schalen und Bambus zu helfen, ihre Federn bewahrten sie in grossen Bambus- schachteln auf und zu Hause machten die Frauen Topfschalen und Wasser- töpfe. Der Riesenbambus wachse auch nicht in der Nähe der Kolonie, sondern werde weiterher geholt; wir fanden Büchsen von 50--60 cm Länge und 9 cm Dicke, aus denen ein Längsdeckel ausgeschnitten war.
Für die grobe Verständnislosigkeit, die dem Bororo gegenüber der Feld- kultur der Brasilier eigen war, habe ich Seite 453 drastische Beispiele angeführt. Die Männer zogen Tage und Wochen lang auf Jagd aus; zuweilen wurden sie von einigen Weibern begleitet. Es war also kein reines Nomadenleben, sondern Ansässigkeit war vorhanden. Sie wurde ermöglicht durch das Braten des Wild- prets und den Fischfang.
Wir sahen eine Schaar heimkehrender Jäger; in Tragkörben brachten sie eine Menge Fleisch heim, sehr gut durchgebraten, schwarz, trocken, hauptsäch- lich Wildschwein, Geflügel, Schildkröten, dabei grosse verkohlte Stücke Haut mit nur wenig daran sitzendem Fleisch. Die Brasilier schätzten die Bororo als ausgezeichnete Fährtensucher; desertierende Soldaten wurden mit ihrer Hülfe rasch eingefangen.*)
Fische wurden mit Pfeilen geschossen oder mit Angeln, die sie nach dem brasilischen Vorbild aus gestohlenem Eisen und aus dem Panzer der Schild- kröten fertigten, oder in Netzen gefangen, indem man einen Kreis bildete und die Fische zusammentrieb. Schmälere Flüsse sperrten sie auch mit Aesten und Gras, einige trichterförmige Eintrittslöcher übrig lassend, hinter denen eine Um- zäunung mit Bambusstöcken angebracht war. In flachen Flüssen, erzählte Clemente, blieben die Indianer Nächte hindurch im Wasser, bei Palmfackeln arbeitend. Unverständlich ist mir die Behauptung geblieben, dass sie längere Zeit unter Wasser zu bleiben vermöchten. Sie kauten die bittern Blätter des "Dyorubo"-Baumes, bevor sie untertauchten, und spuckten sie nachher wieder aus. Unter Wasser fingen sie Fische. Er wisse von Einem, der etwa eine Stunde in der Tiefe geblieben und "mit einem Arm voll Pintados" zurückgekehrt sei.
Sicher ist, die Bororo hielten sich gern im Wasser auf. Die von der Jagd heimkehrenden sah man ein bis zwei Kilometer oberhalb der Kolonie im Fluss erscheinen nnd schwimmend oder bis an den Hals im Wasser watend die Strecke zurücklegen, statt den Landweg zu wählen und nur quer herüber zu schwimmen. Schon von fernher hörte man sie lachen und schwatzen; paarweise folgten sie sich in kurzem Abstand, alle die Bogen, an denen die Pfeilbündel oben hori- zontal angebunden waren, gleichmässig steil wie Kreuze emporhaltend und auf der Brust oder unter den Armen die erbeuteten Thiere tragend.
Ebenso schwammen auch die Frauen heim, die schwerbefrachtete Körbe voller Palmnüsse und Wurzeln oder mächtige Bündel langer Palmblätter für
*) Um die gegen sie ausgeschickten Truppen an dem Auffinden des Dorfes zu verhindern, wandten die Eingeborenen die List an, dass sie den letzten Teil des Weges nach Mäglichkeit durch die Bäume zurücklegten.
schalen und Bambus zu helfen, ihre Federn bewahrten sie in grossen Bambus- schachteln auf und zu Hause machten die Frauen Topfschalen und Wasser- töpfe. Der Riesenbambus wachse auch nicht in der Nähe der Kolonie, sondern werde weiterher geholt; wir fanden Büchsen von 50—60 cm Länge und 9 cm Dicke, aus denen ein Längsdeckel ausgeschnitten war.
Für die grobe Verständnislosigkeit, die dem Bororó gegenüber der Feld- kultur der Brasilier eigen war, habe ich Seite 453 drastische Beispiele angeführt. Die Männer zogen Tage und Wochen lang auf Jagd aus; zuweilen wurden sie von einigen Weibern begleitet. Es war also kein reines Nomadenleben, sondern Ansässigkeit war vorhanden. Sie wurde ermöglicht durch das Braten des Wild- prets und den Fischfang.
Wir sahen eine Schaar heimkehrender Jäger; in Tragkörben brachten sie eine Menge Fleisch heim, sehr gut durchgebraten, schwarz, trocken, hauptsäch- lich Wildschwein, Geflügel, Schildkröten, dabei grosse verkohlte Stücke Haut mit nur wenig daran sitzendem Fleisch. Die Brasilier schätzten die Bororó als ausgezeichnete Fährtensucher; desertierende Soldaten wurden mit ihrer Hülfe rasch eingefangen.*)
Fische wurden mit Pfeilen geschossen oder mit Angeln, die sie nach dem brasilischen Vorbild aus gestohlenem Eisen und aus dem Panzer der Schild- kröten fertigten, oder in Netzen gefangen, indem man einen Kreis bildete und die Fische zusammentrieb. Schmälere Flüsse sperrten sie auch mit Aesten und Gras, einige trichterförmige Eintrittslöcher übrig lassend, hinter denen eine Um- zäunung mit Bambusstöcken angebracht war. In flachen Flüssen, erzählte Clemente, blieben die Indianer Nächte hindurch im Wasser, bei Palmfackeln arbeitend. Unverständlich ist mir die Behauptung geblieben, dass sie längere Zeit unter Wasser zu bleiben vermöchten. Sie kauten die bittern Blätter des »Dyorúbo«-Baumes, bevor sie untertauchten, und spuckten sie nachher wieder aus. Unter Wasser fingen sie Fische. Er wisse von Einem, der etwa eine Stunde in der Tiefe geblieben und »mit einem Arm voll Pintados« zurückgekehrt sei.
Sicher ist, die Bororó hielten sich gern im Wasser auf. Die von der Jagd heimkehrenden sah man ein bis zwei Kilometer oberhalb der Kolonie im Fluss erscheinen nnd schwimmend oder bis an den Hals im Wasser watend die Strecke zurücklegen, statt den Landweg zu wählen und nur quer herüber zu schwimmen. Schon von fernher hörte man sie lachen und schwatzen; paarweise folgten sie sich in kurzem Abstand, alle die Bogen, an denen die Pfeilbündel oben hori- zontal angebunden waren, gleichmässig steil wie Kreuze emporhaltend und auf der Brust oder unter den Armen die erbeuteten Thiere tragend.
Ebenso schwammen auch die Frauen heim, die schwerbefrachtete Körbe voller Palmnüsse und Wurzeln oder mächtige Bündel langer Palmblätter für
*) Um die gegen sie ausgeschickten Truppen an dem Auffinden des Dorfes zu verhindern, wandten die Eingeborenen die List an, dass sie den letzten Teil des Weges nach Mäglichkeit durch die Bäume zurücklegten.
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[482/0554]
schalen und Bambus zu helfen, ihre Federn bewahrten sie in grossen Bambus-
schachteln auf und zu Hause machten die Frauen Topfschalen und Wasser-
töpfe. Der Riesenbambus wachse auch nicht in der Nähe der Kolonie, sondern
werde weiterher geholt; wir fanden Büchsen von 50—60 cm Länge und 9 cm
Dicke, aus denen ein Längsdeckel ausgeschnitten war.
Für die grobe Verständnislosigkeit, die dem Bororó gegenüber der Feld-
kultur der Brasilier eigen war, habe ich Seite 453 drastische Beispiele angeführt.
Die Männer zogen Tage und Wochen lang auf Jagd aus; zuweilen wurden sie
von einigen Weibern begleitet. Es war also kein reines Nomadenleben, sondern
Ansässigkeit war vorhanden. Sie wurde ermöglicht durch das Braten des Wild-
prets und den Fischfang.
Wir sahen eine Schaar heimkehrender Jäger; in Tragkörben brachten sie
eine Menge Fleisch heim, sehr gut durchgebraten, schwarz, trocken, hauptsäch-
lich Wildschwein, Geflügel, Schildkröten, dabei grosse verkohlte Stücke Haut
mit nur wenig daran sitzendem Fleisch. Die Brasilier schätzten die Bororó als
ausgezeichnete Fährtensucher; desertierende Soldaten wurden mit ihrer Hülfe
rasch eingefangen. *)
Fische wurden mit Pfeilen geschossen oder mit Angeln, die sie nach dem
brasilischen Vorbild aus gestohlenem Eisen und aus dem Panzer der Schild-
kröten fertigten, oder in Netzen gefangen, indem man einen Kreis bildete und
die Fische zusammentrieb. Schmälere Flüsse sperrten sie auch mit Aesten und
Gras, einige trichterförmige Eintrittslöcher übrig lassend, hinter denen eine Um-
zäunung mit Bambusstöcken angebracht war. In flachen Flüssen, erzählte
Clemente, blieben die Indianer Nächte hindurch im Wasser, bei Palmfackeln
arbeitend. Unverständlich ist mir die Behauptung geblieben, dass sie längere
Zeit unter Wasser zu bleiben vermöchten. Sie kauten die bittern Blätter des
»Dyorúbo«-Baumes, bevor sie untertauchten, und spuckten sie nachher wieder aus.
Unter Wasser fingen sie Fische. Er wisse von Einem, der etwa eine Stunde
in der Tiefe geblieben und »mit einem Arm voll Pintados« zurückgekehrt sei.
Sicher ist, die Bororó hielten sich gern im Wasser auf. Die von der Jagd
heimkehrenden sah man ein bis zwei Kilometer oberhalb der Kolonie im Fluss
erscheinen nnd schwimmend oder bis an den Hals im Wasser watend die Strecke
zurücklegen, statt den Landweg zu wählen und nur quer herüber zu schwimmen.
Schon von fernher hörte man sie lachen und schwatzen; paarweise folgten sie
sich in kurzem Abstand, alle die Bogen, an denen die Pfeilbündel oben hori-
zontal angebunden waren, gleichmässig steil wie Kreuze emporhaltend und auf
der Brust oder unter den Armen die erbeuteten Thiere tragend.
Ebenso schwammen auch die Frauen heim, die schwerbefrachtete Körbe
voller Palmnüsse und Wurzeln oder mächtige Bündel langer Palmblätter für
*) Um die gegen sie ausgeschickten Truppen an dem Auffinden des Dorfes zu verhindern, wandten
die Eingeborenen die List an, dass sie den letzten Teil des Weges nach Mäglichkeit durch die
Bäume zurücklegten.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/554>, abgerufen am 22.11.2024.
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