Erklärung empfiehlt, dass hier ein Zauberer der Auetö den Weltuntergang prophezeit, oder die, dass er eine geheimnisvolle Ursage seines Volkes über die Schöpfung des Firmaments verkündet. In der That ist die niedliche Schmuckscheibe ein rein ornamentales Erzeugnis. Nur sind die Motive nicht ganz so weit hergeholt. Sie werden uns in roherer Ausführung auf den beiden Seiten eines anderen Schmuckwirtels, Abbildung 61, einzeln verständlich überliefert.
Vorher betrachte man sich noch einmal die beiden Wirtel von Abbildung 59, wo das eckig runde Loch von Mereschus umgeben dargestellt ist. Die Schmuck- wirtel enthalten die Bestandteile der Arbeitswirtel nach Auswahl. Auf der grossen Kreuzmusterscheibe war das Loch ausgelassen, in Abbildung 61 bilden neben den Uluris die Lochkreise von 59 das Motiv. Während auf den Arbeitswirteln die Zeichnung erst eingeritzt und mit Farbe verschmiert wurde, hat auf den Schmuck- wirteln bei direktem Aufmalen die Farbe grössere Freiheit; breit werden um das
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Abb. 61.
Schmuckwirtel der Kamayura. Vorder- und Rückseite. ( nat. Gr.)
zentral gemalte Loch die Uluris hingesetzt (Abb. 61) und mit ebenso vielen am Randkreis durch Schnüre verbunden; in die freibleibenden Vielecke werden das eine mal ringsum sechs Lochkreise mit den Bohrlöchern, das andere mal sieben Bohrlöcher eingetragen. Abgesehen von diesen Zusätzen ist die Grundanlage der beiden Schmuckwirtel bereits in dem Arbeitswirtel mit dem getäfelten Kranz (Abb. 57) gegeben, dessen schon reduziertes Mereschumuster nur ganz fortfällt und dessen zahlreiche Uluris auf 7 oder 6 vermindert sind. So kommen die Uluris dazu, einen "Stern" zu bilden, dessen Spitzen freilich mit ihrer Ver- längerung zum Rand hinüber an diesen beiden Schmuckscheiben noch der geo- metrischen Reinheit Hohn sprechen. Stern, Lochkreis und Bohrloch sind nun von dem Künstler der kosmologischen Schmuckscheibe (Abb. 60) in freier Kompo- sition, die jedem Element eine eigene Stelle anwies, nach der Reihe abge- zeichnet worden.
Die hölzernen Spinnwirtel waren sehr selten mit Ritzmustern verziert. Doch haben wir auch zwei gefunden, auf die man ein Muster geschnitzt hatte.
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Erklärung empfiehlt, dass hier ein Zauberer der Auetö́ den Weltuntergang prophezeit, oder die, dass er eine geheimnisvolle Ursage seines Volkes über die Schöpfung des Firmaments verkündet. In der That ist die niedliche Schmuckscheibe ein rein ornamentales Erzeugnis. Nur sind die Motive nicht ganz so weit hergeholt. Sie werden uns in roherer Ausführung auf den beiden Seiten eines anderen Schmuckwirtels, Abbildung 61, einzeln verständlich überliefert.
Vorher betrachte man sich noch einmal die beiden Wirtel von Abbildung 59, wo das eckig runde Loch von Mereschus umgeben dargestellt ist. Die Schmuck- wirtel enthalten die Bestandteile der Arbeitswirtel nach Auswahl. Auf der grossen Kreuzmusterscheibe war das Loch ausgelassen, in Abbildung 61 bilden neben den Uluris die Lochkreise von 59 das Motiv. Während auf den Arbeitswirteln die Zeichnung erst eingeritzt und mit Farbe verschmiert wurde, hat auf den Schmuck- wirteln bei direktem Aufmalen die Farbe grössere Freiheit; breit werden um das
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Abb. 61.
Schmuckwirtel der Kamayurá. Vorder- und Rückseite. ( nat. Gr.)
zentral gemalte Loch die Uluris hingesetzt (Abb. 61) und mit ebenso vielen am Randkreis durch Schnüre verbunden; in die freibleibenden Vielecke werden das eine mal ringsum sechs Lochkreise mit den Bohrlöchern, das andere mal sieben Bohrlöcher eingetragen. Abgesehen von diesen Zusätzen ist die Grundanlage der beiden Schmuckwirtel bereits in dem Arbeitswirtel mit dem getäfelten Kranz (Abb. 57) gegeben, dessen schon reduziertes Mereschumuster nur ganz fortfällt und dessen zahlreiche Uluris auf 7 oder 6 vermindert sind. So kommen die Uluris dazu, einen »Stern« zu bilden, dessen Spitzen freilich mit ihrer Ver- längerung zum Rand hinüber an diesen beiden Schmuckscheiben noch der geo- metrischen Reinheit Hohn sprechen. Stern, Lochkreis und Bohrloch sind nun von dem Künstler der kosmologischen Schmuckscheibe (Abb. 60) in freier Kompo- sition, die jedem Element eine eigene Stelle anwies, nach der Reihe abge- zeichnet worden.
Die hölzernen Spinnwirtel waren sehr selten mit Ritzmustern verziert. Doch haben wir auch zwei gefunden, auf die man ein Muster geschnitzt hatte.
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Erklärung empfiehlt, dass hier ein Zauberer der Auetö́ den Weltuntergang
prophezeit, oder die, dass er eine geheimnisvolle Ursage seines Volkes über
die Schöpfung des Firmaments verkündet. In der That ist die niedliche
Schmuckscheibe ein rein ornamentales Erzeugnis. Nur sind die Motive nicht ganz
so weit hergeholt. Sie werden uns in roherer Ausführung auf den beiden Seiten
eines anderen Schmuckwirtels, Abbildung 61, einzeln verständlich überliefert.
Vorher betrachte man sich noch einmal die beiden Wirtel von Abbildung 59,
wo das eckig runde Loch von Mereschus umgeben dargestellt ist. Die Schmuck-
wirtel enthalten die Bestandteile der Arbeitswirtel nach Auswahl. Auf der grossen
Kreuzmusterscheibe war das Loch ausgelassen, in Abbildung 61 bilden neben den
Uluris die Lochkreise von 59 das Motiv. Während auf den Arbeitswirteln die
Zeichnung erst eingeritzt und mit Farbe verschmiert wurde, hat auf den Schmuck-
wirteln bei direktem Aufmalen die Farbe grössere Freiheit; breit werden um das
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[Abbildung Abb. 61. Schmuckwirtel der Kamayurá. Vorder- und Rückseite. ([FORMEL] nat. Gr.)]
zentral gemalte Loch die Uluris hingesetzt (Abb. 61) und mit ebenso vielen am
Randkreis durch Schnüre verbunden; in die freibleibenden Vielecke werden das
eine mal ringsum sechs Lochkreise mit den Bohrlöchern, das andere mal sieben
Bohrlöcher eingetragen. Abgesehen von diesen Zusätzen ist die Grundanlage der
beiden Schmuckwirtel bereits in dem Arbeitswirtel mit dem getäfelten Kranz
(Abb. 57) gegeben, dessen schon reduziertes Mereschumuster nur ganz fortfällt
und dessen zahlreiche Uluris auf 7 oder 6 vermindert sind. So kommen
die Uluris dazu, einen »Stern« zu bilden, dessen Spitzen freilich mit ihrer Ver-
längerung zum Rand hinüber an diesen beiden Schmuckscheiben noch der geo-
metrischen Reinheit Hohn sprechen. Stern, Lochkreis und Bohrloch sind nun von
dem Künstler der kosmologischen Schmuckscheibe (Abb. 60) in freier Kompo-
sition, die jedem Element eine eigene Stelle anwies, nach der Reihe abge-
zeichnet worden.
Die hölzernen Spinnwirtel waren sehr selten mit Ritzmustern verziert.
Doch haben wir auch zwei gefunden, auf die man ein Muster geschnitzt hatte.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/335>, abgerufen am 16.02.2025.
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