Verdauungsstörungen waren überall vorhanden, abgesehen von den Fieber- anfällen. Sie schienen mehr von der Nässe herzurühren. Füsse, Glieder, Kleider, Taschen, Hängematten, Nachtsäcke, Alles war nass, was man anfasste. Man neigte zuweilen zu dem Glauben, dass sich der sumpfige Kamp in eine Lagune und wir selbst uns in Frösche zu verwandeln im Begriff waren. Wir verloren die Lust am Anblick der oft sehr stimmungsvoll wässrigen Landschaft und be- grüssten als die einzige richtige Staffage eines Tages einen riesigen Cervo oder Sumpfhirsch, in der Ferne einem gelben Ochsen ähnlich, der langsam und schwerfällig, das Haupt gesenkt und vorgestreckt, ein Bild aus vorsündflutlichen Zeiten, mit stumpfer Neugier bis auf 20 Schritt an uns herankam, aus Antonio's Flinte einen Schrotschuss in die Brust empfing und daraufhin abtrollte, von den wütenden Hunden verfolgt.
Unsere Sachen faulten elendiglich. Die früher nur allzusteifen und buckligen Ochsenhäute, die vor der Nässe schützen sollten, verwandelten sich in schlappe Lappen, sie wurden von spitzen Dingen widerstandslos durchlöchert und rissen bei stärkerer Anspannung in breite Fetzen. Nur zwei Häute noch konnten als Pelota dienen. Die Ledersäcke verfielen demselben Erweichungsprozess; die Holzsättel zerbrachen, wurden notdürftig zusammengeflickt, passten nicht mehr und erzeugten auf den Eselrücken flache Hautwunden, die sich mit eitrigen Krusten bedeckten und trauliche Heimstätten boten für allerlei "bichos damnados", zu Deutsch "verdammtes Viehzeug". Was geleimt und geklebt war, was Papier oder Pappdeckel hiess -- ave Maria! Die Sammlung, die photographischen Platten, wir zitterten um ihretwillen an jedem Bach, wir stürzten hinter den einzelnen Stücken her wie Mütter, deren Kinder in's Wasser fallen, aber man wusste nicht, hatten sich die Esel niederträchtiger Weise verschworen, gerade mit der kostbarsten Ladung in die nasse Tiefe abzurutschen oder -- nur Esel ver- mögen darüber zu entscheiden -- steigerte sich bei ihnen umgekehrt edelmütige Sorge für unser wertvollstes Gepäck zu einer Angst, um Himmelswillen nicht fehlzutreten, die sie mit Blindheit schlug und im kritischen Augenblick der Gegen- wart des Geistes beraubte?
Am 28. November setzten wir über den Südostarm des Batovy mit vielem Aufenthalt, am nächsten Morgen passierten die Tiere. Wir beschlossen, den schönen Tag zum Trocknen zu benutzen. Perrot und Januario, die Berittenen, sollten derweil den Briefkasten aufsuchen und uns die Antwort Rondons holen; es wurde angenommen, dass sie in 3 bis 4 Stunden dort sein konnten. Vor- sichtiger Weise nahmen sie Decken, Salz und Gewehre mit. Doch kehrten sie weder an diesem Abend noch am nächsten Morgen zurück. Wir waren bei der mondhellen Nacht gänzlich unbesorgt und beschlossen, langsam vorzurücken. Am 1. Dezember waren sie noch immer nicht zurück. Wir zündeten auf einem Hügel Feuer an, das nur eine schwache Rauchsäule entwickelte, schossen ver- schiedentlich und gingen unsrerseits den Briefkasten aufsuchen. Es zeigte sich, dass er um einen Chapadao weiter war, als wir gerechnet hatten. Antonio habe
Verdauungsstörungen waren überall vorhanden, abgesehen von den Fieber- anfällen. Sie schienen mehr von der Nässe herzurühren. Füsse, Glieder, Kleider, Taschen, Hängematten, Nachtsäcke, Alles war nass, was man anfasste. Man neigte zuweilen zu dem Glauben, dass sich der sumpfige Kamp in eine Lagune und wir selbst uns in Frösche zu verwandeln im Begriff waren. Wir verloren die Lust am Anblick der oft sehr stimmungsvoll wässrigen Landschaft und be- grüssten als die einzige richtige Staffage eines Tages einen riesigen Cervo oder Sumpfhirsch, in der Ferne einem gelben Ochsen ähnlich, der langsam und schwerfällig, das Haupt gesenkt und vorgestreckt, ein Bild aus vorsündflutlichen Zeiten, mit stumpfer Neugier bis auf 20 Schritt an uns herankam, aus Antonio’s Flinte einen Schrotschuss in die Brust empfing und daraufhin abtrollte, von den wütenden Hunden verfolgt.
Unsere Sachen faulten elendiglich. Die früher nur allzusteifen und buckligen Ochsenhäute, die vor der Nässe schützen sollten, verwandelten sich in schlappe Lappen, sie wurden von spitzen Dingen widerstandslos durchlöchert und rissen bei stärkerer Anspannung in breite Fetzen. Nur zwei Häute noch konnten als Pelota dienen. Die Ledersäcke verfielen demselben Erweichungsprozess; die Holzsättel zerbrachen, wurden notdürftig zusammengeflickt, passten nicht mehr und erzeugten auf den Eselrücken flache Hautwunden, die sich mit eitrigen Krusten bedeckten und trauliche Heimstätten boten für allerlei »bichos damnados«, zu Deutsch »verdammtes Viehzeug«. Was geleimt und geklebt war, was Papier oder Pappdeckel hiess — ave Maria! Die Sammlung, die photographischen Platten, wir zitterten um ihretwillen an jedem Bach, wir stürzten hinter den einzelnen Stücken her wie Mütter, deren Kinder in’s Wasser fallen, aber man wusste nicht, hatten sich die Esel niederträchtiger Weise verschworen, gerade mit der kostbarsten Ladung in die nasse Tiefe abzurutschen oder — nur Esel ver- mögen darüber zu entscheiden — steigerte sich bei ihnen umgekehrt edelmütige Sorge für unser wertvollstes Gepäck zu einer Angst, um Himmelswillen nicht fehlzutreten, die sie mit Blindheit schlug und im kritischen Augenblick der Gegen- wart des Geistes beraubte?
Am 28. November setzten wir über den Südostarm des Batovy mit vielem Aufenthalt, am nächsten Morgen passierten die Tiere. Wir beschlossen, den schönen Tag zum Trocknen zu benutzen. Perrot und Januario, die Berittenen, sollten derweil den Briefkasten aufsuchen und uns die Antwort Rondons holen; es wurde angenommen, dass sie in 3 bis 4 Stunden dort sein konnten. Vor- sichtiger Weise nahmen sie Decken, Salz und Gewehre mit. Doch kehrten sie weder an diesem Abend noch am nächsten Morgen zurück. Wir waren bei der mondhellen Nacht gänzlich unbesorgt und beschlossen, langsam vorzurücken. Am 1. Dezember waren sie noch immer nicht zurück. Wir zündeten auf einem Hügel Feuer an, das nur eine schwache Rauchsäule entwickelte, schossen ver- schiedentlich und gingen unsrerseits den Briefkasten aufsuchen. Es zeigte sich, dass er um einen Chapadão weiter war, als wir gerechnet hatten. Antonio habe
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Verdauungsstörungen waren überall vorhanden, abgesehen von den Fieber-
anfällen. Sie schienen mehr von der Nässe herzurühren. Füsse, Glieder, Kleider,
Taschen, Hängematten, Nachtsäcke, Alles war nass, was man anfasste. Man
neigte zuweilen zu dem Glauben, dass sich der sumpfige Kamp in eine Lagune
und wir selbst uns in Frösche zu verwandeln im Begriff waren. Wir verloren
die Lust am Anblick der oft sehr stimmungsvoll wässrigen Landschaft und be-
grüssten als die einzige richtige Staffage eines Tages einen riesigen Cervo oder
Sumpfhirsch, in der Ferne einem gelben Ochsen ähnlich, der langsam und
schwerfällig, das Haupt gesenkt und vorgestreckt, ein Bild aus vorsündflutlichen
Zeiten, mit stumpfer Neugier bis auf 20 Schritt an uns herankam, aus Antonio’s
Flinte einen Schrotschuss in die Brust empfing und daraufhin abtrollte, von den
wütenden Hunden verfolgt.
Unsere Sachen faulten elendiglich. Die früher nur allzusteifen und buckligen
Ochsenhäute, die vor der Nässe schützen sollten, verwandelten sich in schlappe
Lappen, sie wurden von spitzen Dingen widerstandslos durchlöchert und rissen
bei stärkerer Anspannung in breite Fetzen. Nur zwei Häute noch konnten als
Pelota dienen. Die Ledersäcke verfielen demselben Erweichungsprozess; die
Holzsättel zerbrachen, wurden notdürftig zusammengeflickt, passten nicht mehr
und erzeugten auf den Eselrücken flache Hautwunden, die sich mit eitrigen
Krusten bedeckten und trauliche Heimstätten boten für allerlei »bichos damnados«,
zu Deutsch »verdammtes Viehzeug«. Was geleimt und geklebt war, was Papier
oder Pappdeckel hiess — ave Maria! Die Sammlung, die photographischen
Platten, wir zitterten um ihretwillen an jedem Bach, wir stürzten hinter den
einzelnen Stücken her wie Mütter, deren Kinder in’s Wasser fallen, aber man
wusste nicht, hatten sich die Esel niederträchtiger Weise verschworen, gerade mit
der kostbarsten Ladung in die nasse Tiefe abzurutschen oder — nur Esel ver-
mögen darüber zu entscheiden — steigerte sich bei ihnen umgekehrt edelmütige
Sorge für unser wertvollstes Gepäck zu einer Angst, um Himmelswillen nicht
fehlzutreten, die sie mit Blindheit schlug und im kritischen Augenblick der Gegen-
wart des Geistes beraubte?
Am 28. November setzten wir über den Südostarm des Batovy mit vielem
Aufenthalt, am nächsten Morgen passierten die Tiere. Wir beschlossen, den
schönen Tag zum Trocknen zu benutzen. Perrot und Januario, die Berittenen,
sollten derweil den Briefkasten aufsuchen und uns die Antwort Rondons holen;
es wurde angenommen, dass sie in 3 bis 4 Stunden dort sein konnten. Vor-
sichtiger Weise nahmen sie Decken, Salz und Gewehre mit. Doch kehrten sie
weder an diesem Abend noch am nächsten Morgen zurück. Wir waren bei der
mondhellen Nacht gänzlich unbesorgt und beschlossen, langsam vorzurücken. Am
1. Dezember waren sie noch immer nicht zurück. Wir zündeten auf einem
Hügel Feuer an, das nur eine schwache Rauchsäule entwickelte, schossen ver-
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dass er um einen Chapadão weiter war, als wir gerechnet hatten. Antonio habe
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/181>, abgerufen am 27.11.2024.
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