Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

Spitzenstück auf freiem Rand abgesetzt ist. Figur 2, 3 und 4 sind also stilisierte
Grabwespen; sie wären ebenso wenig als solche noch zu erkennen wie die Pferde-
köpfe auf manchen Giebeln der pommerschen Bauernhäuser, wenn man ihre Ge-

[Abbildung]
[Abbildung] [Abbildung]
[Abbildung] [Abbildung]
[Abbildung] Abb. 77.

Grabwespen-Motiv der Mandiokahölzer. Mehinaku. ( 3/5 nat. Gr.)

schichte nicht besässe, und würden ohne diese gewiss für rein ornamental gehalten.
In unserm Fall ist das Motiv wirklich motiviert; die Indianer machten mir lachend
vor, dass sie selbst den Boden aufreissen, wie die
Grabwespe wühlt und den Sand emporwirft. Die
Mehinaku nannten sie kukui, die Bakairi koingkoing.

Die halbmondförmigen Beijuwender, die
auf beiden Seiten bemalt zu werden pflegen, er-
hielten bei den Mehinaku einen in Tiergestalt
geschnitzten Griff. Die Scheibe des Beijuwenders
galt meist als Vogelkörper, der sich in einem langen
Hals mit Kopf fortsetzte. In der Abbildung 78
ist der Kopf eines Löffelreihers, Platalea Ajaja,
dargestellt. Daneben befindet sich eine Schlange
mit dem bekannten Zickzack, diesmal in Holz.
Die Beijuwender sind meist 12 oder 13 cm breit,
und mit dem Griff 30--35 cm lang. Das grösste
Stück der Sammlung, eine Scheibe ohne Griff, ist
43 cm lang und 191/2 cm breit. Bei den Mehinaku,
den Mehlleuten des Kulisehu, fanden wir auch ein
Unikum von Beijuwender, der eher eine Keule zu
sein schien. Diese Kuchenangriffswaffe war ein
schmales, 86 cm langes, 11 cm breites Brett, dessen
beide Seiten wellenförmig ausgezackt waren.

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 78.

Beijuwender und
Mandiokaholz. Mehinaku
.
( nat. Gr.)

Die Kämme waren bei den Mehinaku und Nahuqua durch Schnitzerei ver-
ziert. Harte Holzstäbchen bilden die Zinken, sind in ihrem mittleren Teil an-
einandergeflochten und zwar häufig mit hübschem Rautenmuster, und werden
oberhalb wie unterhalb des Geflechts noch durch ein Paar querer Bambusleisten

Spitzenstück auf freiem Rand abgesetzt ist. Figur 2, 3 und 4 sind also stilisierte
Grabwespen; sie wären ebenso wenig als solche noch zu erkennen wie die Pferde-
köpfe auf manchen Giebeln der pommerschen Bauernhäuser, wenn man ihre Ge-

[Abbildung]
[Abbildung] [Abbildung]
[Abbildung] [Abbildung]
[Abbildung] Abb. 77.

Grabwespen-Motiv der Mandiokahölzer. Mehinakú. (⅗ nat. Gr.)

schichte nicht besässe, und würden ohne diese gewiss für rein ornamental gehalten.
In unserm Fall ist das Motiv wirklich motiviert; die Indianer machten mir lachend
vor, dass sie selbst den Boden aufreissen, wie die
Grabwespe wühlt und den Sand emporwirft. Die
Mehinakú nannten sie kukúi, die Bakaïrí koingkoíng.

Die halbmondförmigen Beijúwender, die
auf beiden Seiten bemalt zu werden pflegen, er-
hielten bei den Mehinakú einen in Tiergestalt
geschnitzten Griff. Die Scheibe des Beijúwenders
galt meist als Vogelkörper, der sich in einem langen
Hals mit Kopf fortsetzte. In der Abbildung 78
ist der Kopf eines Löffelreihers, Platalea Ajaja,
dargestellt. Daneben befindet sich eine Schlange
mit dem bekannten Zickzack, diesmal in Holz.
Die Beijúwender sind meist 12 oder 13 cm breit,
und mit dem Griff 30—35 cm lang. Das grösste
Stück der Sammlung, eine Scheibe ohne Griff, ist
43 cm lang und 19½ cm breit. Bei den Mehinakú,
den Mehlleuten des Kulisehu, fanden wir auch ein
Unikum von Beijúwender, der eher eine Keule zu
sein schien. Diese Kuchenangriffswaffe war ein
schmales, 86 cm langes, 11 cm breites Brett, dessen
beide Seiten wellenförmig ausgezackt waren.

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 78.

Beijúwender und
Mandiokaholz. Mehinakú
.
(⅑ nat. Gr.)

Die Kämme waren bei den Mehinakú und Nahuquá durch Schnitzerei ver-
ziert. Harte Holzstäbchen bilden die Zinken, sind in ihrem mittleren Teil an-
einandergeflochten und zwar häufig mit hübschem Rautenmuster, und werden
oberhalb wie unterhalb des Geflechts noch durch ein Paar querer Bambusleisten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0345" n="285"/>
Spitzenstück auf freiem Rand abgesetzt ist. Figur 2, 3 und 4 sind also stilisierte<lb/>
Grabwespen; sie wären ebenso wenig als solche noch zu erkennen wie die Pferde-<lb/>
köpfe auf manchen Giebeln der pommerschen Bauernhäuser, wenn man ihre Ge-<lb/><figure/> <figure/> <figure/> <figure/> <figure/> <figure><head>Abb. 77. </head><p><hi rendition="#g">Grabwespen-Motiv der Mandiokahölzer. Mehinakú</hi>. (&#x2157; nat. Gr.)</p></figure><lb/>
schichte nicht besässe, und würden ohne diese gewiss für rein ornamental gehalten.<lb/>
In unserm Fall ist das Motiv wirklich motiviert; die Indianer machten mir lachend<lb/>
vor, dass sie selbst den Boden aufreissen, wie die<lb/>
Grabwespe wühlt und den Sand emporwirft. Die<lb/>
Mehinakú nannten sie <hi rendition="#i">kukúi</hi>, die Bakaïrí <hi rendition="#i">koingkoíng</hi>.</p><lb/>
          <p>Die halbmondförmigen <hi rendition="#g">Beijúwender</hi>, die<lb/>
auf beiden Seiten bemalt zu werden pflegen, er-<lb/>
hielten bei den Mehinakú einen in Tiergestalt<lb/>
geschnitzten Griff. Die Scheibe des Beijúwenders<lb/>
galt meist als Vogelkörper, der sich in einem langen<lb/>
Hals mit Kopf fortsetzte. In der Abbildung 78<lb/>
ist der Kopf eines Löffelreihers, Platalea Ajaja,<lb/>
dargestellt. Daneben befindet sich eine Schlange<lb/>
mit dem bekannten Zickzack, diesmal in Holz.<lb/>
Die Beijúwender sind meist 12 oder 13 cm breit,<lb/>
und mit dem Griff 30&#x2014;35 cm lang. Das grösste<lb/>
Stück der Sammlung, eine Scheibe ohne Griff, ist<lb/>
43 cm lang und 19½ cm breit. Bei den Mehinakú,<lb/>
den Mehlleuten des Kulisehu, fanden wir auch ein<lb/>
Unikum von Beijúwender, der eher eine Keule zu<lb/>
sein schien. Diese Kuchenangriffswaffe war ein<lb/>
schmales, 86 cm langes, 11 cm breites Brett, dessen<lb/>
beide Seiten wellenförmig ausgezackt waren.</p><lb/>
          <figure/>
          <figure>
            <head>Abb. 78. </head>
            <p><hi rendition="#g">Beijúwender und<lb/>
Mandiokaholz. Mehinakú</hi>.<lb/>
(&#x2151; nat. Gr.)</p>
          </figure><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Kämme</hi> waren bei den Mehinakú und Nahuquá durch Schnitzerei ver-<lb/>
ziert. Harte Holzstäbchen bilden die Zinken, sind in ihrem mittleren Teil an-<lb/>
einandergeflochten und zwar häufig mit hübschem Rautenmuster, und werden<lb/>
oberhalb wie unterhalb des Geflechts noch durch ein Paar querer Bambusleisten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0345] Spitzenstück auf freiem Rand abgesetzt ist. Figur 2, 3 und 4 sind also stilisierte Grabwespen; sie wären ebenso wenig als solche noch zu erkennen wie die Pferde- köpfe auf manchen Giebeln der pommerschen Bauernhäuser, wenn man ihre Ge- [Abbildung] [Abbildung] [Abbildung] [Abbildung] [Abbildung] [Abbildung Abb. 77. Grabwespen-Motiv der Mandiokahölzer. Mehinakú. (⅗ nat. Gr.)] schichte nicht besässe, und würden ohne diese gewiss für rein ornamental gehalten. In unserm Fall ist das Motiv wirklich motiviert; die Indianer machten mir lachend vor, dass sie selbst den Boden aufreissen, wie die Grabwespe wühlt und den Sand emporwirft. Die Mehinakú nannten sie kukúi, die Bakaïrí koingkoíng. Die halbmondförmigen Beijúwender, die auf beiden Seiten bemalt zu werden pflegen, er- hielten bei den Mehinakú einen in Tiergestalt geschnitzten Griff. Die Scheibe des Beijúwenders galt meist als Vogelkörper, der sich in einem langen Hals mit Kopf fortsetzte. In der Abbildung 78 ist der Kopf eines Löffelreihers, Platalea Ajaja, dargestellt. Daneben befindet sich eine Schlange mit dem bekannten Zickzack, diesmal in Holz. Die Beijúwender sind meist 12 oder 13 cm breit, und mit dem Griff 30—35 cm lang. Das grösste Stück der Sammlung, eine Scheibe ohne Griff, ist 43 cm lang und 19½ cm breit. Bei den Mehinakú, den Mehlleuten des Kulisehu, fanden wir auch ein Unikum von Beijúwender, der eher eine Keule zu sein schien. Diese Kuchenangriffswaffe war ein schmales, 86 cm langes, 11 cm breites Brett, dessen beide Seiten wellenförmig ausgezackt waren. [Abbildung] [Abbildung Abb. 78. Beijúwender und Mandiokaholz. Mehinakú. (⅑ nat. Gr.) ] Die Kämme waren bei den Mehinakú und Nahuquá durch Schnitzerei ver- ziert. Harte Holzstäbchen bilden die Zinken, sind in ihrem mittleren Teil an- einandergeflochten und zwar häufig mit hübschem Rautenmuster, und werden oberhalb wie unterhalb des Geflechts noch durch ein Paar querer Bambusleisten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/345
Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/345>, abgerufen am 25.11.2024.