begnügten. Und seltsamer Weise ist es die hier so viel besprochene Raute, die wir an Stelle des Uluri haben. Der Bakairi-Forschungsreisende würde -- ich weiss nicht, ob in allen Teilen Deutschlands -- auf unsern Bäumen, Mauern, Thüren ge- schnitzt, geritzt und gemalt, genau so wie er es macht, zu seiner wahrscheinlich grossen Befriedigung in zahllosen Exemplaren seinen Pakufisch, die Raute mit dem zentralen Punkt, wiederfinden. Wehe dem, der sich einmal daran gewöhnt hat, dieses indianische Pakumuster bei uns überall, wo es angebracht wird, auch zu sehen. Wollte er ihm entfliehen, so dürfte er keinen Bahnhof, keine Allee, keinen Aussichtspunkt, kurz keinen Ort, wo Menschen passieren, mehr betreten, denn es hat den Anschein, als ob eine unbekannte geheimnisvolle Gesellschaft sich verschworen hätte, ihn damit zu verfolgen; er trifft es in der Rinde uralter Waldriesen, er trifft es im frischgefallenen Schnee.
Die Kulisehu-Indianer machten aus ihrem Ver- gnügen an dem Uluri kein Hehl; eine formlose Bast- binde hätte ihnen das Vor- bild nicht geboten. Wenn sie die geometrische Vor- stellung eines Dreiecks haben, so verdanken sie sie rein dem Uluri. Aus sich heraus würden sie nicht darauf verfallen sein, Drei- ecke zu zeichnen. Unter den Bleistiftzeichnungen findet sich auf Tafel 17 ein Uluri, das mir ein Bakairi unaufgefordert in
Rückenhölzer der Bakairi mit den Mustern: Mereschu, Uluri, Fledermaus und Schlange. (1/4 nat. Gr.) Vgl. folgende Seite.
mein Buch konterfeite. In dem Fries, Tafel 21, zeigt sich in Nr. 13 ein grosses Einzelstück, in 14 sehen wir die Uluris zu einem flach gehaltenen Zackenband ver- einigt. Nr. 15 bietet sie in sonderbarer Reihenfolge derart, dass sich je zwei benachbarte nur mit einer Ecke abwechselnd am obern und am untern Rand des Rindenbrettes berühren. In Nr. 16 liegen vier Uluris abwechselnd mit ihrer Basis dem untern und dem obern Rande an und sind durch schräge Balken, die von Basis zu Basis ziehen, ein Stückchen auseinandergehalten. Die Balken stellen die grob verdickten Leistenschnüre dar und sind dem Mereschu-Fischnetz analog.
Wenn ich den Bakairi ein gleichseitiges Dreieck vorzeichnete, so lachten sie vergnügt und riefen "uluri". Auf ihren Trinkschalen erschien es vielfach, die ganze Fläche in zierlicher Anordnung bedeckend, und die Trennungslinien waren oft noch mit dem Bewusstsein, dass es ursprünglich Schnüre waren, hingesetzt.
begnügten. Und seltsamer Weise ist es die hier so viel besprochene Raute, die wir an Stelle des Uluri haben. Der Bakaïrí-Forschungsreisende würde — ich weiss nicht, ob in allen Teilen Deutschlands — auf unsern Bäumen, Mauern, Thüren ge- schnitzt, geritzt und gemalt, genau so wie er es macht, zu seiner wahrscheinlich grossen Befriedigung in zahllosen Exemplaren seinen Pakúfisch, die Raute mit dem zentralen Punkt, wiederfinden. Wehe dem, der sich einmal daran gewöhnt hat, dieses indianische Pakúmuster bei uns überall, wo es angebracht wird, auch zu sehen. Wollte er ihm entfliehen, so dürfte er keinen Bahnhof, keine Allee, keinen Aussichtspunkt, kurz keinen Ort, wo Menschen passieren, mehr betreten, denn es hat den Anschein, als ob eine unbekannte geheimnisvolle Gesellschaft sich verschworen hätte, ihn damit zu verfolgen; er trifft es in der Rinde uralter Waldriesen, er trifft es im frischgefallenen Schnee.
Die Kulisehu-Indianer machten aus ihrem Ver- gnügen an dem Uluri kein Hehl; eine formlose Bast- binde hätte ihnen das Vor- bild nicht geboten. Wenn sie die geometrische Vor- stellung eines Dreiecks haben, so verdanken sie sie rein dem Uluri. Aus sich heraus würden sie nicht darauf verfallen sein, Drei- ecke zu zeichnen. Unter den Bleistiftzeichnungen findet sich auf Tafel 17 ein Uluri, das mir ein Bakaïrí unaufgefordert in
Rückenhölzer der Bakaïrí mit den Mustern: Mereschu, Uluri, Fledermaus und Schlange. (¼ nat. Gr.) Vgl. folgende Seite.
mein Buch konterfeite. In dem Fries, Tafel 21, zeigt sich in Nr. 13 ein grosses Einzelstück, in 14 sehen wir die Uluris zu einem flach gehaltenen Zackenband ver- einigt. Nr. 15 bietet sie in sonderbarer Reihenfolge derart, dass sich je zwei benachbarte nur mit einer Ecke abwechselnd am obern und am untern Rand des Rindenbrettes berühren. In Nr. 16 liegen vier Uluris abwechselnd mit ihrer Basis dem untern und dem obern Rande an und sind durch schräge Balken, die von Basis zu Basis ziehen, ein Stückchen auseinandergehalten. Die Balken stellen die grob verdickten Leistenschnüre dar und sind dem Mereschu-Fischnetz analog.
Wenn ich den Bakaïrí ein gleichseitiges Dreieck vorzeichnete, so lachten sie vergnügt und riefen „ulúri“. Auf ihren Trinkschalen erschien es vielfach, die ganze Fläche in zierlicher Anordnung bedeckend, und die Trennungslinien waren oft noch mit dem Bewusstsein, dass es ursprünglich Schnüre waren, hingesetzt.
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begnügten. Und seltsamer Weise ist es die hier so viel besprochene Raute, die
wir an Stelle des Uluri haben. Der Bakaïrí-Forschungsreisende würde — ich weiss
nicht, ob in allen Teilen Deutschlands — auf unsern Bäumen, Mauern, Thüren ge-
schnitzt, geritzt und gemalt, genau so wie er es macht, zu seiner wahrscheinlich
grossen Befriedigung in zahllosen Exemplaren seinen Pakúfisch, die Raute mit
dem zentralen Punkt, wiederfinden. Wehe dem, der sich einmal daran gewöhnt
hat, dieses indianische Pakúmuster bei uns überall, wo es angebracht wird, auch
zu sehen. Wollte er ihm entfliehen, so dürfte er keinen Bahnhof, keine Allee,
keinen Aussichtspunkt, kurz keinen Ort, wo Menschen passieren, mehr betreten,
denn es hat den Anschein, als ob eine unbekannte geheimnisvolle Gesellschaft
sich verschworen hätte, ihn damit zu verfolgen; er trifft es in der Rinde uralter
Waldriesen, er trifft es im frischgefallenen Schnee.
Die Kulisehu-Indianer
machten aus ihrem Ver-
gnügen an dem Uluri kein
Hehl; eine formlose Bast-
binde hätte ihnen das Vor-
bild nicht geboten. Wenn
sie die geometrische Vor-
stellung eines Dreiecks
haben, so verdanken sie
sie rein dem Uluri. Aus
sich heraus würden sie nicht
darauf verfallen sein, Drei-
ecke zu zeichnen. Unter
den Bleistiftzeichnungen
findet sich auf Tafel 17
ein Uluri, das mir ein
Bakaïrí unaufgefordert in
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[Abbildung Abb. 48. Rückenhölzer der Bakaïrí mit den Mustern:
Mereschu, Uluri, Fledermaus und Schlange.
(¼ nat. Gr.) Vgl. folgende Seite.]
mein Buch konterfeite. In dem Fries, Tafel 21, zeigt sich in Nr. 13 ein grosses
Einzelstück, in 14 sehen wir die Uluris zu einem flach gehaltenen Zackenband ver-
einigt. Nr. 15 bietet sie in sonderbarer Reihenfolge derart, dass sich je zwei
benachbarte nur mit einer Ecke abwechselnd am obern und am untern Rand
des Rindenbrettes berühren. In Nr. 16 liegen vier Uluris abwechselnd mit ihrer
Basis dem untern und dem obern Rande an und sind durch schräge Balken,
die von Basis zu Basis ziehen, ein Stückchen auseinandergehalten. Die Balken
stellen die grob verdickten Leistenschnüre dar und sind dem Mereschu-Fischnetz
analog.
Wenn ich den Bakaïrí ein gleichseitiges Dreieck vorzeichnete, so lachten
sie vergnügt und riefen „ulúri“. Auf ihren Trinkschalen erschien es vielfach, die
ganze Fläche in zierlicher Anordnung bedeckend, und die Trennungslinien waren
oft noch mit dem Bewusstsein, dass es ursprünglich Schnüre waren, hingesetzt.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/325>, abgerufen am 25.11.2024.
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