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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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geschätzten Jahu gefangen. Das hatte die Stimmung gehoben und wahrscheinlich
auch den Puls. Wilhelm hat in seinem Tagebuch die auffallend niedrigen Puls-
zahlen verzeichnet, die man am 10. Dezember zufällig beobachtet hatte, Vogel 44,
Wilhelm und Perrot 56, Ehrenreich 60, Januario aber 76.

Am 13. Dezember mussten wir unthätig liegen, da der Paranatinga bei an-
dauerndem Regen 1 m hoch gestiegen war. Am 14. begann das Uebersetzen
mit den Holzsätteln, die Gomez drüben, soweit möglich, unter Ausrufen sach-
verständigen Entsetzens zusammenflickte. Am 15. lächelte uns die Sonne, und
am 16. schlachteten und assen wir auf dem Retiro einen einjährigen Ochsen,
einen mamote (Säugling); der würdige Gastfreund Veado kommandierte die ge-
lehrten Herren in einer Weise zum Lassieren (wobei ich mir den kleinen Finger
fast ausrenkte), zum Herbeiholen grüner Zweige, zum Abhäuten und Zerlegen,
dass man sah, er war von dem unvernünftigen "Ew. Hochwohlgeboren" der ersten
Begrüssung zurückgekommen.

Der Pakufluss machte es ziemlich gnädig, die Bruaken wurden hinübergetragen
und gaben den Leuten ein angenehmes Gegengewicht gegen die Strömung, während
die nur mit der emporgehaltenen Kleidung belasteten, am schief eingestemmten
Wanderstab daherschreitenden Doktores sich kaum getrauten, die schlanke Stütze
von dem beweglichen Geröllgrund zu lüften und einen Schritt weiter zu verpflanzen.

Zu Vogel's Geburtstag am 17. Dezember zogen wir denn endlich allesamt
in das Eldorado der Fazenda ein. Es entwickelte sich bald eine fieberhafte Ge-
schäftigkeit. Antonio schleppte Holz herbei und briet Mandioka in der Asche;
wir hatten ein Stämmchen mit fast meterlangen Wurzeln erhalten. Perrot und
Vogel veranstalteten ein Wettkochen, jener "Kartoffelpuffer" aus Mandioka d. h.
nicht aus der giftigen, sondern aus der gutartigen "Aypim"-Wurzel, sagen wir
Mandiokapuffer, dieser einen Schmarrn in Aussicht stellend. Manoel zerrieb die
Manihot utilissima, Januario schlug Eier auf, Wilhelm schnitt Speckwürfel, Vogel
rührte die Eier mit Maismehl an und Perrot bearbeitete in einer riesigen Kürbis-
schale seine Konkurrenzmischung, Ehrenreich holte Kaffee bei Donna Brasilina.
Die Puffer siegten glänzend über den Schmarrn. Gaben doch zwei anwesende
Rheinländer das Gutachten ab, dass diese Mandiokapuffer die heimischen Reib-
kuchen überträfen. Dem Wettkochen folgte ein Wett-, nennen wir es dem Leser
zuliebe ein Wett-essen. Aber die Kehrseite der Medaille, die dem glücklichen
Tage folgende tiefunglückliche Nacht! Vergeblich hatte Ehrenreich gewarnt mit
seinem früher so oft unangebracht zitierten Lieblingsspruch, Jesus Sirach 37,
Vers 32--34: "Ueberfülle Dich nicht mit allerley niedlicher Speise, und friss nicht
zu gierig. Denn viel Fressen macht krank, und ein unsättiger Frass kriegt das
Grimmen. Viele haben sich zu Tode gefressen; wer aber mässig isset, der lebt
desto länger."

Am 18. und 19. Dezember schien die Sonne, Alles trocknete, die Bruaken
derartig, dass sie nicht ausgepackt werden konnten, weil es unmöglich gewesen
wäre, sie in der verschrumpelten Form wieder hineinzupacken. In der Nacht

geschätzten Jahú gefangen. Das hatte die Stimmung gehoben und wahrscheinlich
auch den Puls. Wilhelm hat in seinem Tagebuch die auffallend niedrigen Puls-
zahlen verzeichnet, die man am 10. Dezember zufällig beobachtet hatte, Vogel 44,
Wilhelm und Perrot 56, Ehrenreich 60, Januario aber 76.

Am 13. Dezember mussten wir unthätig liegen, da der Paranatinga bei an-
dauerndem Regen 1 m hoch gestiegen war. Am 14. begann das Uebersetzen
mit den Holzsätteln, die Gomez drüben, soweit möglich, unter Ausrufen sach-
verständigen Entsetzens zusammenflickte. Am 15. lächelte uns die Sonne, und
am 16. schlachteten und assen wir auf dem Retiro einen einjährigen Ochsen,
einen mamote (Säugling); der würdige Gastfreund Veado kommandierte die ge-
lehrten Herren in einer Weise zum Lassieren (wobei ich mir den kleinen Finger
fast ausrenkte), zum Herbeiholen grüner Zweige, zum Abhäuten und Zerlegen,
dass man sah, er war von dem unvernünftigen »Ew. Hochwohlgeboren« der ersten
Begrüssung zurückgekommen.

Der Pakúfluss machte es ziemlich gnädig, die Bruaken wurden hinübergetragen
und gaben den Leuten ein angenehmes Gegengewicht gegen die Strömung, während
die nur mit der emporgehaltenen Kleidung belasteten, am schief eingestemmten
Wanderstab daherschreitenden Doktores sich kaum getrauten, die schlanke Stütze
von dem beweglichen Geröllgrund zu lüften und einen Schritt weiter zu verpflanzen.

Zu Vogel’s Geburtstag am 17. Dezember zogen wir denn endlich allesamt
in das Eldorado der Fazenda ein. Es entwickelte sich bald eine fieberhafte Ge-
schäftigkeit. Antonio schleppte Holz herbei und briet Mandioka in der Asche;
wir hatten ein Stämmchen mit fast meterlangen Wurzeln erhalten. Perrot und
Vogel veranstalteten ein Wettkochen, jener »Kartoffelpuffer« aus Mandioka d. h.
nicht aus der giftigen, sondern aus der gutartigen »Aypim«-Wurzel, sagen wir
Mandiokapuffer, dieser einen Schmarrn in Aussicht stellend. Manoel zerrieb die
Manihot utilissima, Januario schlug Eier auf, Wilhelm schnitt Speckwürfel, Vogel
rührte die Eier mit Maismehl an und Perrot bearbeitete in einer riesigen Kürbis-
schale seine Konkurrenzmischung, Ehrenreich holte Kaffee bei Donna Brasilina.
Die Puffer siegten glänzend über den Schmarrn. Gaben doch zwei anwesende
Rheinländer das Gutachten ab, dass diese Mandiokapuffer die heimischen Reib-
kuchen überträfen. Dem Wettkochen folgte ein Wett-, nennen wir es dem Leser
zuliebe ein Wett-essen. Aber die Kehrseite der Medaille, die dem glücklichen
Tage folgende tiefunglückliche Nacht! Vergeblich hatte Ehrenreich gewarnt mit
seinem früher so oft unangebracht zitierten Lieblingsspruch, Jesus Sirach 37,
Vers 32—34: »Ueberfülle Dich nicht mit allerley niedlicher Speise, und friss nicht
zu gierig. Denn viel Fressen macht krank, und ein unsättiger Frass kriegt das
Grimmen. Viele haben sich zu Tode gefressen; wer aber mässig isset, der lebt
desto länger.«

Am 18. und 19. Dezember schien die Sonne, Alles trocknete, die Bruaken
derartig, dass sie nicht ausgepackt werden konnten, weil es unmöglich gewesen
wäre, sie in der verschrumpelten Form wieder hineinzupacken. In der Nacht

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[148/0188] geschätzten Jahú gefangen. Das hatte die Stimmung gehoben und wahrscheinlich auch den Puls. Wilhelm hat in seinem Tagebuch die auffallend niedrigen Puls- zahlen verzeichnet, die man am 10. Dezember zufällig beobachtet hatte, Vogel 44, Wilhelm und Perrot 56, Ehrenreich 60, Januario aber 76. Am 13. Dezember mussten wir unthätig liegen, da der Paranatinga bei an- dauerndem Regen 1 m hoch gestiegen war. Am 14. begann das Uebersetzen mit den Holzsätteln, die Gomez drüben, soweit möglich, unter Ausrufen sach- verständigen Entsetzens zusammenflickte. Am 15. lächelte uns die Sonne, und am 16. schlachteten und assen wir auf dem Retiro einen einjährigen Ochsen, einen mamote (Säugling); der würdige Gastfreund Veado kommandierte die ge- lehrten Herren in einer Weise zum Lassieren (wobei ich mir den kleinen Finger fast ausrenkte), zum Herbeiholen grüner Zweige, zum Abhäuten und Zerlegen, dass man sah, er war von dem unvernünftigen »Ew. Hochwohlgeboren« der ersten Begrüssung zurückgekommen. Der Pakúfluss machte es ziemlich gnädig, die Bruaken wurden hinübergetragen und gaben den Leuten ein angenehmes Gegengewicht gegen die Strömung, während die nur mit der emporgehaltenen Kleidung belasteten, am schief eingestemmten Wanderstab daherschreitenden Doktores sich kaum getrauten, die schlanke Stütze von dem beweglichen Geröllgrund zu lüften und einen Schritt weiter zu verpflanzen. Zu Vogel’s Geburtstag am 17. Dezember zogen wir denn endlich allesamt in das Eldorado der Fazenda ein. Es entwickelte sich bald eine fieberhafte Ge- schäftigkeit. Antonio schleppte Holz herbei und briet Mandioka in der Asche; wir hatten ein Stämmchen mit fast meterlangen Wurzeln erhalten. Perrot und Vogel veranstalteten ein Wettkochen, jener »Kartoffelpuffer« aus Mandioka d. h. nicht aus der giftigen, sondern aus der gutartigen »Aypim«-Wurzel, sagen wir Mandiokapuffer, dieser einen Schmarrn in Aussicht stellend. Manoel zerrieb die Manihot utilissima, Januario schlug Eier auf, Wilhelm schnitt Speckwürfel, Vogel rührte die Eier mit Maismehl an und Perrot bearbeitete in einer riesigen Kürbis- schale seine Konkurrenzmischung, Ehrenreich holte Kaffee bei Donna Brasilina. Die Puffer siegten glänzend über den Schmarrn. Gaben doch zwei anwesende Rheinländer das Gutachten ab, dass diese Mandiokapuffer die heimischen Reib- kuchen überträfen. Dem Wettkochen folgte ein Wett-, nennen wir es dem Leser zuliebe ein Wett-essen. Aber die Kehrseite der Medaille, die dem glücklichen Tage folgende tiefunglückliche Nacht! Vergeblich hatte Ehrenreich gewarnt mit seinem früher so oft unangebracht zitierten Lieblingsspruch, Jesus Sirach 37, Vers 32—34: »Ueberfülle Dich nicht mit allerley niedlicher Speise, und friss nicht zu gierig. Denn viel Fressen macht krank, und ein unsättiger Frass kriegt das Grimmen. Viele haben sich zu Tode gefressen; wer aber mässig isset, der lebt desto länger.« Am 18. und 19. Dezember schien die Sonne, Alles trocknete, die Bruaken derartig, dass sie nicht ausgepackt werden konnten, weil es unmöglich gewesen wäre, sie in der verschrumpelten Form wieder hineinzupacken. In der Nacht

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/188>, abgerufen am 24.11.2024.