Abschied von Keri und Kame. Keri und Kame verlassen wieder den Salto und Keri setzt als Häuptling über die dort bleibenden Bakairi den Arimoto ein. Arimoto war auch am Salto geboren. Dieser Hänptling aber missbrauchte seine Stellung und tötete viele Bakairi. "War er denn nicht selbst ein Bakairi?", fragte ich. "Wahrscheinlich, aber er war ein niederträchtiger Bösewicht. Wenn er gut gewesen wäre, so wären seine Nachkommen noch heute Häuptlinge der Bakairi." Keri und Kame waren diesesmal zum Kulisehu gegangen. Die Bakairi folgten ihm in ihrer Not und klagten über Arimoto. Sofort kehrten Keri und Kame zurück und töteten den Ungetreuen, der sich heftig wehrte und seinerseits Keri zu töten suchte.
Hiermit sind wir am Ende der Thätigkeit von Keri und Kame, soweit sie die Hauptlegende berichtet. Sie liessen den Bakairi reichlich Matrinchams zurück, stiegen auf einen Hügel, von dem aus sie noch einmal zu den lebhaft antwortenden Bakairi hinunterriefen und "gingen dahin auf dem Wege. Wohin sie dort gingen, weiss Keiner. Die Vorfahren wussten nicht, wohin sie gegangen. Heute weiss man erst recht nicht, wo sie sind."
Obgleich indessen die Legende so schwermütig ausklingt, hatten die Leute ihre eigene Ansichten. Tumehi -- um diese alte Fledermaus nicht zu vergessen -- ist mit Keri weggegangen. Was ist aus Kame geworden? "Er war immer mit Keri zusammen. Vielleicht ist er jetzt tot." Und Keri? Der göttliche Greis Caetano, der sich mit den neuen Verhältnissen vortrefflich abzufinden verstand, erklärte, Keri sei der Imperador in Rio de Janeiro, der Kaiser Pedro Segundo. Die guten Bakaeiri antworteten geduldig auf alle meine unzähligen Fragen, weil ich ihnen gesagt hatte, ich müsse das Alles wissen, um es dem Imperador zu be- richten. Daran war ihnen viel gelegen. Ich machte den Einwurf, "wenn nun der Imperador in Rio de Janeiro stirbt?" "Wenn der Imperador stirbt", lautete die Antwort, deren Richtigkeit inzwischen leider widerlegt sein muss, "so sterben auch alle Bakairi."
Der Häuptling Felipe machte mir eine andere Angabe. "Keri ist mit hundert Mann zum Ronuro und Kulisehu gegangen. Er ist den Fluss abwärts gefahren bis zum Meer. So erzählen auch die Leute am Batovy!"
Antonio hielt sich an den Text der Sage, wie er ihn von seiner Mutter gelernt habe. Allein in anderm Zusammenhang gab er an, Keri wohne im Himmel, sein Haus sei dort, wo die Sonne aufgehe. "Ist Keri denn ,Gott' (Deus), von dem Euch die Portugiesen gesprochen haben?" "Nein, das ist ein Anderer, von dem wir Nichts wissen. Keri ist der Grossvater der Bakairi."
Tabak und Baumwolle. Ausserhalb der zusammenhängenden Legende, deren Inhalt ich bis hierher erzählt habe, wurden gelegentlich noch andere Leistungen von Keri mitgeteilt. So hat er dem Sawari den Tabak, mit dem man Leute kuriert, weggenommen. Sawari wollte ihn nicht hergeben, es sei sehr guter Tabak. Keri aber nahm den Samen weg und gab ihn den Bakairi. Wenn man eine Zigarre von diesem Tabak macht und Leute anbläst, so sterben sie;
Abschied von Keri und Kame. Keri und Kame verlassen wieder den Salto und Keri setzt als Häuptling über die dort bleibenden Bakaïrí den Arimoto ein. Arimoto war auch am Salto geboren. Dieser Hänptling aber missbrauchte seine Stellung und tötete viele Bakaïrí. »War er denn nicht selbst ein Bakaïrí?«, fragte ich. »Wahrscheinlich, aber er war ein niederträchtiger Bösewicht. Wenn er gut gewesen wäre, so wären seine Nachkommen noch heute Häuptlinge der Bakaïrí.« Keri und Kame waren diesesmal zum Kulisehu gegangen. Die Bakaïrí folgten ihm in ihrer Not und klagten über Arimoto. Sofort kehrten Keri und Kame zurück und töteten den Ungetreuen, der sich heftig wehrte und seinerseits Keri zu töten suchte.
Hiermit sind wir am Ende der Thätigkeit von Keri und Kame, soweit sie die Hauptlegende berichtet. Sie liessen den Bakaïrí reichlich Matrinchams zurück, stiegen auf einen Hügel, von dem aus sie noch einmal zu den lebhaft antwortenden Bakaïrí hinunterriefen und »gingen dahin auf dem Wege. Wohin sie dort gingen, weiss Keiner. Die Vorfahren wussten nicht, wohin sie gegangen. Heute weiss man erst recht nicht, wo sie sind.«
Obgleich indessen die Legende so schwermütig ausklingt, hatten die Leute ihre eigene Ansichten. Tumehi — um diese alte Fledermaus nicht zu vergessen — ist mit Keri weggegangen. Was ist aus Kame geworden? »Er war immer mit Keri zusammen. Vielleicht ist er jetzt tot.« Und Keri? Der göttliche Greis Caetano, der sich mit den neuen Verhältnissen vortrefflich abzufinden verstand, erklärte, Keri sei der Imperador in Rio de Janeiro, der Kaiser Pedro Segundo. Die guten Bakaîrí antworteten geduldig auf alle meine unzähligen Fragen, weil ich ihnen gesagt hatte, ich müsse das Alles wissen, um es dem Imperador zu be- richten. Daran war ihnen viel gelegen. Ich machte den Einwurf, »wenn nun der Imperador in Rio de Janeiro stirbt?« »Wenn der Imperador stirbt«, lautete die Antwort, deren Richtigkeit inzwischen leider widerlegt sein muss, »so sterben auch alle Bakaïrí.«
Der Häuptling Felipe machte mir eine andere Angabe. »Keri ist mit hundert Mann zum Ronuro und Kulisehu gegangen. Er ist den Fluss abwärts gefahren bis zum Meer. So erzählen auch die Leute am Batovy!«
Antonio hielt sich an den Text der Sage, wie er ihn von seiner Mutter gelernt habe. Allein in anderm Zusammenhang gab er an, Keri wohne im Himmel, sein Haus sei dort, wo die Sonne aufgehe. »Ist Keri denn ‚Gott‘ (Deus), von dem Euch die Portugiesen gesprochen haben?« »Nein, das ist ein Anderer, von dem wir Nichts wissen. Keri ist der Grossvater der Bakaïrí.«
Tabak und Baumwolle. Ausserhalb der zusammenhängenden Legende, deren Inhalt ich bis hierher erzählt habe, wurden gelegentlich noch andere Leistungen von Keri mitgeteilt. So hat er dem Sawari den Tabak, mit dem man Leute kuriert, weggenommen. Sawari wollte ihn nicht hergeben, es sei sehr guter Tabak. Keri aber nahm den Samen weg und gab ihn den Bakaïrí. Wenn man eine Zigarre von diesem Tabak macht und Leute anbläst, so sterben sie;
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ein. Arimoto war auch am Salto geboren. Dieser Hänptling aber missbrauchte
seine Stellung und tötete viele Bakaïrí. »War er denn nicht selbst ein Bakaïrí?«,
fragte ich. »Wahrscheinlich, aber er war ein niederträchtiger Bösewicht. Wenn
er gut gewesen wäre, so wären seine Nachkommen noch heute Häuptlinge der
Bakaïrí.« Keri und Kame waren diesesmal zum Kulisehu gegangen. Die Bakaïrí
folgten ihm in ihrer Not und klagten über Arimoto. Sofort kehrten Keri und Kame
zurück und töteten den Ungetreuen, der sich heftig wehrte und seinerseits Keri
zu töten suchte.
Hiermit sind wir am Ende der Thätigkeit von Keri und Kame, soweit sie
die Hauptlegende berichtet. Sie liessen den Bakaïrí reichlich Matrinchams zurück,
stiegen auf einen Hügel, von dem aus sie noch einmal zu den lebhaft antwortenden
Bakaïrí hinunterriefen und »gingen dahin auf dem Wege. Wohin sie dort gingen,
weiss Keiner. Die Vorfahren wussten nicht, wohin sie gegangen. Heute weiss
man erst recht nicht, wo sie sind.«
Obgleich indessen die Legende so schwermütig ausklingt, hatten die Leute
ihre eigene Ansichten. Tumehi — um diese alte Fledermaus nicht zu vergessen —
ist mit Keri weggegangen. Was ist aus Kame geworden? »Er war immer mit
Keri zusammen. Vielleicht ist er jetzt tot.« Und Keri? Der göttliche Greis
Caetano, der sich mit den neuen Verhältnissen vortrefflich abzufinden verstand,
erklärte, Keri sei der Imperador in Rio de Janeiro, der Kaiser Pedro Segundo.
Die guten Bakaîrí antworteten geduldig auf alle meine unzähligen Fragen, weil
ich ihnen gesagt hatte, ich müsse das Alles wissen, um es dem Imperador zu be-
richten. Daran war ihnen viel gelegen. Ich machte den Einwurf, »wenn nun
der Imperador in Rio de Janeiro stirbt?« »Wenn der Imperador stirbt«, lautete
die Antwort, deren Richtigkeit inzwischen leider widerlegt sein muss, »so sterben
auch alle Bakaïrí.«
Der Häuptling Felipe machte mir eine andere Angabe. »Keri ist mit
hundert Mann zum Ronuro und Kulisehu gegangen. Er ist den Fluss abwärts
gefahren bis zum Meer. So erzählen auch die Leute am Batovy!«
Antonio hielt sich an den Text der Sage, wie er ihn von seiner Mutter
gelernt habe. Allein in anderm Zusammenhang gab er an, Keri wohne im Himmel,
sein Haus sei dort, wo die Sonne aufgehe. »Ist Keri denn ‚Gott‘ (Deus), von
dem Euch die Portugiesen gesprochen haben?« »Nein, das ist ein Anderer, von
dem wir Nichts wissen. Keri ist der Grossvater der Bakaïrí.«
Tabak und Baumwolle. Ausserhalb der zusammenhängenden Legende,
deren Inhalt ich bis hierher erzählt habe, wurden gelegentlich noch andere
Leistungen von Keri mitgeteilt. So hat er dem Sawari den Tabak, mit dem
man Leute kuriert, weggenommen. Sawari wollte ihn nicht hergeben, es sei sehr
guter Tabak. Keri aber nahm den Samen weg und gab ihn den Bakaïrí. Wenn
man eine Zigarre von diesem Tabak macht und Leute anbläst, so sterben sie;
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/444>, abgerufen am 22.11.2024.
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