und Bogen, sie fischten mit Netzen, Fangkörben und Reusen, sie hatten ihre Fischhürden im Fluss, durchsetzten den Strom mit Zäunen und Blöcken und schlossen Lagunenarme ab, um die Fische abzusperren, sie rodeten den Wald über grosse Strecken hinaus in schwerer Arbeit, sie bauten sich stattliche Häuser, häuften darin ansehnliche Vorräte, füllten sie mit dem Vielerlei einer fleissigen Handwerkergeschicklichkeit, statteten sich selbst mit buntem Körperschmuck aus und verzierten alles Gerät mit sinnigen Mustern. Wenn mich die Cuyabaner mit wütenden Zeitungsartikeln überschütteten, dass ich gesagt habe, die Wilden des Schingu hätten ein sauberes und besseres Heim als viele Matogrossenser, so will ich, ohne die Ursachen zu vergleichen, ihnen zur Beruhigung zufügen, dass es auch im alten Europa der Dörfer genug giebt, im Gebirge und an der Küste, wo man eine elendere Lebenshaltung führt als am Kulisehu.
Ich zähle die angebauten Nutzpflanzen auf, die wir bei den Indianern be- obachtet haben. Sie gliedern sich A. in solche, die Allgemeingut des süd- amerikanischen Nordens gewesen sind, ehe die Europäer erschienen, und B. in solche, die in der unmittelbaren Umgebung wild vorkamen: A.
[Tabelle]
B.
[Tabelle]
Die Kategorie B. würde sehr wahrscheinlich noch ansehnlich vermehrt werden können. Sie hing vom Bedürfnis ab. Die Fruchtbäume darunter wurden mit grosser Sorgfalt angepflanzt. Ich habe erzählt, dass sich bei dem ersten Bakairi- dorf eine Art Allee von Pikibäumen befand, die Nahuqua pflegten diese Gattung mit Leidenschaft. Die Mangaven waren beliebt und kommen besonders gut fort bei den Bakairi, bei den Kamayura und namentlich, wie mir berichtet wurde, bei den Waura, sodass das Trumaiwort "wauraru" nur die Waurafrucht zu bedeuten scheint. Die Fruta de lobo war weniger häufig beim Dorf zu finden. Dann aber wurden nach Bedarf auch Pflanzen, die sie irgendwie für ihre Gerät- schaften und Waffen bedurften, angepflanzt, wenn sie grade in der Nähe des Ortes nicht vorkamen. So siedelten sie beim Dorf das auf sumpfigem Boden wachsende Lanzengras an, mit dem sie sich rasierten, die Bastpflanzen, die ihnen
v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 14
und Bogen, sie fischten mit Netzen, Fangkörben und Reusen, sie hatten ihre Fischhürden im Fluss, durchsetzten den Strom mit Zäunen und Blöcken und schlossen Lagunenarme ab, um die Fische abzusperren, sie rodeten den Wald über grosse Strecken hinaus in schwerer Arbeit, sie bauten sich stattliche Häuser, häuften darin ansehnliche Vorräte, füllten sie mit dem Vielerlei einer fleissigen Handwerkergeschicklichkeit, statteten sich selbst mit buntem Körperschmuck aus und verzierten alles Gerät mit sinnigen Mustern. Wenn mich die Cuyabaner mit wütenden Zeitungsartikeln überschütteten, dass ich gesagt habe, die Wilden des Schingú hätten ein sauberes und besseres Heim als viele Matogrossenser, so will ich, ohne die Ursachen zu vergleichen, ihnen zur Beruhigung zufügen, dass es auch im alten Europa der Dörfer genug giebt, im Gebirge und an der Küste, wo man eine elendere Lebenshaltung führt als am Kulisehu.
Ich zähle die angebauten Nutzpflanzen auf, die wir bei den Indianern be- obachtet haben. Sie gliedern sich A. in solche, die Allgemeingut des süd- amerikanischen Nordens gewesen sind, ehe die Europäer erschienen, und B. in solche, die in der unmittelbaren Umgebung wild vorkamen: A.
[Tabelle]
B.
[Tabelle]
Die Kategorie B. würde sehr wahrscheinlich noch ansehnlich vermehrt werden können. Sie hing vom Bedürfnis ab. Die Fruchtbäume darunter wurden mit grosser Sorgfalt angepflanzt. Ich habe erzählt, dass sich bei dem ersten Bakaïrí- dorf eine Art Allee von Pikíbäumen befand, die Nahuquá pflegten diese Gattung mit Leidenschaft. Die Mangaven waren beliebt und kommen besonders gut fort bei den Bakaïrí, bei den Kamayurá und namentlich, wie mir berichtet wurde, bei den Waurá, sodass das Trumaíwort »waurarú« nur die Wauráfrucht zu bedeuten scheint. Die Fruta de lobo war weniger häufig beim Dorf zu finden. Dann aber wurden nach Bedarf auch Pflanzen, die sie irgendwie für ihre Gerät- schaften und Waffen bedurften, angepflanzt, wenn sie grade in der Nähe des Ortes nicht vorkamen. So siedelten sie beim Dorf das auf sumpfigem Boden wachsende Lanzengras an, mit dem sie sich rasierten, die Bastpflanzen, die ihnen
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und Bogen, sie fischten mit Netzen, Fangkörben und Reusen, sie hatten ihre
Fischhürden im Fluss, durchsetzten den Strom mit Zäunen und Blöcken und
schlossen Lagunenarme ab, um die Fische abzusperren, sie rodeten den Wald
über grosse Strecken hinaus in schwerer Arbeit, sie bauten sich stattliche Häuser,
häuften darin ansehnliche Vorräte, füllten sie mit dem Vielerlei einer fleissigen
Handwerkergeschicklichkeit, statteten sich selbst mit buntem Körperschmuck aus
und verzierten alles Gerät mit sinnigen Mustern. Wenn mich die Cuyabaner mit
wütenden Zeitungsartikeln überschütteten, dass ich gesagt habe, die Wilden des
Schingú hätten ein sauberes und besseres Heim als viele Matogrossenser, so will
ich, ohne die Ursachen zu vergleichen, ihnen zur Beruhigung zufügen, dass es
auch im alten Europa der Dörfer genug giebt, im Gebirge und an der Küste,
wo man eine elendere Lebenshaltung führt als am Kulisehu.
Ich zähle die angebauten Nutzpflanzen auf, die wir bei den Indianern be-
obachtet haben. Sie gliedern sich A. in solche, die Allgemeingut des süd-
amerikanischen Nordens gewesen sind, ehe die Europäer erschienen, und B.
in solche, die in der unmittelbaren Umgebung wild vorkamen:
A.
B.
Die Kategorie B. würde sehr wahrscheinlich noch ansehnlich vermehrt werden
können. Sie hing vom Bedürfnis ab. Die Fruchtbäume darunter wurden mit
grosser Sorgfalt angepflanzt. Ich habe erzählt, dass sich bei dem ersten Bakaïrí-
dorf eine Art Allee von Pikíbäumen befand, die Nahuquá pflegten diese Gattung
mit Leidenschaft. Die Mangaven waren beliebt und kommen besonders gut fort
bei den Bakaïrí, bei den Kamayurá und namentlich, wie mir berichtet wurde, bei
den Waurá, sodass das Trumaíwort »waurarú« nur die Wauráfrucht zu bedeuten
scheint. Die Fruta de lobo war weniger häufig beim Dorf zu finden. Dann
aber wurden nach Bedarf auch Pflanzen, die sie irgendwie für ihre Gerät-
schaften und Waffen bedurften, angepflanzt, wenn sie grade in der Nähe
des Ortes nicht vorkamen. So siedelten sie beim Dorf das auf sumpfigem Boden
wachsende Lanzengras an, mit dem sie sich rasierten, die Bastpflanzen, die ihnen
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/253>, abgerufen am 22.11.2024.
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