anlehnt, die mit den westlichen Bakairi früher in lebhaftem, bald friedlichem, bald feindlichem Verkehr standen, von denen wir noch zwei als Kinder geraubte Frauen im Paranatingadorf fanden. Die Paressi durchbohrten ihren Frauen die Ohrläppchen, sodass sie von den Bakairifrauen stets zu unterscheiden waren, und ihre Männer durchbohrten die Nasenscheidewand, schoben ein Stückchen Rohr hinein und steckten nur in das eine Ende desselben eine lange Arara- oder ge- wöhnliche Tukanfeder, während der Ohrzierrat der Frauen in dreieckigen Stückchen Nusschale bestand.
Bei den Bakairi werden heute keine Federn mehr in der Nase getragen, doch fanden wir Masken mit einem Loch in der verlängerten Scheidewand der hölzernen Nase, durch das nach jeder Seite eine in einem Rohrstück steckende Ararafeder hinausragte. Auch ist ein Unterschied zwischen der Grösse des Loches bei Männern und Frauen, worauf ich von den Bakairi selbst besonders aufmerksam gemacht wurde; die Männer tragen darin ein dünnes Stück Kambayuwarohr, in das man die Feder steckte oder einen dünnen Knochen, die Frauen einen dicken Kambayuvapflock oder einen dicken Knochen oder Stein. Dieser letztere wird niemals von den Männern verwendet. Wir haben am Kulisehu einige Schmuck- steine aus grauweiss- lichem, stumpf glän- zenden Quarzit ge- sammelt, die zu der Form einer spitzen Spindel zugeschliffen waren und eine Länge
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Abb. 13.
Nasenschmuckstein der Bakairifrauen.
von 6 cm hatten. In wirklichem Gebrauch sahen wir die Nasenspindel, natako, nur bei einer schwangern Frau, die auch mit vielem Halsschmuck behangen war. Diese Steine kamen vom Batovy oder vom Ponekuro, dem rechten Quellfluss des Kulisehu; sie seien selten, sodass gewöhnlich Knochen oder Rohr aushelfen müsste. Wir er- hielten auch Knochen ähnlicher Form, 81/2 cm lang, und eine 7 cm lange, perl- mutterglänzende Spindel, die aus einer Muschel geschnitten war. Die Operation wird ungefähr im fünten Lebensjahre vorgenommen und soll zuweilen mit starker Blutung verbunden sein.
Die Umschnürung der Extremitäten kann ich hier anschliessen, obwohl sie unsern Indianern in dem Grade, wo man erst von einer Körperverletzung reden könnte, noch fremd war. Sie war bei allen Stämmen vielfach im Gebrauch. Man nahm dazu dicke breite Strohbinden, Baumwollstränge, Baumwollstricke oder mit Holznadeln gehäkelte Bänder, und trug sie um den Oberarm und unterhalb des Knies oder oberhalb des Fussknöchels. Am meisten fiel die Sitte im dritten Bakairidorf auf, wo man pralle, fast aufgeschwollene Waden sah. Doch haben wir in dem Maasse dick hervorgetriebene Waden, wie sie von den männlichen oder weiblichen Karaiben des Nordens abgebildet werden, niemals beobachtet. Die Strohbinden bemerkten wir namentlich bei den Nahuqua (vgl. die Abbildung 4).
anlehnt, die mit den westlichen Bakaïrí früher in lebhaftem, bald friedlichem, bald feindlichem Verkehr standen, von denen wir noch zwei als Kinder geraubte Frauen im Paranatingadorf fanden. Die Paressí durchbohrten ihren Frauen die Ohrläppchen, sodass sie von den Bakaïrífrauen stets zu unterscheiden waren, und ihre Männer durchbohrten die Nasenscheidewand, schoben ein Stückchen Rohr hinein und steckten nur in das eine Ende desselben eine lange Arara- oder ge- wöhnliche Tukanfeder, während der Ohrzierrat der Frauen in dreieckigen Stückchen Nusschale bestand.
Bei den Bakaïrí werden heute keine Federn mehr in der Nase getragen, doch fanden wir Masken mit einem Loch in der verlängerten Scheidewand der hölzernen Nase, durch das nach jeder Seite eine in einem Rohrstück steckende Ararafeder hinausragte. Auch ist ein Unterschied zwischen der Grösse des Loches bei Männern und Frauen, worauf ich von den Bakaïrí selbst besonders aufmerksam gemacht wurde; die Männer tragen darin ein dünnes Stück Kambayuwarohr, in das man die Feder steckte oder einen dünnen Knochen, die Frauen einen dicken Kambayuvapflock oder einen dicken Knochen oder Stein. Dieser letztere wird niemals von den Männern verwendet. Wir haben am Kulisehu einige Schmuck- steine aus grauweiss- lichem, stumpf glän- zenden Quarzit ge- sammelt, die zu der Form einer spitzen Spindel zugeschliffen waren und eine Länge
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Nasenschmuckstein der Bakaïrífrauen.
von 6 cm hatten. In wirklichem Gebrauch sahen wir die Nasenspindel, natáko, nur bei einer schwangern Frau, die auch mit vielem Halsschmuck behangen war. Diese Steine kamen vom Batovy oder vom Ponekuro, dem rechten Quellfluss des Kulisehu; sie seien selten, sodass gewöhnlich Knochen oder Rohr aushelfen müsste. Wir er- hielten auch Knochen ähnlicher Form, 8½ cm lang, und eine 7 cm lange, perl- mutterglänzende Spindel, die aus einer Muschel geschnitten war. Die Operation wird ungefähr im fünten Lebensjahre vorgenommen und soll zuweilen mit starker Blutung verbunden sein.
Die Umschnürung der Extremitäten kann ich hier anschliessen, obwohl sie unsern Indianern in dem Grade, wo man erst von einer Körperverletzung reden könnte, noch fremd war. Sie war bei allen Stämmen vielfach im Gebrauch. Man nahm dazu dicke breite Strohbinden, Baumwollstränge, Baumwollstricke oder mit Holznadeln gehäkelte Bänder, und trug sie um den Oberarm und unterhalb des Knies oder oberhalb des Fussknöchels. Am meisten fiel die Sitte im dritten Bakaïrídorf auf, wo man pralle, fast aufgeschwollene Waden sah. Doch haben wir in dem Maasse dick hervorgetriebene Waden, wie sie von den männlichen oder weiblichen Karaiben des Nordens abgebildet werden, niemals beobachtet. Die Strohbinden bemerkten wir namentlich bei den Nahuquá (vgl. die Abbildung 4).
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anlehnt, die mit den westlichen Bakaïrí früher in lebhaftem, bald friedlichem, bald
feindlichem Verkehr standen, von denen wir noch zwei als Kinder geraubte
Frauen im Paranatingadorf fanden. Die Paressí durchbohrten ihren Frauen die
Ohrläppchen, sodass sie von den Bakaïrífrauen stets zu unterscheiden waren, und
ihre Männer durchbohrten die Nasenscheidewand, schoben ein Stückchen Rohr
hinein und steckten nur in das eine Ende desselben eine lange Arara- oder ge-
wöhnliche Tukanfeder, während der Ohrzierrat der Frauen in dreieckigen Stückchen
Nusschale bestand.
Bei den Bakaïrí werden heute keine Federn mehr in der Nase getragen,
doch fanden wir Masken mit einem Loch in der verlängerten Scheidewand der
hölzernen Nase, durch das nach jeder Seite eine in einem Rohrstück steckende
Ararafeder hinausragte. Auch ist ein Unterschied zwischen der Grösse des Loches
bei Männern und Frauen, worauf ich von den Bakaïrí selbst besonders aufmerksam
gemacht wurde; die Männer tragen darin ein dünnes Stück Kambayuwarohr, in
das man die Feder steckte oder einen dünnen Knochen, die Frauen einen dicken
Kambayuvapflock oder einen dicken Knochen oder Stein. Dieser letztere wird
niemals von den Männern verwendet. Wir haben am Kulisehu einige Schmuck-
steine aus grauweiss-
lichem, stumpf glän-
zenden Quarzit ge-
sammelt, die zu der
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waren und eine Länge
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[Abbildung Abb. 13. Nasenschmuckstein der Bakaïrífrauen.]
von 6 cm hatten. In wirklichem Gebrauch sahen wir die Nasenspindel, natáko, nur bei
einer schwangern Frau, die auch mit vielem Halsschmuck behangen war. Diese
Steine kamen vom Batovy oder vom Ponekuro, dem rechten Quellfluss des Kulisehu;
sie seien selten, sodass gewöhnlich Knochen oder Rohr aushelfen müsste. Wir er-
hielten auch Knochen ähnlicher Form, 8½ cm lang, und eine 7 cm lange, perl-
mutterglänzende Spindel, die aus einer Muschel geschnitten war. Die Operation
wird ungefähr im fünten Lebensjahre vorgenommen und soll zuweilen mit starker
Blutung verbunden sein.
Die Umschnürung der Extremitäten kann ich hier anschliessen, obwohl
sie unsern Indianern in dem Grade, wo man erst von einer Körperverletzung
reden könnte, noch fremd war. Sie war bei allen Stämmen vielfach im Gebrauch.
Man nahm dazu dicke breite Strohbinden, Baumwollstränge, Baumwollstricke oder
mit Holznadeln gehäkelte Bänder, und trug sie um den Oberarm und unterhalb
des Knies oder oberhalb des Fussknöchels. Am meisten fiel die Sitte im dritten
Bakaïrídorf auf, wo man pralle, fast aufgeschwollene Waden sah. Doch haben
wir in dem Maasse dick hervorgetriebene Waden, wie sie von den männlichen
oder weiblichen Karaiben des Nordens abgebildet werden, niemals beobachtet.
Die Strohbinden bemerkten wir namentlich bei den Nahuquá (vgl. die Abbildung 4).
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/225>, abgerufen am 21.11.2024.
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