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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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keine zwei Jahrhunderte. Da darf man es den Bakairi wirklich nicht übel
nehmen, wenn sie uns den Stamm, der ihnen Tabak und Baumwolle gab, nicht
mehr nennen können und sich auf den im Norden lebenden Wickelbär berufen.
Allein, dass diese Erzeugnisse von Norden gekommen sind, ist bei dem Ueber-
blick über die Verhältnisse, den wir nun haben, von allergrösstem Interesse.

Nur zweierlei ist möglich. Entweder man fertigt die Wickelbärsage als
Ammenmärchen ab, dann ist die Angelegenheit erledigt. Ich vermag mich nicht
dazu zu entschliessen, weil ich nicht begreife, mit welchem Recht man eine be-
stimmte, in Nichts unwahrscheinliche und mit den pflanzengeographischen For-
derungen wohl übereinstimmende Angabe zurückweisen könnte. Das Unwahr-
scheinliche liegt nur für uns in der Person des Wickelbären, allein sie ist doch
gerade auch eine Gewähr für die Richtigkeit, da sich die Tradition eben mit der
Beziehung auf ein auch schon vor vielen Jahrhunderten an der Nordgrenze des
Bakairi-Gebiets lebendes Tier wirklich erhalten konnte. Dass wir uns keinen
Tabak rauchenden Wickelbären vorzustellen im Stande sind, dafür können die
Bakairi nichts.

Ich glaube also wie Antonio an den Wickelbären, von dem Tabak und
Baumwolle stammt, und sehe mich dann nur der zweiten Möglichkeit gegenüber,
dass die Urheimat der Karaiben im Süden des Wickelbärreviers liegt.
Denn das Grundvolk besass bereits Tabak und Baumwolle.

Ich lege sogar auf diesen Beweis viel mehr Wert als auf die Tradition, dass
in alten Zeiten Bakairi -- man weiss nicht wohin -- ausgewandert sind. Ich
bezweifele keineswegs ihre Richtigkeit, ich halte es auch für möglich, dass aus
solchen früheren Bakairi der eine oder andere Karaibenstamm hervorgegangen
sei, den wir heute im Norden finden, aber unbestimmt bewiesen würde dadurch
nur, was garnicht bewiesen zu werden braucht. Es ist wohl, auch wenn
keine Tradition davon berichtete, nicht anders denkbar, als dass sich von jedem
Stamm während der Jahrhunderte, zumal bei einem Stamm, der wie die Bakairi
vom Fischfang lebt, kleinere oder grössere Gruppen in andere Gebiete dem Lauf
der Flüsse entlang entfernt haben und dann auch durch Berührung mit neuen
Stämmen körperlicher und sprachlicher Differenzierung entgegengegangen sind.
Es braucht ebenso wenig bewiesen zu werden -- wie es durch die Nu-Aruak-
keri und -kame in der That bewiesen wird -- dass die Bakairi im Lauf der Jahr-
hunderte von ihren Nachbarn, mit denen sie sich vermischten, beeinflusst wurden.
Ich wiederhole, die Bakairi sind keine Urkaraiben, sie werden es leider nicht
einmal, da ihr Todesurteil schon besiegelt ist, für Nachkommen späterer Jahr-
hunderte werden.

Ich resümiere. Von jeher hat das Postulat bestanden, dass die Karaiben
im Norden des Amazonas von auswärts in ihre Sitze gelangt seien. Man ist
dahin gedrängt worden, dass die Einwanderung nur von Süden her erfolgt sein
könne. Die Bakairi oder Nahuqua, die man hätte erfinden müssen, wenn sie
nicht vorhanden gewesen wären, sie sind in ansehnlicher Zahl nachgewiesen und

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keine zwei Jahrhunderte. Da darf man es den Bakaïrí wirklich nicht übel
nehmen, wenn sie uns den Stamm, der ihnen Tabak und Baumwolle gab, nicht
mehr nennen können und sich auf den im Norden lebenden Wickelbär berufen.
Allein, dass diese Erzeugnisse von Norden gekommen sind, ist bei dem Ueber-
blick über die Verhältnisse, den wir nun haben, von allergrösstem Interesse.

Nur zweierlei ist möglich. Entweder man fertigt die Wickelbärsage als
Ammenmärchen ab, dann ist die Angelegenheit erledigt. Ich vermag mich nicht
dazu zu entschliessen, weil ich nicht begreife, mit welchem Recht man eine be-
stimmte, in Nichts unwahrscheinliche und mit den pflanzengeographischen For-
derungen wohl übereinstimmende Angabe zurückweisen könnte. Das Unwahr-
scheinliche liegt nur für uns in der Person des Wickelbären, allein sie ist doch
gerade auch eine Gewähr für die Richtigkeit, da sich die Tradition eben mit der
Beziehung auf ein auch schon vor vielen Jahrhunderten an der Nordgrenze des
Bakaïrí-Gebiets lebendes Tier wirklich erhalten konnte. Dass wir uns keinen
Tabak rauchenden Wickelbären vorzustellen im Stande sind, dafür können die
Bakaïrí nichts.

Ich glaube also wie Antonio an den Wickelbären, von dem Tabak und
Baumwolle stammt, und sehe mich dann nur der zweiten Möglichkeit gegenüber,
dass die Urheimat der Karaiben im Süden des Wickelbärreviers liegt.
Denn das Grundvolk besass bereits Tabak und Baumwolle.

Ich lege sogar auf diesen Beweis viel mehr Wert als auf die Tradition, dass
in alten Zeiten Bakaïrí — man weiss nicht wohin — ausgewandert sind. Ich
bezweifele keineswegs ihre Richtigkeit, ich halte es auch für möglich, dass aus
solchen früheren Bakaïrí der eine oder andere Karaibenstamm hervorgegangen
sei, den wir heute im Norden finden, aber unbestimmt bewiesen würde dadurch
nur, was garnicht bewiesen zu werden braucht. Es ist wohl, auch wenn
keine Tradition davon berichtete, nicht anders denkbar, als dass sich von jedem
Stamm während der Jahrhunderte, zumal bei einem Stamm, der wie die Bakaïrí
vom Fischfang lebt, kleinere oder grössere Gruppen in andere Gebiete dem Lauf
der Flüsse entlang entfernt haben und dann auch durch Berührung mit neuen
Stämmen körperlicher und sprachlicher Differenzierung entgegengegangen sind.
Es braucht ebenso wenig bewiesen zu werden — wie es durch die Nu-Aruak-
keri und -kame in der That bewiesen wird — dass die Bakaïrí im Lauf der Jahr-
hunderte von ihren Nachbarn, mit denen sie sich vermischten, beeinflusst wurden.
Ich wiederhole, die Bakaïrí sind keine Urkaraiben, sie werden es leider nicht
einmal, da ihr Todesurteil schon besiegelt ist, für Nachkommen späterer Jahr-
hunderte werden.

Ich resümiere. Von jeher hat das Postulat bestanden, dass die Karaiben
im Norden des Amazonas von auswärts in ihre Sitze gelangt seien. Man ist
dahin gedrängt worden, dass die Einwanderung nur von Süden her erfolgt sein
könne. Die Bakaïrí oder Nahuquá, die man hätte erfinden müssen, wenn sie
nicht vorhanden gewesen wären, sie sind in ansehnlicher Zahl nachgewiesen und

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[403/0467] keine zwei Jahrhunderte. Da darf man es den Bakaïrí wirklich nicht übel nehmen, wenn sie uns den Stamm, der ihnen Tabak und Baumwolle gab, nicht mehr nennen können und sich auf den im Norden lebenden Wickelbär berufen. Allein, dass diese Erzeugnisse von Norden gekommen sind, ist bei dem Ueber- blick über die Verhältnisse, den wir nun haben, von allergrösstem Interesse. Nur zweierlei ist möglich. Entweder man fertigt die Wickelbärsage als Ammenmärchen ab, dann ist die Angelegenheit erledigt. Ich vermag mich nicht dazu zu entschliessen, weil ich nicht begreife, mit welchem Recht man eine be- stimmte, in Nichts unwahrscheinliche und mit den pflanzengeographischen For- derungen wohl übereinstimmende Angabe zurückweisen könnte. Das Unwahr- scheinliche liegt nur für uns in der Person des Wickelbären, allein sie ist doch gerade auch eine Gewähr für die Richtigkeit, da sich die Tradition eben mit der Beziehung auf ein auch schon vor vielen Jahrhunderten an der Nordgrenze des Bakaïrí-Gebiets lebendes Tier wirklich erhalten konnte. Dass wir uns keinen Tabak rauchenden Wickelbären vorzustellen im Stande sind, dafür können die Bakaïrí nichts. Ich glaube also wie Antonio an den Wickelbären, von dem Tabak und Baumwolle stammt, und sehe mich dann nur der zweiten Möglichkeit gegenüber, dass die Urheimat der Karaiben im Süden des Wickelbärreviers liegt. Denn das Grundvolk besass bereits Tabak und Baumwolle. Ich lege sogar auf diesen Beweis viel mehr Wert als auf die Tradition, dass in alten Zeiten Bakaïrí — man weiss nicht wohin — ausgewandert sind. Ich bezweifele keineswegs ihre Richtigkeit, ich halte es auch für möglich, dass aus solchen früheren Bakaïrí der eine oder andere Karaibenstamm hervorgegangen sei, den wir heute im Norden finden, aber unbestimmt bewiesen würde dadurch nur, was garnicht bewiesen zu werden braucht. Es ist wohl, auch wenn keine Tradition davon berichtete, nicht anders denkbar, als dass sich von jedem Stamm während der Jahrhunderte, zumal bei einem Stamm, der wie die Bakaïrí vom Fischfang lebt, kleinere oder grössere Gruppen in andere Gebiete dem Lauf der Flüsse entlang entfernt haben und dann auch durch Berührung mit neuen Stämmen körperlicher und sprachlicher Differenzierung entgegengegangen sind. Es braucht ebenso wenig bewiesen zu werden — wie es durch die Nu-Aruak- keri und -kame in der That bewiesen wird — dass die Bakaïrí im Lauf der Jahr- hunderte von ihren Nachbarn, mit denen sie sich vermischten, beeinflusst wurden. Ich wiederhole, die Bakaïrí sind keine Urkaraiben, sie werden es leider nicht einmal, da ihr Todesurteil schon besiegelt ist, für Nachkommen späterer Jahr- hunderte werden. Ich resümiere. Von jeher hat das Postulat bestanden, dass die Karaiben im Norden des Amazonas von auswärts in ihre Sitze gelangt seien. Man ist dahin gedrängt worden, dass die Einwanderung nur von Süden her erfolgt sein könne. Die Bakaïrí oder Nahuquá, die man hätte erfinden müssen, wenn sie nicht vorhanden gewesen wären, sie sind in ansehnlicher Zahl nachgewiesen und 26*

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/467>, abgerufen am 22.11.2024.