Zur Geschichte der Paressi und ihnen verwandter Stämme. Unser Besuch. Sprache. Anthropologisches. Zur Ethnographie (Tracht, ethnographische Ausbeute, berauschende Getränke, Tanzfeste). Lebensgang. Beerdigung. Medizinmänner. Die Seele des Träumenden und des Toten. Firmament. Ahnensage. Schöpfung. Ursprung der Kulturgewächse. Abstammung der Bakairi. Das Leben im Himmel. Fluss- und Waldgeister. Heimat der Paressi.
Zur Geschichte. Im Nordwesten von Kuyaba liegen die "Campos dos Parecis", wo die Quellflüsse des Paraguay wie die des Tapajoz und Madeira ent- springen. Von den alten Paressi-Indianern sind nur verhältnismässig geringe Ueberreste vorhanden, die in mehrere Stämme zerfallen. Sie führen mit Aus- nahme der Kabischi, die häufiger die Umgegend der Stadt Matogrosso unsicher machen, ein friedliches Dasein. Da es uns unmöglich war, die Paressi zu be- suchen, weil uns der Wunsch, die Bororo kennen zu lernen, in fast entgegen- gesetzte Richtung führte, mussten die Paressi schon zu uns kommen. Glücklicher Weise fanden wir bei dem damaligen Präsidenten der Provinz, dem Obersten Francisco Raphael de Mello Rego, eine äusserst liebenswürdige und ver- ständnisvolle Aufnahme aller unserer Wünsche. Ihm und seiner ausgezeichneten Gemahlin, Donna Carmina, die uns als vollendete Dame inmitten der Cuyabaner und Cuyabanerinnen wie ein Wesen aus einer andern Welt erschien, sind wir für ihr reges Interesse zu grösster Dankbarkeit verpflichtet. Am 10. Januar überreichte ich dem Präsidenten das Gesuch, dass er einige Paressi nach der Hauptstadt zitiere; auch wurde privatim nach Diamantino geschrieben, da man behauptete, die einflussreichen Leute dort seien "liberal" und würden sich um die Ordre eines "konservativen" Präsidenten nicht kümmern. Am 19. Februar trafen die Indianer ein.
Ueber die Paressi sind uns wichtige Mitteilungen eines ihrer Entdecker selbst erhalten. Der Kapitän Antonio Pires de Campos*) entwirft uns im Jahre 1723 und zwar nach einer Bekanntschaft "de tantos annos" ein Bild von ihrem "reino" oder Reich, wie wir es aus den jetzt noch erhaltenen Trümmern niemals zusammensetzen könnten.
*) Revista Trimensal do Instituto Historico XXV, p. 443. Rio de Janeiro 1862.
XVI. KAPITEL. Die Paressí.
Zur Geschichte der Paressí und ihnen verwandter Stämme. Unser Besuch. Sprache. Anthropologisches. Zur Ethnographie (Tracht, ethnographische Ausbeute, berauschende Getränke, Tanzfeste). Lebensgang. Beerdigung. Medizinmänner. Die Seele des Träumenden und des Toten. Firmament. Ahnensage. Schöpfung. Ursprung der Kulturgewächse. Abstammung der Bakaïrí. Das Leben im Himmel. Fluss- und Waldgeister. Heimat der Paressí.
Zur Geschichte. Im Nordwesten von Kuyabá liegen die »Campos dos Parecis«, wo die Quellflüsse des Paraguay wie die des Tapajoz und Madeira ent- springen. Von den alten Paressí-Indianern sind nur verhältnismässig geringe Ueberreste vorhanden, die in mehrere Stämme zerfallen. Sie führen mit Aus- nahme der Kabischí, die häufiger die Umgegend der Stadt Matogrosso unsicher machen, ein friedliches Dasein. Da es uns unmöglich war, die Paressí zu be- suchen, weil uns der Wunsch, die Bororó kennen zu lernen, in fast entgegen- gesetzte Richtung führte, mussten die Paressí schon zu uns kommen. Glücklicher Weise fanden wir bei dem damaligen Präsidenten der Provinz, dem Obersten Francisco Raphael de Mello Rego, eine äusserst liebenswürdige und ver- ständnisvolle Aufnahme aller unserer Wünsche. Ihm und seiner ausgezeichneten Gemahlin, Donna Carmina, die uns als vollendete Dame inmitten der Cuyabaner und Cuyabanerinnen wie ein Wesen aus einer andern Welt erschien, sind wir für ihr reges Interesse zu grösster Dankbarkeit verpflichtet. Am 10. Januar überreichte ich dem Präsidenten das Gesuch, dass er einige Paressí nach der Hauptstadt zitiere; auch wurde privatim nach Diamantino geschrieben, da man behauptete, die einflussreichen Leute dort seien »liberal« und würden sich um die Ordre eines »konservativen« Präsidenten nicht kümmern. Am 19. Februar trafen die Indianer ein.
Ueber die Paressí sind uns wichtige Mitteilungen eines ihrer Entdecker selbst erhalten. Der Kapitän Antonio Pires de Campos*) entwirft uns im Jahre 1723 und zwar nach einer Bekanntschaft »de tantos annos« ein Bild von ihrem »reino« oder Reich, wie wir es aus den jetzt noch erhaltenen Trümmern niemals zusammensetzen könnten.
*) Revista Trimensal do Instituto Historico XXV, p. 443. Rio de Janeiro 1862.
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Beerdigung. Medizinmänner. Die Seele des Träumenden und des Toten. Firmament. Ahnensage.
Schöpfung. Ursprung der Kulturgewächse. Abstammung der Bakaïrí. Das Leben im Himmel.
Fluss- und Waldgeister. Heimat der Paressí.
Zur Geschichte. Im Nordwesten von Kuyabá liegen die »Campos dos
Parecis«, wo die Quellflüsse des Paraguay wie die des Tapajoz und Madeira ent-
springen. Von den alten Paressí-Indianern sind nur verhältnismässig geringe
Ueberreste vorhanden, die in mehrere Stämme zerfallen. Sie führen mit Aus-
nahme der Kabischí, die häufiger die Umgegend der Stadt Matogrosso unsicher
machen, ein friedliches Dasein. Da es uns unmöglich war, die Paressí zu be-
suchen, weil uns der Wunsch, die Bororó kennen zu lernen, in fast entgegen-
gesetzte Richtung führte, mussten die Paressí schon zu uns kommen. Glücklicher
Weise fanden wir bei dem damaligen Präsidenten der Provinz, dem Obersten
Francisco Raphael de Mello Rego, eine äusserst liebenswürdige und ver-
ständnisvolle Aufnahme aller unserer Wünsche. Ihm und seiner ausgezeichneten
Gemahlin, Donna Carmina, die uns als vollendete Dame inmitten der
Cuyabaner und Cuyabanerinnen wie ein Wesen aus einer andern Welt erschien,
sind wir für ihr reges Interesse zu grösster Dankbarkeit verpflichtet. Am 10. Januar
überreichte ich dem Präsidenten das Gesuch, dass er einige Paressí nach der
Hauptstadt zitiere; auch wurde privatim nach Diamantino geschrieben, da man
behauptete, die einflussreichen Leute dort seien »liberal« und würden sich um die
Ordre eines »konservativen« Präsidenten nicht kümmern. Am 19. Februar trafen
die Indianer ein.
Ueber die Paressí sind uns wichtige Mitteilungen eines ihrer Entdecker
selbst erhalten. Der Kapitän Antonio Pires de Campos *) entwirft uns im
Jahre 1723 und zwar nach einer Bekanntschaft »de tantos annos« ein Bild von
ihrem »reino« oder Reich, wie wir es aus den jetzt noch erhaltenen Trümmern
niemals zusammensetzen könnten.
*) Revista Trimensal do Instituto Historico XXV, p. 443. Rio de Janeiro 1862.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. [424]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/488>, abgerufen am 25.11.2024.
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