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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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war zunächst kein Vorbild, sie war eine bestimmte Grenze der praktischen
Zählerfahrung. Eine natürliche Abgrenzung aber, wie sie an der Hand für die "5"
in der That gegeben ist, ist hier für die "2" leider nicht gegeben. Bis zur
5 hinauf lieferte die Hand nur einzelne Finger, deren jeder einen gegenwärtigen
oder gedachten Gegenstand mit einer Geberde veranschaulichen konnte, lieferte
aber nicht das Vorbild einer Einheit aus zwei Fingern, das sich etwa beim Tasten
von selbst dargeboten hätte.

Sollten denn nicht das einfachste "Vorbild" einer natürlichen Einheit für "2"
die paarigen Organe gewesen sein? Gewiss, sobald man zählen konnte, und dann
ohne Mühe. Schon ehe er zählte, muss sich dem Menschen die Beobachtung
aufgedrängt haben, dass Auge und Auge, Flügel und Flügel gleiches Aussehen
hatten, aber diese Beobachtung erzeugt doch nicht die Geberde, dass er hinter
"augen" Fingern eine Grenze absteckte und die Abstraktion auf beliebige Dinge
machte. Er verglich nur Auge mit Auge, Flügel mit Flügel und hatte keine
Veranlassung, auch nur die beiden Augen mit den beiden Flügeln oder Armen
zu vergleichen, geschweige in der längeren Reihe von Fingern, Pfeilen, Fischen,
die ihm begegneten, bei passenden Gelegenheiten eine vergleichende Bestimmung
nach "Augen" oder "Flügeln" zu machen, es sei denn, er erklärte: "jetzt will ich
zählen". Es ist auch immer zu betonen, dass der Eingeborene den Finger be-
tastet, wenn er zählt. Dass er ursprünglich ein Augen- oder Flügelpaar befühlend
und die Empfindung auf die Finger übertragend die erste "2" konzipiert habe,
wird selbst von dem wildesten Symboljäger nicht phantasiert werden.

Ebenso wenig hätte er die "1" als erste Zahlvorstellung von "Nase" oder
"Mund" zu abstrahieren vermocht, während er sie danach benennen konnte, wenn
er die Abstraktion schon besass. Ob er aber auch den Finger an die Nase oder
die Nase an den Finger legte, es hätte ihn, wie bereits erörtert, in der Zählkunst
nicht gefördert, denn mit solchen 1, 1, 1, 1, die ohne die "2" nicht besser ge-
wesen wären als das Demonstrativum "mera" der Bakairi, wäre er niemals auf
die erste Summe gekommen. Seine "1" können immer nur ein unbestimmtes
"Viel" zusammengesetzt haben.

Ist es nun nicht zu verstehen, wie der zahlenlose Mensch aus 1 + 1: die "2"
gemacht hat, so wäre die Lösung des Problems vielleicht die, dass er sie aus einem
Einzigen gemacht hat?

Der Bakairi zählt sowohl in der Finger- wie in der Wortsprache nach fol-
gendem Schema:
|, ||, || |, || ||, || || |, || || || und zwar: | tokale, || ahage.

Obgleich er ein besonderes Wort für "3" besitzt, wendet er es doch nur in
beschränktem Umfang an. Die "2" kann ihr ursprüngliches Uebergewicht nicht
verleugnen und hat nicht einmal die Bildung von einem "ahewao ahewao" = "6"
geduldet. Die Gegenstände, die gezählt werden, werden in Paare eingeteilt. Bei
der "3" und der "5" bildet er nicht | || "tokale ahage" und | || || "tokale ahage
ahage
", sondern || | "ahage tokale und || || | "ahage ahage tokale", Es sieht

war zunächst kein Vorbild, sie war eine bestimmte Grenze der praktischen
Zählerfahrung. Eine natürliche Abgrenzung aber, wie sie an der Hand für die »5«
in der That gegeben ist, ist hier für die »2« leider nicht gegeben. Bis zur
5 hinauf lieferte die Hand nur einzelne Finger, deren jeder einen gegenwärtigen
oder gedachten Gegenstand mit einer Geberde veranschaulichen konnte, lieferte
aber nicht das Vorbild einer Einheit aus zwei Fingern, das sich etwa beim Tasten
von selbst dargeboten hätte.

Sollten denn nicht das einfachste »Vorbild« einer natürlichen Einheit für »2«
die paarigen Organe gewesen sein? Gewiss, sobald man zählen konnte, und dann
ohne Mühe. Schon ehe er zählte, muss sich dem Menschen die Beobachtung
aufgedrängt haben, dass Auge und Auge, Flügel und Flügel gleiches Aussehen
hatten, aber diese Beobachtung erzeugt doch nicht die Geberde, dass er hinter
»augen« Fingern eine Grenze absteckte und die Abstraktion auf beliebige Dinge
machte. Er verglich nur Auge mit Auge, Flügel mit Flügel und hatte keine
Veranlassung, auch nur die beiden Augen mit den beiden Flügeln oder Armen
zu vergleichen, geschweige in der längeren Reihe von Fingern, Pfeilen, Fischen,
die ihm begegneten, bei passenden Gelegenheiten eine vergleichende Bestimmung
nach »Augen« oder »Flügeln« zu machen, es sei denn, er erklärte: »jetzt will ich
zählen«. Es ist auch immer zu betonen, dass der Eingeborene den Finger be-
tastet, wenn er zählt. Dass er ursprünglich ein Augen- oder Flügelpaar befühlend
und die Empfindung auf die Finger übertragend die erste »2« konzipiert habe,
wird selbst von dem wildesten Symboljäger nicht phantasiert werden.

Ebenso wenig hätte er die »1« als erste Zahlvorstellung von »Nase« oder
»Mund« zu abstrahieren vermocht, während er sie danach benennen konnte, wenn
er die Abstraktion schon besass. Ob er aber auch den Finger an die Nase oder
die Nase an den Finger legte, es hätte ihn, wie bereits erörtert, in der Zählkunst
nicht gefördert, denn mit solchen 1, 1, 1, 1, die ohne die »2« nicht besser ge-
wesen wären als das Demonstrativum „méra“ der Bakaïrí, wäre er niemals auf
die erste Summe gekommen. Seine »1« können immer nur ein unbestimmtes
»Viel« zusammengesetzt haben.

Ist es nun nicht zu verstehen, wie der zahlenlose Mensch aus 1 + 1: die »2«
gemacht hat, so wäre die Lösung des Problems vielleicht die, dass er sie aus einem
Einzigen gemacht hat?

Der Bakaïrí zählt sowohl in der Finger- wie in der Wortsprache nach fol-
gendem Schema:
|, ||, || |, || ||, || || |, || || || und zwar: | tokále, || aháge.

Obgleich er ein besonderes Wort für »3« besitzt, wendet er es doch nur in
beschränktem Umfang an. Die »2« kann ihr ursprüngliches Uebergewicht nicht
verleugnen und hat nicht einmal die Bildung von einem „ahewáo ahewáo“ = »6«
geduldet. Die Gegenstände, die gezählt werden, werden in Paare eingeteilt. Bei
der »3« und der »5« bildet er nicht | || „tokále aháge“ und | || || „tokále aháge
aháge
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[412/0476] war zunächst kein Vorbild, sie war eine bestimmte Grenze der praktischen Zählerfahrung. Eine natürliche Abgrenzung aber, wie sie an der Hand für die »5« in der That gegeben ist, ist hier für die »2« leider nicht gegeben. Bis zur 5 hinauf lieferte die Hand nur einzelne Finger, deren jeder einen gegenwärtigen oder gedachten Gegenstand mit einer Geberde veranschaulichen konnte, lieferte aber nicht das Vorbild einer Einheit aus zwei Fingern, das sich etwa beim Tasten von selbst dargeboten hätte. Sollten denn nicht das einfachste »Vorbild« einer natürlichen Einheit für »2« die paarigen Organe gewesen sein? Gewiss, sobald man zählen konnte, und dann ohne Mühe. Schon ehe er zählte, muss sich dem Menschen die Beobachtung aufgedrängt haben, dass Auge und Auge, Flügel und Flügel gleiches Aussehen hatten, aber diese Beobachtung erzeugt doch nicht die Geberde, dass er hinter »augen« Fingern eine Grenze absteckte und die Abstraktion auf beliebige Dinge machte. Er verglich nur Auge mit Auge, Flügel mit Flügel und hatte keine Veranlassung, auch nur die beiden Augen mit den beiden Flügeln oder Armen zu vergleichen, geschweige in der längeren Reihe von Fingern, Pfeilen, Fischen, die ihm begegneten, bei passenden Gelegenheiten eine vergleichende Bestimmung nach »Augen« oder »Flügeln« zu machen, es sei denn, er erklärte: »jetzt will ich zählen«. Es ist auch immer zu betonen, dass der Eingeborene den Finger be- tastet, wenn er zählt. Dass er ursprünglich ein Augen- oder Flügelpaar befühlend und die Empfindung auf die Finger übertragend die erste »2« konzipiert habe, wird selbst von dem wildesten Symboljäger nicht phantasiert werden. Ebenso wenig hätte er die »1« als erste Zahlvorstellung von »Nase« oder »Mund« zu abstrahieren vermocht, während er sie danach benennen konnte, wenn er die Abstraktion schon besass. Ob er aber auch den Finger an die Nase oder die Nase an den Finger legte, es hätte ihn, wie bereits erörtert, in der Zählkunst nicht gefördert, denn mit solchen 1, 1, 1, 1, die ohne die »2« nicht besser ge- wesen wären als das Demonstrativum „méra“ der Bakaïrí, wäre er niemals auf die erste Summe gekommen. Seine »1« können immer nur ein unbestimmtes »Viel« zusammengesetzt haben. Ist es nun nicht zu verstehen, wie der zahlenlose Mensch aus 1 + 1: die »2« gemacht hat, so wäre die Lösung des Problems vielleicht die, dass er sie aus einem Einzigen gemacht hat? Der Bakaïrí zählt sowohl in der Finger- wie in der Wortsprache nach fol- gendem Schema: |, ||, || |, || ||, || || |, || || || und zwar: | tokále, || aháge. Obgleich er ein besonderes Wort für »3« besitzt, wendet er es doch nur in beschränktem Umfang an. Die »2« kann ihr ursprüngliches Uebergewicht nicht verleugnen und hat nicht einmal die Bildung von einem „ahewáo ahewáo“ = »6« geduldet. Die Gegenstände, die gezählt werden, werden in Paare eingeteilt. Bei der »3« und der »5« bildet er nicht | || „tokále aháge“ und | || || „tokále aháge aháge“, sondern || | „aháge tokále und || || | „aháge aháge tokále“, Es sieht

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/476>, abgerufen am 25.11.2024.