Ueberlegung und ein paar Thatsachen leiten uns auf einen vielleicht aussichts- volleren Weg.
Der Mensch hatte Feuer, unterhielt es, konnte es aber nicht erzeugen. Es ist klar, dass die erste Kunst, die auf dieser Stufe gelernt sein sollte und gelernt wurde, die Neubelebung und die Uebertragung des Feuers an einen andern Ort war. Wir haben auf dem Rückweg der Expedition in der Regenzeit mehrere Male am Morgen nur mit vieler Mühe, obwohl der Kloben noch glühte, genügen- des Feuer erhalten können, alles Holz war nass und wollte nicht brennen; unsere Leute konnten nur dadurch Abhilfe schaffen, dass sie von den feuchten Reisern die Rinde losschälten und mit dem Messer schnitzelnd aus dem Innern eine An- zahl ziemlich trockener Spänchen hervorholten, diese mit grosser Vorsicht und Geduld fast einzeln auf die glimmende Kohle brachten und nun allmählich schwache Flämmchen hervorhauchten, die geschickt genährt zu einem lebens- kräftigen Feuerchen erstarkten. Im Thurn beschreibt dasselbe Verfahren von den Guyana-Indianern. Von den nordamerikanischen Eingeborenen wird berichtet, dass sie glimmende Baumschwämme den Tag hindurch mit sich führten und so ihr Lagerfeuer von Ort zu Ort verpflanzten. Die von unsern Indianern im Kanu mitgenommenen morschen Kloben glimmten mit Leichtigkeit ein bis zwei Tage.
Man entwickelte früh, ehe man das Feuer willkürlich hervorrufen konnte, die Technik des Zunders. Man übertrug das Feuer von einem schwach glimmenden Kloben auf Reiser durch Zufügen von trockenen Halmen, Spänchen, Blättern oder dergleichen. Man lernte die leicht brennbaren Pflanzenteile kennen. Für die Wanderung versorgte man sich mit Zunder von schwammigem Pflanzen- gewebe, man hielt sich davon auch einen Vorrat an dem Lagerort, da jeder Regen oder eine Nachlässigkeit das Feuer dem Verlöschen nahe bringen konnte. Man verwandte die bei der Bearbeitung des Holzes, des Steinbeil- griffes und der Waffen losgeschnitzelten Späne oder, wenn man Holz mit Zahn, Muschel oder Stein durchbohrt hatte, das hierbei entstandene Mehl. Fehlte dieser natürliche Zunder oder war er etwa durchnässt, so machte man sich eben welchen. Man zerrieb, schabte, schnitzelte leichtes Holz mit den Werkzeugen aus Zahn, Muschel oder Stein. Wo man die Beil- klinge in eine Holzrinne einliess und dort festband -- so liess sie sich besser spitz- winklig anfügen und erhielt die für den Kanubau zweckmässigste Stellung -- mag man das Zundermehl in einer Rinne geschabt haben; sowohl hier als auch wo man den Holzgriff des Steinbeils quer durchbohrte, wird man nicht übersehen haben, dass der dabei abfallende Staub besonders fein und leicht entzündbar war. Man machte die Beobachtung, dass der relativ schwere, weniger schnell auflohende Holzzunder längere Zeit glimmte als Schwammgewebe und Mark. Dieses Mehl war vorzüglich geeignet, das lebendige Feuer an einen andern Ort zu schaffen, es liess sich in einem beliebigen Rohrstück mit durchlöchertem Deckel, das man bewegte oder in das man zuweilen hineinblies, leicht transportieren, und eine zweite Büchse konnte nachzufüllenden Vorrat bergen. Kurz, wenn es eine
Ueberlegung und ein paar Thatsachen leiten uns auf einen vielleicht aussichts- volleren Weg.
Der Mensch hatte Feuer, unterhielt es, konnte es aber nicht erzeugen. Es ist klar, dass die erste Kunst, die auf dieser Stufe gelernt sein sollte und gelernt wurde, die Neubelebung und die Uebertragung des Feuers an einen andern Ort war. Wir haben auf dem Rückweg der Expedition in der Regenzeit mehrere Male am Morgen nur mit vieler Mühe, obwohl der Kloben noch glühte, genügen- des Feuer erhalten können, alles Holz war nass und wollte nicht brennen; unsere Leute konnten nur dadurch Abhilfe schaffen, dass sie von den feuchten Reisern die Rinde losschälten und mit dem Messer schnitzelnd aus dem Innern eine An- zahl ziemlich trockener Spänchen hervorholten, diese mit grosser Vorsicht und Geduld fast einzeln auf die glimmende Kohle brachten und nun allmählich schwache Flämmchen hervorhauchten, die geschickt genährt zu einem lebens- kräftigen Feuerchen erstarkten. Im Thurn beschreibt dasselbe Verfahren von den Guyana-Indianern. Von den nordamerikanischen Eingeborenen wird berichtet, dass sie glimmende Baumschwämme den Tag hindurch mit sich führten und so ihr Lagerfeuer von Ort zu Ort verpflanzten. Die von unsern Indianern im Kanu mitgenommenen morschen Kloben glimmten mit Leichtigkeit ein bis zwei Tage.
Man entwickelte früh, ehe man das Feuer willkürlich hervorrufen konnte, die Technik des Zunders. Man übertrug das Feuer von einem schwach glimmenden Kloben auf Reiser durch Zufügen von trockenen Halmen, Spänchen, Blättern oder dergleichen. Man lernte die leicht brennbaren Pflanzenteile kennen. Für die Wanderung versorgte man sich mit Zunder von schwammigem Pflanzen- gewebe, man hielt sich davon auch einen Vorrat an dem Lagerort, da jeder Regen oder eine Nachlässigkeit das Feuer dem Verlöschen nahe bringen konnte. Man verwandte die bei der Bearbeitung des Holzes, des Steinbeil- griffes und der Waffen losgeschnitzelten Späne oder, wenn man Holz mit Zahn, Muschel oder Stein durchbohrt hatte, das hierbei entstandene Mehl. Fehlte dieser natürliche Zunder oder war er etwa durchnässt, so machte man sich eben welchen. Man zerrieb, schabte, schnitzelte leichtes Holz mit den Werkzeugen aus Zahn, Muschel oder Stein. Wo man die Beil- klinge in eine Holzrinne einliess und dort festband — so liess sie sich besser spitz- winklig anfügen und erhielt die für den Kanubau zweckmässigste Stellung — mag man das Zundermehl in einer Rinne geschabt haben; sowohl hier als auch wo man den Holzgriff des Steinbeils quer durchbohrte, wird man nicht übersehen haben, dass der dabei abfallende Staub besonders fein und leicht entzündbar war. Man machte die Beobachtung, dass der relativ schwere, weniger schnell auflohende Holzzunder längere Zeit glimmte als Schwammgewebe und Mark. Dieses Mehl war vorzüglich geeignet, das lebendige Feuer an einen andern Ort zu schaffen, es liess sich in einem beliebigen Rohrstück mit durchlöchertem Deckel, das man bewegte oder in das man zuweilen hineinblies, leicht transportieren, und eine zweite Büchse konnte nachzufüllenden Vorrat bergen. Kurz, wenn es eine
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Ueberlegung und ein paar Thatsachen leiten uns auf einen vielleicht aussichts-
volleren Weg.
Der Mensch hatte Feuer, unterhielt es, konnte es aber nicht erzeugen. Es
ist klar, dass die erste Kunst, die auf dieser Stufe gelernt sein sollte und gelernt
wurde, die Neubelebung und die Uebertragung des Feuers an einen andern
Ort war. Wir haben auf dem Rückweg der Expedition in der Regenzeit mehrere
Male am Morgen nur mit vieler Mühe, obwohl der Kloben noch glühte, genügen-
des Feuer erhalten können, alles Holz war nass und wollte nicht brennen; unsere
Leute konnten nur dadurch Abhilfe schaffen, dass sie von den feuchten Reisern
die Rinde losschälten und mit dem Messer schnitzelnd aus dem Innern eine An-
zahl ziemlich trockener Spänchen hervorholten, diese mit grosser Vorsicht und
Geduld fast einzeln auf die glimmende Kohle brachten und nun allmählich
schwache Flämmchen hervorhauchten, die geschickt genährt zu einem lebens-
kräftigen Feuerchen erstarkten. Im Thurn beschreibt dasselbe Verfahren von
den Guyana-Indianern. Von den nordamerikanischen Eingeborenen wird berichtet,
dass sie glimmende Baumschwämme den Tag hindurch mit sich führten und so
ihr Lagerfeuer von Ort zu Ort verpflanzten. Die von unsern Indianern im Kanu
mitgenommenen morschen Kloben glimmten mit Leichtigkeit ein bis zwei Tage.
Man entwickelte früh, ehe man das Feuer willkürlich hervorrufen konnte,
die Technik des Zunders. Man übertrug das Feuer von einem schwach
glimmenden Kloben auf Reiser durch Zufügen von trockenen Halmen, Spänchen,
Blättern oder dergleichen. Man lernte die leicht brennbaren Pflanzenteile kennen.
Für die Wanderung versorgte man sich mit Zunder von schwammigem Pflanzen-
gewebe, man hielt sich davon auch einen Vorrat an dem Lagerort, da jeder
Regen oder eine Nachlässigkeit das Feuer dem Verlöschen nahe bringen konnte.
Man verwandte die bei der Bearbeitung des Holzes, des Steinbeil-
griffes und der Waffen losgeschnitzelten Späne oder, wenn man Holz
mit Zahn, Muschel oder Stein durchbohrt hatte, das hierbei entstandene
Mehl. Fehlte dieser natürliche Zunder oder war er etwa durchnässt, so machte
man sich eben welchen. Man zerrieb, schabte, schnitzelte leichtes Holz
mit den Werkzeugen aus Zahn, Muschel oder Stein. Wo man die Beil-
klinge in eine Holzrinne einliess und dort festband — so liess sie sich besser spitz-
winklig anfügen und erhielt die für den Kanubau zweckmässigste Stellung — mag
man das Zundermehl in einer Rinne geschabt haben; sowohl hier als auch wo
man den Holzgriff des Steinbeils quer durchbohrte, wird man nicht übersehen
haben, dass der dabei abfallende Staub besonders fein und leicht entzündbar war.
Man machte die Beobachtung, dass der relativ schwere, weniger schnell auflohende
Holzzunder längere Zeit glimmte als Schwammgewebe und Mark. Dieses Mehl
war vorzüglich geeignet, das lebendige Feuer an einen andern Ort zu
schaffen, es liess sich in einem beliebigen Rohrstück mit durchlöchertem Deckel,
das man bewegte oder in das man zuweilen hineinblies, leicht transportieren, und
eine zweite Büchse konnte nachzufüllenden Vorrat bergen. Kurz, wenn es eine
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/270>, abgerufen am 25.11.2024.
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