Interessant sind (Kulisehu II) die beiden von einem Nahuqua gemachten Konterfeis, die mich darstellen. Der Mann zeichnete merkwürdiger Weise zuerst eine Horizontallinie, die ununterbrochene Schulterlinie und die Oberarme ent- haltend, setzte eine Art Halbkreis darauf, zwei schräg gekreuzte Linien darunter und reichte mir dieses nichtswürdige Bild als fertig zurück. Hiergegen empörte ich mich, ich machte ihn darauf aufmerksam, dass ich mit Augen, Ohren u. s. w., normal ausgestattet sei und verlangte eine neue gänzlich umgearbeitete Auflage, die er, mich aufmerksam betrachtend, auch anfertigte. Er schlug nun in's andere Extrem um und zeichnete mehr, nicht nur als er sah, sondern auch als er hätte sehen können.
In ähnlichem Kontrast sind die beiden von zwei verschiedenen Leuten ge- zeichneten Bilder oben auf der Bororotafel I: rechts bin ich ohne Arme und Füsse geboren, links erscheine ich auf das Liebevollste ausgeführt und ausgestattet. Hier habe ich ausser allen Gliedern, einschliesslich -- wie auch bei der Indianerin Bororo II -- knubbelförmiger Gelenke: Mütze, Pfeife, Notizbuch, Gürtel und Schuhe. Ebenso sind dem lustigen Kerlchen darunter, meinem Vetter, Mütze, Pfeife und der schöne Hirschfänger mitgegeben. Kinder, denen das Rauchen an sich merkwurdig erscheint, würden der Pfeife einen kräftigen Qualm entsteigen lassen, die Indianer aber interessierte nur das Gerät. Rechts in der Ecke der brasilische Soldat hat eine Uniform mit drei Knöpfen erhalten, das heisst nur den Rock, aus dem die gewöhnlichen Armstriche ärmellos austreten. Die armlose Figur darüber ist die einzige, bei der es versucht ist, unsern Beinkleidern gerecht zu werden, sogar auf Kosten der Füsse.
Das Hauptattribut der Männer, namentlich bei den äusserlich sparsamer ausgestatteten Porträts Kulisehu I und II, ist das ihnen von der Natur zuerkannte. Da haben wir völlig Kinderstandpunkt, dass es dem Zeichnenden einerlei ist, ob er das auch mit Augen sieht, was er sich für verpflichtet hält anzubringen, weil er weiss, dass es da ist. Für den unbekleidet gehenden Indianer liegt hier das charakteristische Merkmal und so giebt er es; er fügt es sogar zu, wo er aus- drücklich die Kleidung zeichnet, vgl. den Soldaten. So ist auch häufig der Nabel berücksichtigt. Ja der Nahuqua, von dem ich Vollständigkeit verlangte, (Kuli- sehu II), mochte nun selbst den After nicht vergessen.
Die räumliche Anordnung ist den Indianern nicht ganz so nebensächlich wie den kleinsten Kindern, allein es wird Merkwürdiges darin verübt. Dass die Pfeife (Bororo I) neben dem Mund steht, will Nichts besagen, wenn man in demselben Bild den Schnurrbart über den Augen erblickt. Ich würde ihn als ein paar vereinigter Brauen, was Göthe Räzel nennt, angesprochen haben, allein ich wurde ausdrücklich belehrt, dass der Strich den Schnurrbart vorstelle. Bei der kleinen Mittelfigur darunter ist Gleiches der Fall. Und die Bakairi thun dasselbe mit dem ungewohnten Schnurrbart. Auf der Kulisehu-Tafel II links unten sehen wir den Schnurrbart unter der nachlässig durch einen Querstrich vom Kopfrund abgeschnittenen Mütze, und, durch eine grosse Nase von ihm ge-
Interessant sind (Kulisehu II) die beiden von einem Nahuquá gemachten Konterfeis, die mich darstellen. Der Mann zeichnete merkwürdiger Weise zuerst eine Horizontallinie, die ununterbrochene Schulterlinie und die Oberarme ent- haltend, setzte eine Art Halbkreis darauf, zwei schräg gekreuzte Linien darunter und reichte mir dieses nichtswürdige Bild als fertig zurück. Hiergegen empörte ich mich, ich machte ihn darauf aufmerksam, dass ich mit Augen, Ohren u. s. w., normal ausgestattet sei und verlangte eine neue gänzlich umgearbeitete Auflage, die er, mich aufmerksam betrachtend, auch anfertigte. Er schlug nun in’s andere Extrem um und zeichnete mehr, nicht nur als er sah, sondern auch als er hätte sehen können.
In ähnlichem Kontrast sind die beiden von zwei verschiedenen Leuten ge- zeichneten Bilder oben auf der Bororótafel I: rechts bin ich ohne Arme und Füsse geboren, links erscheine ich auf das Liebevollste ausgeführt und ausgestattet. Hier habe ich ausser allen Gliedern, einschliesslich — wie auch bei der Indianerin Bororó II — knubbelförmiger Gelenke: Mütze, Pfeife, Notizbuch, Gürtel und Schuhe. Ebenso sind dem lustigen Kerlchen darunter, meinem Vetter, Mütze, Pfeife und der schöne Hirschfänger mitgegeben. Kinder, denen das Rauchen an sich merkwurdig erscheint, würden der Pfeife einen kräftigen Qualm entsteigen lassen, die Indianer aber interessierte nur das Gerät. Rechts in der Ecke der brasilische Soldat hat eine Uniform mit drei Knöpfen erhalten, das heisst nur den Rock, aus dem die gewöhnlichen Armstriche ärmellos austreten. Die armlose Figur darüber ist die einzige, bei der es versucht ist, unsern Beinkleidern gerecht zu werden, sogar auf Kosten der Füsse.
Das Hauptattribut der Männer, namentlich bei den äusserlich sparsamer ausgestatteten Porträts Kulisehu I und II, ist das ihnen von der Natur zuerkannte. Da haben wir völlig Kinderstandpunkt, dass es dem Zeichnenden einerlei ist, ob er das auch mit Augen sieht, was er sich für verpflichtet hält anzubringen, weil er weiss, dass es da ist. Für den unbekleidet gehenden Indianer liegt hier das charakteristische Merkmal und so giebt er es; er fügt es sogar zu, wo er aus- drücklich die Kleidung zeichnet, vgl. den Soldaten. So ist auch häufig der Nabel berücksichtigt. Ja der Nahuquá, von dem ich Vollständigkeit verlangte, (Kuli- sehu II), mochte nun selbst den After nicht vergessen.
Die räumliche Anordnung ist den Indianern nicht ganz so nebensächlich wie den kleinsten Kindern, allein es wird Merkwürdiges darin verübt. Dass die Pfeife (Bororó I) neben dem Mund steht, will Nichts besagen, wenn man in demselben Bild den Schnurrbart über den Augen erblickt. Ich würde ihn als ein paar vereinigter Brauen, was Göthe Räzel nennt, angesprochen haben, allein ich wurde ausdrücklich belehrt, dass der Strich den Schnurrbart vorstelle. Bei der kleinen Mittelfigur darunter ist Gleiches der Fall. Und die Bakaïrí thun dasselbe mit dem ungewohnten Schnurrbart. Auf der Kulisehu-Tafel II links unten sehen wir den Schnurrbart unter der nachlässig durch einen Querstrich vom Kopfrund abgeschnittenen Mütze, und, durch eine grosse Nase von ihm ge-
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Interessant sind (Kulisehu II) die beiden von einem Nahuquá gemachten
Konterfeis, die mich darstellen. Der Mann zeichnete merkwürdiger Weise zuerst
eine Horizontallinie, die ununterbrochene Schulterlinie und die Oberarme ent-
haltend, setzte eine Art Halbkreis darauf, zwei schräg gekreuzte Linien darunter
und reichte mir dieses nichtswürdige Bild als fertig zurück. Hiergegen empörte
ich mich, ich machte ihn darauf aufmerksam, dass ich mit Augen, Ohren u. s. w.,
normal ausgestattet sei und verlangte eine neue gänzlich umgearbeitete Auflage,
die er, mich aufmerksam betrachtend, auch anfertigte. Er schlug nun in’s
andere Extrem um und zeichnete mehr, nicht nur als er sah, sondern auch als er
hätte sehen können.
In ähnlichem Kontrast sind die beiden von zwei verschiedenen Leuten ge-
zeichneten Bilder oben auf der Bororótafel I: rechts bin ich ohne Arme und
Füsse geboren, links erscheine ich auf das Liebevollste ausgeführt und ausgestattet.
Hier habe ich ausser allen Gliedern, einschliesslich — wie auch bei der Indianerin
Bororó II — knubbelförmiger Gelenke: Mütze, Pfeife, Notizbuch, Gürtel und
Schuhe. Ebenso sind dem lustigen Kerlchen darunter, meinem Vetter, Mütze,
Pfeife und der schöne Hirschfänger mitgegeben. Kinder, denen das Rauchen an
sich merkwurdig erscheint, würden der Pfeife einen kräftigen Qualm entsteigen
lassen, die Indianer aber interessierte nur das Gerät. Rechts in der Ecke der
brasilische Soldat hat eine Uniform mit drei Knöpfen erhalten, das heisst nur
den Rock, aus dem die gewöhnlichen Armstriche ärmellos austreten. Die armlose
Figur darüber ist die einzige, bei der es versucht ist, unsern Beinkleidern gerecht
zu werden, sogar auf Kosten der Füsse.
Das Hauptattribut der Männer, namentlich bei den äusserlich sparsamer
ausgestatteten Porträts Kulisehu I und II, ist das ihnen von der Natur zuerkannte.
Da haben wir völlig Kinderstandpunkt, dass es dem Zeichnenden einerlei ist, ob
er das auch mit Augen sieht, was er sich für verpflichtet hält anzubringen, weil
er weiss, dass es da ist. Für den unbekleidet gehenden Indianer liegt hier das
charakteristische Merkmal und so giebt er es; er fügt es sogar zu, wo er aus-
drücklich die Kleidung zeichnet, vgl. den Soldaten. So ist auch häufig der Nabel
berücksichtigt. Ja der Nahuquá, von dem ich Vollständigkeit verlangte, (Kuli-
sehu II), mochte nun selbst den After nicht vergessen.
Die räumliche Anordnung ist den Indianern nicht ganz so nebensächlich
wie den kleinsten Kindern, allein es wird Merkwürdiges darin verübt. Dass die
Pfeife (Bororó I) neben dem Mund steht, will Nichts besagen, wenn man in
demselben Bild den Schnurrbart über den Augen erblickt. Ich würde ihn
als ein paar vereinigter Brauen, was Göthe Räzel nennt, angesprochen haben,
allein ich wurde ausdrücklich belehrt, dass der Strich den Schnurrbart vorstelle.
Bei der kleinen Mittelfigur darunter ist Gleiches der Fall. Und die Bakaïrí thun
dasselbe mit dem ungewohnten Schnurrbart. Auf der Kulisehu-Tafel II links
unten sehen wir den Schnurrbart unter der nachlässig durch einen Querstrich
vom Kopfrund abgeschnittenen Mütze, und, durch eine grosse Nase von ihm ge-
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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