wohnte der Begleiter Rondons, Chico Velho, der eine der beiden Versprengten. Er hatte 21 Tage für den einsamen Heimweg gebraucht. Wir lernten einen alten Graukopf kennen, der die Bakairi des Paranatinga im Jahre 1835 oder 36 besucht hatte. Seine Schilderung entsprach noch in Allem unsern Erfahrungen vom Schingu, nur dass die Indianer damals schon die brasilischen Nutzpflanzen und Haustiere besassen. Zur Feier von Ehrenreich's Geburtstag wurde ein grosser Grog gebraut und Carlos brachte einen gereimten protugiesischen Trinkspruch aus, der begann, "viva a rosa", es lebe die Rose, aber schliesslich mit einem kühnen Sprung auf den Doutor Paulo übersetzte. Die Maultiere erhielten nun zum ersten Mal Mais und konnten vor Aufregung fast nicht fressen; was uns die Fazenda S. Manoel war, war ihnen die von Ponte alta.
Wir kamen jetzt auf die von Cuyaba nach Goyaz führende Strasse und merkten bald lebhafteren Verkehr. Trafen wir doch ein halbes Dutzend Be- rittener, die nach der Kirche von Chapada zur Wahl zogen. Unter ihnen war ein prächtiger alter Neger-Gentleman mit kleinem Kopf und weissem Gebiss ("Garderobenhalter" nach Ehrenreich), mit gelbem Strohhut, gelber Nankingjacke, weisser Weste, weissen Hosen, Stulpstiefeln und blinkender Sporenkette; unser seltsamer Aufzug, besonders die starrenden Pfeilbündel und die Reusen auf dem Rücken von Ehrenreich und mir machten ihm einen Heidenspass, und als er schon weit voraus war, hörten wir noch das laute zwanglose Niggerlachen.
Am 29. Dezember begann der Abstieg von der Chapada. Das Wahr- zeichen der Cuyaba-Ebene, der blaue Bergkegel S. Antonio erscheint. Wald, breiter, mit Sandsteinblöcken überstreuter Weg, Steinwände wie alte Burgmauern, ein verwahrloster Schlosspark riesigen Massstabs. Allmählich geht es mühsamer und steiler bergab. Quarzgeröll und Schiefer, glühender Sonnenbrand, durch den Reflex gesteigert. Schwer zu begreifen, wie hier Karren verkehren. Lager am Corrego Formoso, am "schönen Bach", in Gewitter und Regen. Am 30. Dezember passieren wir mehrere Ansiedlungen; ein altes Weib fragt angelegentlich, ob wir viel Gold gefunden hätten. Wir übernachten bei einer kleinen Fazenda, deren Besitzer sich zur Stadtverordneten-Wahl nach Cuyaba begeben hat. Am nächsten Morgen ist Allen schon um 4 Uhr früh der Schlaf verflogen. Man hört nur noch "cidade, cidade", denn Cuyaba ist die Stadt natürlich. In einer Stunde am Coxipo, der 5 Kilometer unterhalb der Hauptstadt in den Cuyaba mündet. Er wird an einer Furt durchschritten. Es ist das Flüsschen, wo 1719 das erste Gold gefunden und die erste Niederlassung der Paulisten gegründet wurde.
Perrot, schon wieder ganz von dem Dämon der bürgerlichen Wohlanständigkeit erfasst, schämt sich leider seines zerlumpten Aussehens und ist vorausgeritten, um möglichst ungesehen seine Wohnung zu erreichen. Wir aber schämen uns gar nicht. Wir schmücken unsere Hutdeckel mit grünem Laub, binden den braven Maul- tieren grüne Zweige auf den Halsrücken, und geniessen in vollen Zügen den Anblick des plötzlich erscheinenden freundlichen Städtchens mit den merkwürdig vielen Häusern und Ziegeldächern, mit der "Kathedrale" des Senhor Bom Jesus
wohnte der Begleiter Rondons, Chico Velho, der eine der beiden Versprengten. Er hatte 21 Tage für den einsamen Heimweg gebraucht. Wir lernten einen alten Graukopf kennen, der die Bakaïrí des Paranatinga im Jahre 1835 oder 36 besucht hatte. Seine Schilderung entsprach noch in Allem unsern Erfahrungen vom Schingú, nur dass die Indianer damals schon die brasilischen Nutzpflanzen und Haustiere besassen. Zur Feier von Ehrenreich’s Geburtstag wurde ein grosser Grog gebraut und Carlos brachte einen gereimten protugiesischen Trinkspruch aus, der begann, »viva a rosa«, es lebe die Rose, aber schliesslich mit einem kühnen Sprung auf den Doutor Paulo übersetzte. Die Maultiere erhielten nun zum ersten Mal Mais und konnten vor Aufregung fast nicht fressen; was uns die Fazenda S. Manoel war, war ihnen die von Ponte alta.
Wir kamen jetzt auf die von Cuyabá nach Goyaz führende Strasse und merkten bald lebhafteren Verkehr. Trafen wir doch ein halbes Dutzend Be- rittener, die nach der Kirche von Chapada zur Wahl zogen. Unter ihnen war ein prächtiger alter Neger-Gentleman mit kleinem Kopf und weissem Gebiss (»Garderobenhalter« nach Ehrenreich), mit gelbem Strohhut, gelber Nankingjacke, weisser Weste, weissen Hosen, Stulpstiefeln und blinkender Sporenkette; unser seltsamer Aufzug, besonders die starrenden Pfeilbündel und die Reusen auf dem Rücken von Ehrenreich und mir machten ihm einen Heidenspass, und als er schon weit voraus war, hörten wir noch das laute zwanglose Niggerlachen.
Am 29. Dezember begann der Abstieg von der Chapada. Das Wahr- zeichen der Cuyabá-Ebene, der blaue Bergkegel S. Antonio erscheint. Wald, breiter, mit Sandsteinblöcken überstreuter Weg, Steinwände wie alte Burgmauern, ein verwahrloster Schlosspark riesigen Massstabs. Allmählich geht es mühsamer und steiler bergab. Quarzgeröll und Schiefer, glühender Sonnenbrand, durch den Reflex gesteigert. Schwer zu begreifen, wie hier Karren verkehren. Lager am Corrego Formoso, am »schönen Bach«, in Gewitter und Regen. Am 30. Dezember passieren wir mehrere Ansiedlungen; ein altes Weib fragt angelegentlich, ob wir viel Gold gefunden hätten. Wir übernachten bei einer kleinen Fazenda, deren Besitzer sich zur Stadtverordneten-Wahl nach Cuyabá begeben hat. Am nächsten Morgen ist Allen schon um 4 Uhr früh der Schlaf verflogen. Man hört nur noch »cidade, cidade«, denn Cuyabá ist die Stadt natürlich. In einer Stunde am Coxipó, der 5 Kilometer unterhalb der Hauptstadt in den Cuyabá mündet. Er wird an einer Furt durchschritten. Es ist das Flüsschen, wo 1719 das erste Gold gefunden und die erste Niederlassung der Paulisten gegründet wurde.
Perrot, schon wieder ganz von dem Dämon der bürgerlichen Wohlanständigkeit erfasst, schämt sich leider seines zerlumpten Aussehens und ist vorausgeritten, um möglichst ungesehen seine Wohnung zu erreichen. Wir aber schämen uns gar nicht. Wir schmücken unsere Hutdeckel mit grünem Laub, binden den braven Maul- tieren grüne Zweige auf den Halsrücken, und geniessen in vollen Zügen den Anblick des plötzlich erscheinenden freundlichen Städtchens mit den merkwürdig vielen Häusern und Ziegeldächern, mit der »Kathedrale« des Senhor Bom Jesus
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Er hatte 21 Tage für den einsamen Heimweg gebraucht. Wir lernten einen
alten Graukopf kennen, der die Bakaïrí des Paranatinga im Jahre 1835 oder 36
besucht hatte. Seine Schilderung entsprach noch in Allem unsern Erfahrungen
vom Schingú, nur dass die Indianer damals schon die brasilischen Nutzpflanzen
und Haustiere besassen. Zur Feier von Ehrenreich’s Geburtstag wurde ein grosser
Grog gebraut und Carlos brachte einen gereimten protugiesischen Trinkspruch
aus, der begann, »viva a rosa«, es lebe die Rose, aber schliesslich mit einem
kühnen Sprung auf den Doutor Paulo übersetzte. Die Maultiere erhielten nun
zum ersten Mal Mais und konnten vor Aufregung fast nicht fressen; was uns die
Fazenda S. Manoel war, war ihnen die von Ponte alta.
Wir kamen jetzt auf die von Cuyabá nach Goyaz führende Strasse und
merkten bald lebhafteren Verkehr. Trafen wir doch ein halbes Dutzend Be-
rittener, die nach der Kirche von Chapada zur Wahl zogen. Unter ihnen war
ein prächtiger alter Neger-Gentleman mit kleinem Kopf und weissem Gebiss
(»Garderobenhalter« nach Ehrenreich), mit gelbem Strohhut, gelber Nankingjacke,
weisser Weste, weissen Hosen, Stulpstiefeln und blinkender Sporenkette; unser
seltsamer Aufzug, besonders die starrenden Pfeilbündel und die Reusen auf dem
Rücken von Ehrenreich und mir machten ihm einen Heidenspass, und als er
schon weit voraus war, hörten wir noch das laute zwanglose Niggerlachen.
Am 29. Dezember begann der Abstieg von der Chapada. Das Wahr-
zeichen der Cuyabá-Ebene, der blaue Bergkegel S. Antonio erscheint. Wald,
breiter, mit Sandsteinblöcken überstreuter Weg, Steinwände wie alte Burgmauern,
ein verwahrloster Schlosspark riesigen Massstabs. Allmählich geht es mühsamer
und steiler bergab. Quarzgeröll und Schiefer, glühender Sonnenbrand, durch den
Reflex gesteigert. Schwer zu begreifen, wie hier Karren verkehren. Lager am
Corrego Formoso, am »schönen Bach«, in Gewitter und Regen. Am 30. Dezember
passieren wir mehrere Ansiedlungen; ein altes Weib fragt angelegentlich, ob wir
viel Gold gefunden hätten. Wir übernachten bei einer kleinen Fazenda, deren
Besitzer sich zur Stadtverordneten-Wahl nach Cuyabá begeben hat. Am nächsten
Morgen ist Allen schon um 4 Uhr früh der Schlaf verflogen. Man hört nur
noch »cidade, cidade«, denn Cuyabá ist die Stadt natürlich. In einer Stunde am
Coxipó, der 5 Kilometer unterhalb der Hauptstadt in den Cuyabá mündet. Er
wird an einer Furt durchschritten. Es ist das Flüsschen, wo 1719 das erste Gold
gefunden und die erste Niederlassung der Paulisten gegründet wurde.
Perrot, schon wieder ganz von dem Dämon der bürgerlichen Wohlanständigkeit
erfasst, schämt sich leider seines zerlumpten Aussehens und ist vorausgeritten, um
möglichst ungesehen seine Wohnung zu erreichen. Wir aber schämen uns gar nicht.
Wir schmücken unsere Hutdeckel mit grünem Laub, binden den braven Maul-
tieren grüne Zweige auf den Halsrücken, und geniessen in vollen Zügen den
Anblick des plötzlich erscheinenden freundlichen Städtchens mit den merkwürdig
vielen Häusern und Ziegeldächern, mit der »Kathedrale« des Senhor Bom Jesus
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/191>, abgerufen am 23.11.2024.
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