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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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hat als mit der Sonne. So könnte es ja auch geschehen, dass, wenn von zwei
ost-westlich gelagerten Gruppen von Stämmen die eine östliche die der Sonne
genannt wird, die andere die des Mondes genannt würde.

Leider geraten wir aber in unserm Fall mit dem gleichen Schluss in eitel
Verwirrung. Vom Standpunkt der alten westlichen Nu-Aruak, denen der Arinos
der Ost- und Sonnenfluss war, wohnten die Keristämme noch mehr nach Osten
als die Kame-Arinosstämme. Vom Standpunkt der Bakairi wohnten die Kame-
stämme gerade westlich und die Keristämme östlich. Die Bedeutung der
Himmelsrichtungen wäre also vertauscht.

Lassen wir aber die Richtungen vorläufig beiseite und versetzen wir uns
einmal in die Situation, als die Mythen entstanden! Es war ein alter Verkehr
vorhanden, es vollzog sich gelegentlich auch eine engere Vereinigung von Nu-Aruak
und Bakairi. Das muss geschehen sein, wenn die Namen Keri und Kame in das
Bakairi aufgenommen wurden. Die beiden Elemente fühlten sich deshalb brüder-
lich verwandt und führten ihre Geschichte auf zwei Brüder zurück, die in ältester
Zeit zusammen lebten. Die beiden Brüder haben ihren Stämmen Alles Gute ver-
schafft, dessen sie sich heute erfreuen. Bevor sie dies aber auf Erden vollbringen
konnten, müssen sie im Himmel gewohnt haben, der älteren Welt, die wir mit
allen ihren verzauberten Tieren und Dingen erhalten sehen. Dort sind sie geboren
und haben mit den dort sichtbaren Tieren die Geschichten erlebt, die damals
passiert sein müssen, damit es so aussieht, wie es jetzt aussieht. Die Beiden
haben auch die Federbälle Sonne und Mond unter den Topf oder in die Kuye
gelegt, in denen sie jetzt noch immer eine Zeitlang verdeckt sind. Sie haben
dafür gesorgt, dass Tag und Nacht richtig abwechseln, damit wir immer regel-
mässig unsere Schlafenszeit bekommen. Wenn die beiden das nicht gemacht
hätten, wären wir übel daran; vorher ist es sicher nicht so regelmässig hergegangen,
da waren die beiden Bälle noch ein einziger, ein grosser roter Vogel flog damit
in allen möglichen Gegenden herum und nur, wo er gerade hinkam, wurde es hell.
Dann haben sie die Federn aber für uns weggenommen, haben sie untereinander
verteilt und haben den ordentlichen Dienst eingerichtet, der jetzt Tag für Tag
und Nacht um Nacht mit Sonne und Mond so genau abläuft, dass wir in der
Nacht unsere Ruhe haben und uns am Tage überall sicher zurechtfinden. Deshalb
nennen wir den einen Ball auch heute "Sonne" und len andern
"Mond", wie sie selber hiessen
.

Vielleicht stutzt der freundliche Leser, da er erwartete, ich werde sagen:
deshalb wurden sie auch selber "Sonne" und "Mond" genannt. Mag sein, dass
die Beiden nach Sonne und Mond genannt wurden, wie Rotkäppchen nach seiner
roten Kappe. Ich weiss es nicht. Allein ich kann mir nur schwer vorstellen,
dass die alten Indianer so gedacht haben, ich würde dann immer auf eine be-
wusste Namenstaufe stossen, wie sie für Kinder stattfindet, wie z. B. etwa ein Ein-
geborener, dem Zwillinge geboren werden, sie "Sonne" und "Mond" nennen
könnte. Wenn er uns aber die Herkunft von Dingen erklärt, so erzählt er

hat als mit der Sonne. So könnte es ja auch geschehen, dass, wenn von zwei
ost-westlich gelagerten Gruppen von Stämmen die eine östliche die der Sonne
genannt wird, die andere die des Mondes genannt würde.

Leider geraten wir aber in unserm Fall mit dem gleichen Schluss in eitel
Verwirrung. Vom Standpunkt der alten westlichen Nu-Aruak, denen der Arinos
der Ost- und Sonnenfluss war, wohnten die Keristämme noch mehr nach Osten
als die Kame-Arinosstämme. Vom Standpunkt der Bakaïrí wohnten die Kame-
stämme gerade westlich und die Keristämme östlich. Die Bedeutung der
Himmelsrichtungen wäre also vertauscht.

Lassen wir aber die Richtungen vorläufig beiseite und versetzen wir uns
einmal in die Situation, als die Mythen entstanden! Es war ein alter Verkehr
vorhanden, es vollzog sich gelegentlich auch eine engere Vereinigung von Nu-Aruak
und Bakaïrí. Das muss geschehen sein, wenn die Namen Keri und Kame in das
Bakaïrí aufgenommen wurden. Die beiden Elemente fühlten sich deshalb brüder-
lich verwandt und führten ihre Geschichte auf zwei Brüder zurück, die in ältester
Zeit zusammen lebten. Die beiden Brüder haben ihren Stämmen Alles Gute ver-
schafft, dessen sie sich heute erfreuen. Bevor sie dies aber auf Erden vollbringen
konnten, müssen sie im Himmel gewohnt haben, der älteren Welt, die wir mit
allen ihren verzauberten Tieren und Dingen erhalten sehen. Dort sind sie geboren
und haben mit den dort sichtbaren Tieren die Geschichten erlebt, die damals
passiert sein müssen, damit es so aussieht, wie es jetzt aussieht. Die Beiden
haben auch die Federbälle Sonne und Mond unter den Topf oder in die Kuye
gelegt, in denen sie jetzt noch immer eine Zeitlang verdeckt sind. Sie haben
dafür gesorgt, dass Tag und Nacht richtig abwechseln, damit wir immer regel-
mässig unsere Schlafenszeit bekommen. Wenn die beiden das nicht gemacht
hätten, wären wir übel daran; vorher ist es sicher nicht so regelmässig hergegangen,
da waren die beiden Bälle noch ein einziger, ein grosser roter Vogel flog damit
in allen möglichen Gegenden herum und nur, wo er gerade hinkam, wurde es hell.
Dann haben sie die Federn aber für uns weggenommen, haben sie untereinander
verteilt und haben den ordentlichen Dienst eingerichtet, der jetzt Tag für Tag
und Nacht um Nacht mit Sonne und Mond so genau abläuft, dass wir in der
Nacht unsere Ruhe haben und uns am Tage überall sicher zurechtfinden. Deshalb
nennen wir den einen Ball auch heute »Sonne« und len andern
»Mond«, wie sie selber hiessen
.

Vielleicht stutzt der freundliche Leser, da er erwartete, ich werde sagen:
deshalb wurden sie auch selber »Sonne« und »Mond« genannt. Mag sein, dass
die Beiden nach Sonne und Mond genannt wurden, wie Rotkäppchen nach seiner
roten Kappe. Ich weiss es nicht. Allein ich kann mir nur schwer vorstellen,
dass die alten Indianer so gedacht haben, ich würde dann immer auf eine be-
wusste Namenstaufe stossen, wie sie für Kinder stattfindet, wie z. B. etwa ein Ein-
geborener, dem Zwillinge geboren werden, sie »Sonne« und »Mond« nennen
könnte. Wenn er uns aber die Herkunft von Dingen erklärt, so erzählt er

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[368/0432] hat als mit der Sonne. So könnte es ja auch geschehen, dass, wenn von zwei ost-westlich gelagerten Gruppen von Stämmen die eine östliche die der Sonne genannt wird, die andere die des Mondes genannt würde. Leider geraten wir aber in unserm Fall mit dem gleichen Schluss in eitel Verwirrung. Vom Standpunkt der alten westlichen Nu-Aruak, denen der Arinos der Ost- und Sonnenfluss war, wohnten die Keristämme noch mehr nach Osten als die Kame-Arinosstämme. Vom Standpunkt der Bakaïrí wohnten die Kame- stämme gerade westlich und die Keristämme östlich. Die Bedeutung der Himmelsrichtungen wäre also vertauscht. Lassen wir aber die Richtungen vorläufig beiseite und versetzen wir uns einmal in die Situation, als die Mythen entstanden! Es war ein alter Verkehr vorhanden, es vollzog sich gelegentlich auch eine engere Vereinigung von Nu-Aruak und Bakaïrí. Das muss geschehen sein, wenn die Namen Keri und Kame in das Bakaïrí aufgenommen wurden. Die beiden Elemente fühlten sich deshalb brüder- lich verwandt und führten ihre Geschichte auf zwei Brüder zurück, die in ältester Zeit zusammen lebten. Die beiden Brüder haben ihren Stämmen Alles Gute ver- schafft, dessen sie sich heute erfreuen. Bevor sie dies aber auf Erden vollbringen konnten, müssen sie im Himmel gewohnt haben, der älteren Welt, die wir mit allen ihren verzauberten Tieren und Dingen erhalten sehen. Dort sind sie geboren und haben mit den dort sichtbaren Tieren die Geschichten erlebt, die damals passiert sein müssen, damit es so aussieht, wie es jetzt aussieht. Die Beiden haben auch die Federbälle Sonne und Mond unter den Topf oder in die Kuye gelegt, in denen sie jetzt noch immer eine Zeitlang verdeckt sind. Sie haben dafür gesorgt, dass Tag und Nacht richtig abwechseln, damit wir immer regel- mässig unsere Schlafenszeit bekommen. Wenn die beiden das nicht gemacht hätten, wären wir übel daran; vorher ist es sicher nicht so regelmässig hergegangen, da waren die beiden Bälle noch ein einziger, ein grosser roter Vogel flog damit in allen möglichen Gegenden herum und nur, wo er gerade hinkam, wurde es hell. Dann haben sie die Federn aber für uns weggenommen, haben sie untereinander verteilt und haben den ordentlichen Dienst eingerichtet, der jetzt Tag für Tag und Nacht um Nacht mit Sonne und Mond so genau abläuft, dass wir in der Nacht unsere Ruhe haben und uns am Tage überall sicher zurechtfinden. Deshalb nennen wir den einen Ball auch heute »Sonne« und len andern »Mond«, wie sie selber hiessen. Vielleicht stutzt der freundliche Leser, da er erwartete, ich werde sagen: deshalb wurden sie auch selber »Sonne« und »Mond« genannt. Mag sein, dass die Beiden nach Sonne und Mond genannt wurden, wie Rotkäppchen nach seiner roten Kappe. Ich weiss es nicht. Allein ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die alten Indianer so gedacht haben, ich würde dann immer auf eine be- wusste Namenstaufe stossen, wie sie für Kinder stattfindet, wie z. B. etwa ein Ein- geborener, dem Zwillinge geboren werden, sie »Sonne« und »Mond« nennen könnte. Wenn er uns aber die Herkunft von Dingen erklärt, so erzählt er

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/432>, abgerufen am 25.11.2024.