in Schalen zu zerteilen, umschnürt man die frischen Früchte mit Palmfaser und ritzt mit einer Muschel entlang. Zerspringt eine Schale beim Gebrauch, so wird sie genäht; man bohrt die Löchelchen mit dem spitzen Zahn des Hundsfisches und nimmt zum Nähen einen mit Wachs gewichsten Buritifaden, dessen Knoten die messer- scharf geschliffene Zahnkante hart an der Schale beschneidet. Mit demselben Zahn werden auch die Zeichnungen eingeritzt, die die Oberfläche verzieren, wenn man nicht vorzieht, sie mit einem glühenden Stäbchen einzubrennen. Den Trink- schalen und kleinen Schöpfkuyen oder Löffeln giebt man innen einen schwarzen Lacküberzug. Der Lack ist der Russ von verbranntem Buritischaft, vermischt mit dem gelben klebrigen Wasserauszug der geraspelten Rinde des Ochogohi- Baums aus dem Campo cerrado. Besondere kleine kugelige Kürbisse dienten zur Aufnahme des Oels, mit dem man den Körper einrieb, und wurden mit einem Pfropfen verschlossen; die Bakairi nannten die Frucht peru. Sie hingen zuweilen in einem eng angeflochtenen Netz. Der Rassel-Kürbisse habe ich bei der Tanz- musik zu gedenken.
Töpferei. Ich habe in dem Kapitel über die "Steinzeit"-Kultur, vgl. Seite 215 ff., über den Ursprung der Töpfe in unserm Gebiet, über das Monopol der Nu-Aruak- stämme und über die nur auf das weibliche Geschlecht beschränkte Herstellung ausführlich gehandelt. Ich bin erst in dem späteren Kapitel über die Plastik, wenn die Entwicklung der indianischen Kunst verständlich geworden ist, in der Lage, über die ornamentale Gestaltung der Töpfe zu reden.
Es gab drei nach Grösse und Zweck unterschiedene Arten Töpfe. Einmal die mächtigen mawukuru der Mehinaku, in denen die zerriebene Mandiokawurzel gekocht wurde; sie hatten einen Durchmesser von fast 3/4 m. Wir haben keinen dieser Töpfe heimbringen können, aber bei den Auetö eine Photographie auf- genommen, aus der ihre Gestalt und, da ein Mann -- von Rechtswegen hätte es eine Frau sein sollen -- daneben hockt, auch ihre Grösse deutlich wird. Vgl. Tafel 15. Die grössten und schönsten Töpfe werden von den Waura geliefert. Beim Kochen wurden sie auf drei niedrige Thonfüsse gestellt von zilindrischer, unten anschwellender Form.
Eine zweite Art, der Kochtopf für Obst und kleine Fischchen, hatte einen Durchmesser von 18--20 cm, eine Höhe von etwa 12 cm; er war rund, mit ziem- lich steiler, leicht ausgebauchter Wandung und hatte zuweilen einen 21/2 cm breiten, wagerecht nach aussen umgebogenen Rand. Diese Töpfe waren nicht, wie man vermuten sollte, die gewöhnlichsten, sondern die seltensten. Ich glaube kaum, dass in jedem Wohnhaus einer vorhanden war. Das Kochen spielte keine Rolle ausser für die Mehlbereitung, und dazu bedurfte man der grossen Kessel. Da- gegen war eine dritte Art ziemlich zahlreich zu finden. Dies sind die vielgestaltigen Wärm- und Essnäpfe von 10--24 cm Durchmesser, die auf den beiden Tafeln "Keramische Motive" 23 und 24 in typischen Beispielen dargestellt sind. Ein Blick auf die beiden Tafeln lehrt die wichtige Thatsache, dass die Grundform dieser mit Randzacken besetzten Töpfe die der rundovalen Gefässfrucht ist, deren
v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 16
in Schalen zu zerteilen, umschnürt man die frischen Früchte mit Palmfaser und ritzt mit einer Muschel entlang. Zerspringt eine Schale beim Gebrauch, so wird sie genäht; man bohrt die Löchelchen mit dem spitzen Zahn des Hundsfisches und nimmt zum Nähen einen mit Wachs gewichsten Buritífaden, dessen Knoten die messer- scharf geschliffene Zahnkante hart an der Schale beschneidet. Mit demselben Zahn werden auch die Zeichnungen eingeritzt, die die Oberfläche verzieren, wenn man nicht vorzieht, sie mit einem glühenden Stäbchen einzubrennen. Den Trink- schalen und kleinen Schöpfkuyen oder Löffeln giebt man innen einen schwarzen Lacküberzug. Der Lack ist der Russ von verbranntem Buritíschaft, vermischt mit dem gelben klebrigen Wasserauszug der geraspelten Rinde des Ochogohi- Baums aus dem Campo cerrado. Besondere kleine kugelige Kürbisse dienten zur Aufnahme des Oels, mit dem man den Körper einrieb, und wurden mit einem Pfropfen verschlossen; die Bakaïrí nannten die Frucht péru. Sie hingen zuweilen in einem eng angeflochtenen Netz. Der Rassel-Kürbisse habe ich bei der Tanz- musik zu gedenken.
Töpferei. Ich habe in dem Kapitel über die »Steinzeit«-Kultur, vgl. Seite 215 ff., über den Ursprung der Töpfe in unserm Gebiet, über das Monopol der Nu-Aruak- stämme und über die nur auf das weibliche Geschlecht beschränkte Herstellung ausführlich gehandelt. Ich bin erst in dem späteren Kapitel über die Plastik, wenn die Entwicklung der indianischen Kunst verständlich geworden ist, in der Lage, über die ornamentale Gestaltung der Töpfe zu reden.
Es gab drei nach Grösse und Zweck unterschiedene Arten Töpfe. Einmal die mächtigen mawukúru der Mehinakú, in denen die zerriebene Mandiokawurzel gekocht wurde; sie hatten einen Durchmesser von fast ¾ m. Wir haben keinen dieser Töpfe heimbringen können, aber bei den Auetö́ eine Photographie auf- genommen, aus der ihre Gestalt und, da ein Mann — von Rechtswegen hätte es eine Frau sein sollen — daneben hockt, auch ihre Grösse deutlich wird. Vgl. Tafel 15. Die grössten und schönsten Töpfe werden von den Waurá geliefert. Beim Kochen wurden sie auf drei niedrige Thonfüsse gestellt von zilindrischer, unten anschwellender Form.
Eine zweite Art, der Kochtopf für Obst und kleine Fischchen, hatte einen Durchmesser von 18—20 cm, eine Höhe von etwa 12 cm; er war rund, mit ziem- lich steiler, leicht ausgebauchter Wandung und hatte zuweilen einen 2½ cm breiten, wagerecht nach aussen umgebogenen Rand. Diese Töpfe waren nicht, wie man vermuten sollte, die gewöhnlichsten, sondern die seltensten. Ich glaube kaum, dass in jedem Wohnhaus einer vorhanden war. Das Kochen spielte keine Rolle ausser für die Mehlbereitung, und dazu bedurfte man der grossen Kessel. Da- gegen war eine dritte Art ziemlich zahlreich zu finden. Dies sind die vielgestaltigen Wärm- und Essnäpfe von 10—24 cm Durchmesser, die auf den beiden Tafeln »Keramische Motive« 23 und 24 in typischen Beispielen dargestellt sind. Ein Blick auf die beiden Tafeln lehrt die wichtige Thatsache, dass die Grundform dieser mit Randzacken besetzten Töpfe die der rundovalen Gefässfrucht ist, deren
v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 16
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in Schalen zu zerteilen, umschnürt man die frischen Früchte mit Palmfaser und
ritzt mit einer Muschel entlang. Zerspringt eine Schale beim Gebrauch, so wird sie
genäht; man bohrt die Löchelchen mit dem spitzen Zahn des Hundsfisches und nimmt
zum Nähen einen mit Wachs gewichsten Buritífaden, dessen Knoten die messer-
scharf geschliffene Zahnkante hart an der Schale beschneidet. Mit demselben
Zahn werden auch die Zeichnungen eingeritzt, die die Oberfläche verzieren, wenn
man nicht vorzieht, sie mit einem glühenden Stäbchen einzubrennen. Den Trink-
schalen und kleinen Schöpfkuyen oder Löffeln giebt man innen einen schwarzen
Lacküberzug. Der Lack ist der Russ von verbranntem Buritíschaft, vermischt
mit dem gelben klebrigen Wasserauszug der geraspelten Rinde des Ochogohi-
Baums aus dem Campo cerrado. Besondere kleine kugelige Kürbisse dienten zur
Aufnahme des Oels, mit dem man den Körper einrieb, und wurden mit einem
Pfropfen verschlossen; die Bakaïrí nannten die Frucht péru. Sie hingen zuweilen
in einem eng angeflochtenen Netz. Der Rassel-Kürbisse habe ich bei der Tanz-
musik zu gedenken.
Töpferei. Ich habe in dem Kapitel über die »Steinzeit«-Kultur, vgl. Seite 215 ff.,
über den Ursprung der Töpfe in unserm Gebiet, über das Monopol der Nu-Aruak-
stämme und über die nur auf das weibliche Geschlecht beschränkte Herstellung
ausführlich gehandelt. Ich bin erst in dem späteren Kapitel über die Plastik,
wenn die Entwicklung der indianischen Kunst verständlich geworden ist, in der
Lage, über die ornamentale Gestaltung der Töpfe zu reden.
Es gab drei nach Grösse und Zweck unterschiedene Arten Töpfe. Einmal
die mächtigen mawukúru der Mehinakú, in denen die zerriebene Mandiokawurzel
gekocht wurde; sie hatten einen Durchmesser von fast ¾ m. Wir haben keinen
dieser Töpfe heimbringen können, aber bei den Auetö́ eine Photographie auf-
genommen, aus der ihre Gestalt und, da ein Mann — von Rechtswegen hätte
es eine Frau sein sollen — daneben hockt, auch ihre Grösse deutlich wird. Vgl.
Tafel 15. Die grössten und schönsten Töpfe werden von den Waurá geliefert.
Beim Kochen wurden sie auf drei niedrige Thonfüsse gestellt von zilindrischer,
unten anschwellender Form.
Eine zweite Art, der Kochtopf für Obst und kleine Fischchen, hatte einen
Durchmesser von 18—20 cm, eine Höhe von etwa 12 cm; er war rund, mit ziem-
lich steiler, leicht ausgebauchter Wandung und hatte zuweilen einen 2½ cm
breiten, wagerecht nach aussen umgebogenen Rand. Diese Töpfe waren nicht,
wie man vermuten sollte, die gewöhnlichsten, sondern die seltensten. Ich glaube
kaum, dass in jedem Wohnhaus einer vorhanden war. Das Kochen spielte keine
Rolle ausser für die Mehlbereitung, und dazu bedurfte man der grossen Kessel. Da-
gegen war eine dritte Art ziemlich zahlreich zu finden. Dies sind die vielgestaltigen
Wärm- und Essnäpfe von 10—24 cm Durchmesser, die auf den beiden Tafeln
»Keramische Motive« 23 und 24 in typischen Beispielen dargestellt sind. Ein
Blick auf die beiden Tafeln lehrt die wichtige Thatsache, dass die Grundform
dieser mit Randzacken besetzten Töpfe die der rundovalen Gefässfrucht ist, deren
v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 16
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/287>, abgerufen am 22.11.2024.
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