Während der konservative Castro im Arrest sass, hatte man den liberalen Herrn Tupy auf eine ehrenvolle Expedition zur Untersuchung des Rio das Mortes ausgeschickt, doch haben ihn die Indianer nicht freundlich behandelt, sie über- fielen seine kleine Truppe und brachten ihm mit einem Keulenschlag eine schwere Schädelwunde bei. Er kehrte aber lebendig und mit ein paar abgeschnittenen Indianerohren ("Affenohren" behaupteten die Widersacher) nach der Hauptstadt zurück, genas, wurde nach Rio Grande do Sul versetzt, womit er einen guten Tausch machte, und dort bald zum Major befördert. Als er von Cuyaba abfuhr, verteilte man unter die Passagiere des Dampfers ein Flugblatt "An das Heer und die Flotte", das weit und breit versandt, und in dem Jedermann vor dem "infamen, ekelhaften Kapitän Antonio Tupy Ferreira Caldas" gewarnt wurde. Seine Stirn sei von Gott doppelt gezeichnet, einmal mit dem angeborenen Kains- mal, dann mit der Schädeldepression, die nicht von der Keule der Indianer, sondern von dem Comblain-Büchsenkolben eines seiner Soldaten herrühre. Er sei "Ver- schleuderer der öffentlichen Gelder, Zwischenträger, Intrigant, Spieler von Beruf, Verleumder, Speichellecker, Lüderjahn, Spitzbube, Schwindler, Verräter, Ueber- läufer, einem Reptil oder widerlichem Wurm ähnlich, kurz eine Eiterbeule in menschlicher Gestalt und mit allen Lastern behaftet, die man im Universum nur kenne und ausübe". In diesem Ton hatte man hüben und drüben die ganze Fehde geführt, es waren, wie ich zu meinem Erstaunen erfuhr und nachträglich sah, Zeitungsartikel erschienen, unterzeichnet "Dr. Carlos" oder auch mit meinem vollen Namen, in denen ich dem Kapitän Tupy eine Blütenlese portugiesischer Schimpfwörter an den Kopf warf, wie ich selbst sie in meinen Sprachkenntnissen nicht hätte vermuten dürfen; mein gelindestes Prädikat war das der Giftschlange "jararaca" gewesen, Cophias atrox. Unter solchen Umständen lässt sich begreifen, dass die uns bei unserem neuen Erscheinen in Cuyaba entgegengebrachten Ge- fühle etwas gemischter Art waren.
Es war von Seiten Tupys ein sehr geschickter Zug und eine sehr richtige Spekulation auf die Ideen der Bevölkerung gewesen, dass er uns beschuldigt hatte, goldsuchende Abenteurer zu sein. Noch heute wird es wenige Menschen im Matogrosso geben, die da glauben, dass wir von Deutschland die weite Reise und von Cuyaba aus die beschwerliche Expedition unternommen hätten zu dem unge- heuerlichen Zweck, die armseligen Indianer kennen zu lernen; wir waren Ingenieure und suchten die Martyrios, das Eldorado der Provinz, dessen Namen jedes mato- grossenser Herz höher schlagen lässt, das aufzusuchen jeder Bürger gern grosse Opfer bringen würde.
Zu meiner Ueberraschung erfuhren wir, dass 1884 eine Handvoll Leute den Spuren der Expedition viele Tagereisen gefolgt waren; sie hatten wie wir über den Paranatinga gesetzt und waren von dort bis an den Batovy vorgedrungen, wo sie an unserem Einschiffungsplatz Kehrt machen mussten.
Nicht genug damit, wurde im Jahre 1886 planmässig unter der Führung des Jose da Silva Rondon eine Expedition in das Batovy-Gebiet unternommen.
Während der konservative Castro im Arrest sass, hatte man den liberalen Herrn Tupy auf eine ehrenvolle Expedition zur Untersuchung des Rio das Mortes ausgeschickt, doch haben ihn die Indianer nicht freundlich behandelt, sie über- fielen seine kleine Truppe und brachten ihm mit einem Keulenschlag eine schwere Schädelwunde bei. Er kehrte aber lebendig und mit ein paar abgeschnittenen Indianerohren (»Affenohren« behaupteten die Widersacher) nach der Hauptstadt zurück, genas, wurde nach Rio Grande do Sul versetzt, womit er einen guten Tausch machte, und dort bald zum Major befördert. Als er von Cuyabá abfuhr, verteilte man unter die Passagiere des Dampfers ein Flugblatt »An das Heer und die Flotte«, das weit und breit versandt, und in dem Jedermann vor dem »infamen, ekelhaften Kapitän Antonio Tupy Ferreira Caldas« gewarnt wurde. Seine Stirn sei von Gott doppelt gezeichnet, einmal mit dem angeborenen Kains- mal, dann mit der Schädeldepression, die nicht von der Keule der Indianer, sondern von dem Comblain-Büchsenkolben eines seiner Soldaten herrühre. Er sei »Ver- schleuderer der öffentlichen Gelder, Zwischenträger, Intrigant, Spieler von Beruf, Verleumder, Speichellecker, Lüderjahn, Spitzbube, Schwindler, Verräter, Ueber- läufer, einem Reptil oder widerlichem Wurm ähnlich, kurz eine Eiterbeule in menschlicher Gestalt und mit allen Lastern behaftet, die man im Universum nur kenne und ausübe«. In diesem Ton hatte man hüben und drüben die ganze Fehde geführt, es waren, wie ich zu meinem Erstaunen erfuhr und nachträglich sah, Zeitungsartikel erschienen, unterzeichnet „Dr. Carlos“ oder auch mit meinem vollen Namen, in denen ich dem Kapitän Tupy eine Blütenlese portugiesischer Schimpfwörter an den Kopf warf, wie ich selbst sie in meinen Sprachkenntnissen nicht hätte vermuten dürfen; mein gelindestes Prädikat war das der Giftschlange »jararaca« gewesen, Cophias atrox. Unter solchen Umständen lässt sich begreifen, dass die uns bei unserem neuen Erscheinen in Cuyabá entgegengebrachten Ge- fühle etwas gemischter Art waren.
Es war von Seiten Tupys ein sehr geschickter Zug und eine sehr richtige Spekulation auf die Ideen der Bevölkerung gewesen, dass er uns beschuldigt hatte, goldsuchende Abenteurer zu sein. Noch heute wird es wenige Menschen im Matogrosso geben, die da glauben, dass wir von Deutschland die weite Reise und von Cuyabá aus die beschwerliche Expedition unternommen hätten zu dem unge- heuerlichen Zweck, die armseligen Indianer kennen zu lernen; wir waren Ingenieure und suchten die Martyrios, das Eldorado der Provinz, dessen Namen jedes mato- grossenser Herz höher schlagen lässt, das aufzusuchen jeder Bürger gern grosse Opfer bringen würde.
Zu meiner Ueberraschung erfuhren wir, dass 1884 eine Handvoll Leute den Spuren der Expedition viele Tagereisen gefolgt waren; sie hatten wie wir über den Paranatinga gesetzt und waren von dort bis an den Batovy vorgedrungen, wo sie an unserem Einschiffungsplatz Kehrt machen mussten.
Nicht genug damit, wurde im Jahre 1886 planmässig unter der Führung des José da Silva Rondon eine Expedition in das Batovy-Gebiet unternommen.
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[10/0032]
Während der konservative Castro im Arrest sass, hatte man den liberalen
Herrn Tupy auf eine ehrenvolle Expedition zur Untersuchung des Rio das Mortes
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fielen seine kleine Truppe und brachten ihm mit einem Keulenschlag eine schwere
Schädelwunde bei. Er kehrte aber lebendig und mit ein paar abgeschnittenen
Indianerohren (»Affenohren« behaupteten die Widersacher) nach der Hauptstadt
zurück, genas, wurde nach Rio Grande do Sul versetzt, womit er einen guten
Tausch machte, und dort bald zum Major befördert. Als er von Cuyabá abfuhr,
verteilte man unter die Passagiere des Dampfers ein Flugblatt »An das Heer
und die Flotte«, das weit und breit versandt, und in dem Jedermann vor dem
»infamen, ekelhaften Kapitän Antonio Tupy Ferreira Caldas« gewarnt wurde.
Seine Stirn sei von Gott doppelt gezeichnet, einmal mit dem angeborenen Kains-
mal, dann mit der Schädeldepression, die nicht von der Keule der Indianer, sondern
von dem Comblain-Büchsenkolben eines seiner Soldaten herrühre. Er sei »Ver-
schleuderer der öffentlichen Gelder, Zwischenträger, Intrigant, Spieler von Beruf,
Verleumder, Speichellecker, Lüderjahn, Spitzbube, Schwindler, Verräter, Ueber-
läufer, einem Reptil oder widerlichem Wurm ähnlich, kurz eine Eiterbeule in
menschlicher Gestalt und mit allen Lastern behaftet, die man im Universum nur
kenne und ausübe«. In diesem Ton hatte man hüben und drüben die ganze
Fehde geführt, es waren, wie ich zu meinem Erstaunen erfuhr und nachträglich
sah, Zeitungsartikel erschienen, unterzeichnet „Dr. Carlos“ oder auch mit meinem
vollen Namen, in denen ich dem Kapitän Tupy eine Blütenlese portugiesischer
Schimpfwörter an den Kopf warf, wie ich selbst sie in meinen Sprachkenntnissen
nicht hätte vermuten dürfen; mein gelindestes Prädikat war das der Giftschlange
»jararaca« gewesen, Cophias atrox. Unter solchen Umständen lässt sich begreifen,
dass die uns bei unserem neuen Erscheinen in Cuyabá entgegengebrachten Ge-
fühle etwas gemischter Art waren.
Es war von Seiten Tupys ein sehr geschickter Zug und eine sehr richtige
Spekulation auf die Ideen der Bevölkerung gewesen, dass er uns beschuldigt hatte,
goldsuchende Abenteurer zu sein. Noch heute wird es wenige Menschen im
Matogrosso geben, die da glauben, dass wir von Deutschland die weite Reise und
von Cuyabá aus die beschwerliche Expedition unternommen hätten zu dem unge-
heuerlichen Zweck, die armseligen Indianer kennen zu lernen; wir waren Ingenieure
und suchten die Martyrios, das Eldorado der Provinz, dessen Namen jedes mato-
grossenser Herz höher schlagen lässt, das aufzusuchen jeder Bürger gern grosse
Opfer bringen würde.
Zu meiner Ueberraschung erfuhren wir, dass 1884 eine Handvoll Leute den
Spuren der Expedition viele Tagereisen gefolgt waren; sie hatten wie wir über
den Paranatinga gesetzt und waren von dort bis an den Batovy vorgedrungen,
wo sie an unserem Einschiffungsplatz Kehrt machen mussten.
Nicht genug damit, wurde im Jahre 1886 planmässig unter der Führung
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/32>, abgerufen am 11.12.2024.
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