Pereira Leite, einem grossen Fazendeiro bei Villa Maria, der 6 Jahre mit ihnen gekämpft, 450 getötet und 50 gefangen hatte, zum Frieden bewogen und teil- weise getauft*). Die Bororo des Cabacal, die gewöhnlich beschriebenen, sind erst 1842 durch "milde Ueberredung und Geschenke" von dem Vikar in Mato- grosso, Jose da Sa. Fraga am Jauru sesshaft gemacht worden; sie zeigten sich aber sehr widerspenstig gegen den Feldbau, pflanzten nur etwas Mais, Bataten und Bananen und zogen es vor, sich hauptsächlich von der Jagd mit Pfeil und Bogen zu ernähren. Heute sind die Bororo am rechten Paraguayufer eine elende, heruntergekommene Gesellschaft. Sie haben die Zivilisation mit Lues und Schnaps durchaus nicht vertragen können.
Von anderen Bororo erzählt uns die Kolonisationsgeschichte der Provinz schon in ihrer frühesten Epoche. 1742 zog Antonio Pires mit einer Schaar Paulisten und 500 befreundeten Bororo aus, die Kayapo im südlichen Teil der Provinz zu unterwerfen, machte auch mehr als 1000 Gefangene, legte einige Militärposten an und liess dort "eine Besatzung von Bororo" zurück.
Alle diese Bororo gehen ursprünglich aus dem Gebiet des Rio S. Lourenco hervor; von seinem untern Teil haben sich diese nomadisierenden Jäger in das Gebiet zwischen ihm und seinem Nebenfluss, dem Cuyaba, sowie über das seiner Einmündung gegenüberliegende rechte Paraguayufer verbreitet, während sie, von dem obern Teil des S. Lourenco ausgehend, uns im Osten und Südosten der Provinz an den Quellflüssen des Araguay, den "Contravertenten" des S. Lourenco, als Nachbarn und Feinde der nicht minder starken Kayapo begegnen.
Es ist schwer verständlich, warum über die Bororo sowohl unter den Mato- grossensern selbst als in der Literatur die grösste Begriffsverwirrung geherrscht hat und noch herrscht. Von Castelnau erfahren wir, dass die Bororo des Cabacal noch damals "Porrudos" genannt wurden; nun ist "der alte Name des Rio S. Lorenco, den er in seinem obern Teil noch jetzt führt", wie der Geograph Melgaco angibt (Rev. Trim. Bd. 47, p. 459), "Rio dos Porrudos"**).
Die Indianer des S. Lourenco werden heute "Coroados", die Geschorenen, genannt -- ein Name, der allerdings zu Verwechslungen geradezu herausfordert. "Coroados" hätten wir auch die Schinguindianer nennen können, Coroados gab es vor Allem im Strombecken des Parana und andere wiederum am Rio Xipoto an der Grenze der Provinzen Minas Geraes und Rio de Janeiro, Stämme, die nach Herkunft und Sprache sowohl voneinander als von den "Coroados" des Matogrosso durchaus verschieden sind.
In Cuyaba waren die "Coroados" bei unserer Ankunft der Gegenstand des allgemeinen Interesses. Nachdem sie immer als die schlimmsten Feinde der
*) Er selbst wurde Pate des Häuptlings, der die Taufe, wie üblich, für einen Namenstausch hielt und Jedermann stolz sagte: "Ich heisse Joao Pereira Leite."
**)Porra heisst im Portugiesischen Penis; der Penisstulp der Bororo regte den Namen an. Da die gleiche, in ganz Brasilien weit verbreitete Tracht anderswo diesen Namen nicht hervorgerufen hat, so liegt die Vermutung nahe, dass die Paulisten gerade hier, wo die Leute sagten, dass sie "Bororo" hiessen, zu einem Kalauer veranlasst wurden.
Pereira Leite, einem grossen Fazendeiro bei Villa Maria, der 6 Jahre mit ihnen gekämpft, 450 getötet und 50 gefangen hatte, zum Frieden bewogen und teil- weise getauft*). Die Bororó des Cabaçal, die gewöhnlich beschriebenen, sind erst 1842 durch »milde Ueberredung und Geschenke« von dem Vikar in Mato- grosso, José da Sa. Fraga am Jaurú sesshaft gemacht worden; sie zeigten sich aber sehr widerspenstig gegen den Feldbau, pflanzten nur etwas Mais, Bataten und Bananen und zogen es vor, sich hauptsächlich von der Jagd mit Pfeil und Bogen zu ernähren. Heute sind die Bororó am rechten Paraguayufer eine elende, heruntergekommene Gesellschaft. Sie haben die Zivilisation mit Lues und Schnaps durchaus nicht vertragen können.
Von anderen Bororó erzählt uns die Kolonisationsgeschichte der Provinz schon in ihrer frühesten Epoche. 1742 zog Antonio Pires mit einer Schaar Paulisten und 500 befreundeten Bororó aus, die Kayapó im südlichen Teil der Provinz zu unterwerfen, machte auch mehr als 1000 Gefangene, legte einige Militärposten an und liess dort »eine Besatzung von Bororó« zurück.
Alle diese Bororó gehen ursprünglich aus dem Gebiet des Rio S. Lourenço hervor; von seinem untern Teil haben sich diese nomadisierenden Jäger in das Gebiet zwischen ihm und seinem Nebenfluss, dem Cuyabá, sowie über das seiner Einmündung gegenüberliegende rechte Paraguayufer verbreitet, während sie, von dem obern Teil des S. Lourenço ausgehend, uns im Osten und Südosten der Provinz an den Quellflüssen des Araguay, den »Contravertenten« des S. Lourenço, als Nachbarn und Feinde der nicht minder starken Kayapó begegnen.
Es ist schwer verständlich, warum über die Bororó sowohl unter den Mato- grossensern selbst als in der Literatur die grösste Begriffsverwirrung geherrscht hat und noch herrscht. Von Castelnau erfahren wir, dass die Bororó des Cabaçal noch damals »Porrudos« genannt wurden; nun ist »der alte Name des Rio S. Lorenço, den er in seinem obern Teil noch jetzt führt«, wie der Geograph Melgaço angibt (Rev. Trim. Bd. 47, p. 459), »Rio dos Porrudos«**).
Die Indianer des S. Lourenço werden heute »Coroados«, die Geschorenen, genannt — ein Name, der allerdings zu Verwechslungen geradezu herausfordert. »Coroados« hätten wir auch die Schingúindianer nennen können, Coroados gab es vor Allem im Strombecken des Paraná und andere wiederum am Rio Xipotó an der Grenze der Provinzen Minas Geraes und Rio de Janeiro, Stämme, die nach Herkunft und Sprache sowohl voneinander als von den »Coroados« des Matogrosso durchaus verschieden sind.
In Cuyabá waren die »Coroados« bei unserer Ankunft der Gegenstand des allgemeinen Interesses. Nachdem sie immer als die schlimmsten Feinde der
*) Er selbst wurde Pate des Häuptlings, der die Taufe, wie üblich, für einen Namenstausch hielt und Jedermann stolz sagte: »Ich heisse João Pereira Leite.«
**)Porra heisst im Portugiesischen Penis; der Penisstulp der Bororó regte den Namen an. Da die gleiche, in ganz Brasilien weit verbreitete Tracht anderswo diesen Namen nicht hervorgerufen hat, so liegt die Vermutung nahe, dass die Paulisten gerade hier, wo die Leute sagten, dass sie „Bororó“ hiessen, zu einem Kalauer veranlasst wurden.
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Pereira Leite, einem grossen Fazendeiro bei Villa Maria, der 6 Jahre mit ihnen
gekämpft, 450 getötet und 50 gefangen hatte, zum Frieden bewogen und teil-
weise getauft *). Die Bororó des Cabaçal, die gewöhnlich beschriebenen, sind
erst 1842 durch »milde Ueberredung und Geschenke« von dem Vikar in Mato-
grosso, José da Sa. Fraga am Jaurú sesshaft gemacht worden; sie zeigten sich
aber sehr widerspenstig gegen den Feldbau, pflanzten nur etwas Mais, Bataten
und Bananen und zogen es vor, sich hauptsächlich von der Jagd mit Pfeil und
Bogen zu ernähren. Heute sind die Bororó am rechten Paraguayufer eine elende,
heruntergekommene Gesellschaft. Sie haben die Zivilisation mit Lues und Schnaps
durchaus nicht vertragen können.
Von anderen Bororó erzählt uns die Kolonisationsgeschichte der Provinz
schon in ihrer frühesten Epoche. 1742 zog Antonio Pires mit einer Schaar
Paulisten und 500 befreundeten Bororó aus, die Kayapó im südlichen Teil der
Provinz zu unterwerfen, machte auch mehr als 1000 Gefangene, legte einige
Militärposten an und liess dort »eine Besatzung von Bororó« zurück.
Alle diese Bororó gehen ursprünglich aus dem Gebiet des Rio S. Lourenço
hervor; von seinem untern Teil haben sich diese nomadisierenden Jäger in das
Gebiet zwischen ihm und seinem Nebenfluss, dem Cuyabá, sowie über das seiner
Einmündung gegenüberliegende rechte Paraguayufer verbreitet, während sie, von
dem obern Teil des S. Lourenço ausgehend, uns im Osten und Südosten der
Provinz an den Quellflüssen des Araguay, den »Contravertenten« des S. Lourenço,
als Nachbarn und Feinde der nicht minder starken Kayapó begegnen.
Es ist schwer verständlich, warum über die Bororó sowohl unter den Mato-
grossensern selbst als in der Literatur die grösste Begriffsverwirrung geherrscht
hat und noch herrscht. Von Castelnau erfahren wir, dass die Bororó des
Cabaçal noch damals »Porrudos« genannt wurden; nun ist »der alte Name des
Rio S. Lorenço, den er in seinem obern Teil noch jetzt führt«, wie der Geograph
Melgaço angibt (Rev. Trim. Bd. 47, p. 459), »Rio dos Porrudos« **).
Die Indianer des S. Lourenço werden heute »Coroados«, die Geschorenen,
genannt — ein Name, der allerdings zu Verwechslungen geradezu herausfordert.
»Coroados« hätten wir auch die Schingúindianer nennen können, Coroados gab
es vor Allem im Strombecken des Paraná und andere wiederum am Rio Xipotó
an der Grenze der Provinzen Minas Geraes und Rio de Janeiro, Stämme, die
nach Herkunft und Sprache sowohl voneinander als von den »Coroados« des
Matogrosso durchaus verschieden sind.
In Cuyabá waren die »Coroados« bei unserer Ankunft der Gegenstand
des allgemeinen Interesses. Nachdem sie immer als die schlimmsten Feinde der
*) Er selbst wurde Pate des Häuptlings, der die Taufe, wie üblich, für einen Namenstausch
hielt und Jedermann stolz sagte: »Ich heisse João Pereira Leite.«
**) Porra heisst im Portugiesischen Penis; der Penisstulp der Bororó regte den Namen an.
Da die gleiche, in ganz Brasilien weit verbreitete Tracht anderswo diesen Namen nicht hervorgerufen
hat, so liegt die Vermutung nahe, dass die Paulisten gerade hier, wo die Leute sagten, dass sie
„Bororó“ hiessen, zu einem Kalauer veranlasst wurden.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/506>, abgerufen am 17.02.2025.
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