu Kettenschmuck zerschnitten sie auf dem Fuss, sodass ich jeden Augenblick für ihre eigenen Knochen fürchtete.
Bohren geschah stets mit Quirlbewegungen. Ein Nagel war an einem Stöckchen von ½ m Länge befestigt und dieses wurde zwischen den beiden schnell auf- und niedergleitenden
[Abbildung]
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Abb. 139.
Kapivara- Meissel. Bororó. (½ nat. Gr.)
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Abb. 140.
Hobel- muschel. Bororó. (⅖ nat. Gr.)
Händen gequirlt. So durchbohrten sie die Muschelplättchen für ihre Lippen- ketten, die sie so herstellten, dass sie eine Muschel zerhackten und die Kanten
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auf lagen grosse Flussmuscheln zum Auflöffeln. Dann schritt Moguyokuri umher,
legte einer Anzahl von Jungen oder Alten seine starke Hand auf die dicken
Schädel, und die Auserwählten hockten um den Topf und stachen
mit ihren Muschellöffeln kräftig in den Brei. Wer dieses patri-
archalische Bild mit der Szene der brasilischen Fleischverteilung
(Seite 456) verglich, musste von heiligem Zorn gegen die schändliche
Wirtschaft erfüllt werden.
Der Idiot Dyapokuri briet das bei der »Fütterung der Tiere«
erbeutete Rindfleisch. Er holte sich das Feuer in einer Hütte.
Feuer brauchte nicht mehr durch Reiben entzündet zu werden,
denn die Verwaltung lieferte schwedische Streichhölzer. Die ur-
sprüngliche Methode der Bororó war dieselbe wie am Kulisehu.
Als bestes Holz galt Canella brava, Pseudocaryophyllus sericeus.
Auch von Steinbeilen und schneidenden Fischzähnen war
natürlich nichts mehr zu bemerken; Aexte und Messer waren im
Ueberfluss vorhanden. Allein es gab doch noch Mancherlei aus
der alten Zeit zu beobachten. So schnitten die Bororó beim
Essen die Fleischstücke mit Bambusspähnen vor dem Munde ab,
sie gebrauchten als Schabmeissel den an ein Stöckchen befestigten,
bis 8 cm langen Kapivarazahn, vgl. Abb. 26 vom Schingú und
hierher gehörig Abb. 139, sie schliffen diesen Zahn mit dem Zahn
des Paka (Coelogenys paca), eines kleinen Nagetiers, sie hobelten,
glätteten, bohrten noch auf gut indianische Art.
Ihr Hobel war eine Bulimusschale, ruo, 10 cm lang, vgl.
Abb. 140 (und Abb. 27 vom Schingú). in die mit einer Oaussúnuss
scharfrandige Löcher geschlagen waren. Sie glätteten ferner Holz
z. B. der Schwirrhölzer, die für die Totenfeier gemacht wurden,
indem sie es eine Viertelstunde mit einem nassen, glatten Stein
strichen. Oder sie nahmen die rauhen Blätter des Lischa-
und des Imbaubabaums. Sie sassen mit untergeschlagenen
und gekreuzten Beinen und schnitten und hobelten die Ge-
genstände auf ihrem Fuss als Unterlage. An den auf dem
Boden aufliegenden äusseren Knöchel fühlte ich vielfach
kallöse Verdickungen und auch knorpelharte verschiebliche
Stücke. Affenknochen zu Kettenschmuck zerschnitten sie auf
dem Fuss, sodass ich jeden Augenblick für ihre eigenen
Knochen fürchtete.
Bohren geschah stets mit Quirlbewegungen. Ein Nagel
war an einem Stöckchen von ½ m Länge befestigt und dieses
wurde zwischen den beiden schnell auf- und niedergleitenden
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[Abbildung Abb. 139.
Kapivara-
Meissel.
Bororó.
(½ nat. Gr.)]
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[Abbildung Abb. 140. Hobel-
muschel. Bororó.
(⅖ nat. Gr.)]
Händen gequirlt. So durchbohrten sie die Muschelplättchen für ihre Lippen-
ketten, die sie so herstellten, dass sie eine Muschel zerhackten und die Kanten
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/559>, abgerufen am 22.11.2024.
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