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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Bastband um den Kopf gewunden. Frauen, die sich brasilischen Sitten zu-
gänglich erwiesen, scheitelten das Haar in der Mitte. Auch der eine oder
andere Mann ging mit losem, ungeschnittenem und in der Mitte gescheiteltem
Haar. Das Haar wurde jetzt meist mit der Scheere geschnitten, nach der alten
Methode zwischen zwei Muscheln. Der Kamm bestand aus spitzen Stäbchen,
die an beiden Enden zugespitzt und in dem mittleren Teil durch rohes Flecht-
werk mit einander verbunden waren; das Flechtwerk lag zwischen zwei an den
überstehenden Enden zusammengebundenen Querleisten.

Die Männer tragen fast ausnahmslos eine Hüftschnur. Aber der eine oder
andere ging doch ohne sie. Den Stulp, inoba (no Oaussupalme, ba Eier,
Scrotum), von den Brasilianern, gravata genannt, habe ich bereits Seite 192 (mit
Festfahne) abgebildet und besprochen. Man kann sich das Modell aus einem
etwa 3 cm breiten und 14 cm langen Streifen Papier sehr einfach herstellen, in-
dem man die beiden Enden einen Ring bildend übereinander legt, dann aber
das eine um 90° dreht und kurz unter das andere einschlägt. Wurde ein
neuer oder ein etwas enger Stulp angelegt, so wurde das Praeputium vor der
Glans mit einer Schnur umschlungen und durchgeholt; es wurde durch diese
Manipulation und das Tragen des Stulps ziemlich stark gezerrt und verlängert.
Die Fahne ist ein seitlich eingeschobener Strohstreifen bis 20 cm Länge. Auch
der gefangene Clemente erhielt einen Stulp, und er klagte, dass damit Schmerzen
und Schwellung verbunden gewesen seien. Die Langsdorff'sche Expedition
berichtet von den Bororo dos Campos aus dem Jahre 1827, dass "die Männer
das Praeputium nach Art der Guato mit Embira-Bast, den sie als Gürtel tragen,
anzubinden pflegen; andere bedecken es mit einem Blattfutteral (cartuxa de
folhas
)"*). Waehneldt's Bemerkung, die ebenfalls Zeugnis ablegt, dass die
Hüftschnur ohne Stulp wie am Kulisehu genügt, habe ich bereits S. 130 zitiert.
Rohde**) drückt sich inkorrekt aus, wenn er sagt: "die Männer gehen voll-
ständig nackend, nur den Penis bekleiden sie mit einem Futteral aus Schilf, die
Vorhaut binden sie zusammen, das Glied ist aufrecht am Körper befestigt."
Denn die Schilffutterale, die er dem Berliner Museum für Völkerkunde über-
geben hat, sind genau die beschriebenen Stulpe, die nur insofern den Penis be-
kleiden, als die Glans ein Teil von ihm ist und der Rest in das Scrotum zurück-
gedrängt erscheint. Das Einklemmen in die Hüftschnur haben wir am S. Lou-
renco nicht gesehen, es wird auch nur für die behauptet, die keinen Stulp tragen.
Daraus folgt, dass der Zweck des "Anbindens", beim Laufen unbehindert zu
sein, den Waehneldt anführt, nur ein Nebenzweck gewesen sein kann. Der
eigentliche Zweck, den Hüftschnur und Stulp in gleicher Weise erfüllen, ist
die Verlängerung des Praeputiums; nur nach der Methode verschieden, ist er
bei der grossen Mehrzahl aller brasilischen Stämme beobachtet worden.


*) Revista Trimensal 38 II, Seite 242.
**) Originalmitteilungen aus der Ethnol. Abteilung I, S. 14.

Bastband um den Kopf gewunden. Frauen, die sich brasilischen Sitten zu-
gänglich erwiesen, scheitelten das Haar in der Mitte. Auch der eine oder
andere Mann ging mit losem, ungeschnittenem und in der Mitte gescheiteltem
Haar. Das Haar wurde jetzt meist mit der Scheere geschnitten, nach der alten
Methode zwischen zwei Muscheln. Der Kamm bestand aus spitzen Stäbchen,
die an beiden Enden zugespitzt und in dem mittleren Teil durch rohes Flecht-
werk mit einander verbunden waren; das Flechtwerk lag zwischen zwei an den
überstehenden Enden zusammengebundenen Querleisten.

Die Männer tragen fast ausnahmslos eine Hüftschnur. Aber der eine oder
andere ging doch ohne sie. Den Stulp, inobá (no Oaussupalme, ba Eier,
Scrotum), von den Brasilianern, gravata genannt, habe ich bereits Seite 192 (mit
Festfahne) abgebildet und besprochen. Man kann sich das Modell aus einem
etwa 3 cm breiten und 14 cm langen Streifen Papier sehr einfach herstellen, in-
dem man die beiden Enden einen Ring bildend übereinander legt, dann aber
das eine um 90° dreht und kurz unter das andere einschlägt. Wurde ein
neuer oder ein etwas enger Stulp angelegt, so wurde das Praeputium vor der
Glans mit einer Schnur umschlungen und durchgeholt; es wurde durch diese
Manipulation und das Tragen des Stulps ziemlich stark gezerrt und verlängert.
Die Fahne ist ein seitlich eingeschobener Strohstreifen bis 20 cm Länge. Auch
der gefangene Clemente erhielt einen Stulp, und er klagte, dass damit Schmerzen
und Schwellung verbunden gewesen seien. Die Langsdorff’sche Expedition
berichtet von den Bororó dos Campos aus dem Jahre 1827, dass »die Männer
das Praeputium nach Art der Guató mit Embira-Bast, den sie als Gürtel tragen,
anzubinden pflegen; andere bedecken es mit einem Blattfutteral (cartuxa de
folhas
*). Waehneldt’s Bemerkung, die ebenfalls Zeugnis ablegt, dass die
Hüftschnur ohne Stulp wie am Kulisehu genügt, habe ich bereits S. 130 zitiert.
Rohde**) drückt sich inkorrekt aus, wenn er sagt: »die Männer gehen voll-
ständig nackend, nur den Penis bekleiden sie mit einem Futteral aus Schilf, die
Vorhaut binden sie zusammen, das Glied ist aufrecht am Körper befestigt.«
Denn die Schilffutterale, die er dem Berliner Museum für Völkerkunde über-
geben hat, sind genau die beschriebenen Stulpe, die nur insofern den Penis be-
kleiden, als die Glans ein Teil von ihm ist und der Rest in das Scrotum zurück-
gedrängt erscheint. Das Einklemmen in die Hüftschnur haben wir am S. Lou-
renço nicht gesehen, es wird auch nur für die behauptet, die keinen Stulp tragen.
Daraus folgt, dass der Zweck des »Anbindens«, beim Laufen unbehindert zu
sein, den Waehneldt anführt, nur ein Nebenzweck gewesen sein kann. Der
eigentliche Zweck, den Hüftschnur und Stulp in gleicher Weise erfüllen, ist
die Verlängerung des Praeputiums; nur nach der Methode verschieden, ist er
bei der grossen Mehrzahl aller brasilischen Stämme beobachtet worden.


*) Revista Trimensal 38 II, Seite 242.
**) Originalmitteilungen aus der Ethnol. Abteilung I, S. 14.
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[472/0540] Bastband um den Kopf gewunden. Frauen, die sich brasilischen Sitten zu- gänglich erwiesen, scheitelten das Haar in der Mitte. Auch der eine oder andere Mann ging mit losem, ungeschnittenem und in der Mitte gescheiteltem Haar. Das Haar wurde jetzt meist mit der Scheere geschnitten, nach der alten Methode zwischen zwei Muscheln. Der Kamm bestand aus spitzen Stäbchen, die an beiden Enden zugespitzt und in dem mittleren Teil durch rohes Flecht- werk mit einander verbunden waren; das Flechtwerk lag zwischen zwei an den überstehenden Enden zusammengebundenen Querleisten. Die Männer tragen fast ausnahmslos eine Hüftschnur. Aber der eine oder andere ging doch ohne sie. Den Stulp, inobá (no Oaussupalme, ba Eier, Scrotum), von den Brasilianern, gravata genannt, habe ich bereits Seite 192 (mit Festfahne) abgebildet und besprochen. Man kann sich das Modell aus einem etwa 3 cm breiten und 14 cm langen Streifen Papier sehr einfach herstellen, in- dem man die beiden Enden einen Ring bildend übereinander legt, dann aber das eine um 90° dreht und kurz unter das andere einschlägt. Wurde ein neuer oder ein etwas enger Stulp angelegt, so wurde das Praeputium vor der Glans mit einer Schnur umschlungen und durchgeholt; es wurde durch diese Manipulation und das Tragen des Stulps ziemlich stark gezerrt und verlängert. Die Fahne ist ein seitlich eingeschobener Strohstreifen bis 20 cm Länge. Auch der gefangene Clemente erhielt einen Stulp, und er klagte, dass damit Schmerzen und Schwellung verbunden gewesen seien. Die Langsdorff’sche Expedition berichtet von den Bororó dos Campos aus dem Jahre 1827, dass »die Männer das Praeputium nach Art der Guató mit Embira-Bast, den sie als Gürtel tragen, anzubinden pflegen; andere bedecken es mit einem Blattfutteral (cartuxa de folhas)« *). Waehneldt’s Bemerkung, die ebenfalls Zeugnis ablegt, dass die Hüftschnur ohne Stulp wie am Kulisehu genügt, habe ich bereits S. 130 zitiert. Rohde **) drückt sich inkorrekt aus, wenn er sagt: »die Männer gehen voll- ständig nackend, nur den Penis bekleiden sie mit einem Futteral aus Schilf, die Vorhaut binden sie zusammen, das Glied ist aufrecht am Körper befestigt.« Denn die Schilffutterale, die er dem Berliner Museum für Völkerkunde über- geben hat, sind genau die beschriebenen Stulpe, die nur insofern den Penis be- kleiden, als die Glans ein Teil von ihm ist und der Rest in das Scrotum zurück- gedrängt erscheint. Das Einklemmen in die Hüftschnur haben wir am S. Lou- renço nicht gesehen, es wird auch nur für die behauptet, die keinen Stulp tragen. Daraus folgt, dass der Zweck des »Anbindens«, beim Laufen unbehindert zu sein, den Waehneldt anführt, nur ein Nebenzweck gewesen sein kann. Der eigentliche Zweck, den Hüftschnur und Stulp in gleicher Weise erfüllen, ist die Verlängerung des Praeputiums; nur nach der Methode verschieden, ist er bei der grossen Mehrzahl aller brasilischen Stämme beobachtet worden. *) Revista Trimensal 38 II, Seite 242. **) Originalmitteilungen aus der Ethnol. Abteilung I, S. 14.

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/540>, abgerufen am 25.11.2024.