Nahuqua vom Kuluene, weil es bei der vorgerückten Zeit unmöglich war, sie selbst aufzusuchen. Da hatte der Guikuru-Nahuqua, den wir im Nahuquadorf getroffen, die Reise hinter uns gemacht, und ihm hatte sich eine Familie von vier Yanu- makapü oder Yanumakabihü, die etwa eine halbe Tagereise landeinwärts zwischen Kulisehu und Kuluene zu wohnen schienen, angeschlossen. Da yanumaka bei den Mehinaku, Kustenau, Waura und Yaulapiti das Wort für "Jaguar" ist, so dachte ich schon an eine Vermischung von Nahuqua mit einem jener Nu-Aruak- stämme. Allein die sprachliche Aufnahme des Familienvaters ergab einen reinen Nahuquadialekt. Die Yanumakapu-Nahuqua hatten niedliche Tanzrasseln bei sich; dem durch den kleinen Kürbis durchgestossenen Stiel sassen am oberen Ende Tierköpfchen aus Wachs auf, und bei einer hatte man den Kürbis durch die Schale einer jungen Schildkröte ersetzt.
Die Nahuqua liessen sich von uns über den Fluss setzen. Auch die Auetö nahmen uns öfter in Anspruch. Man fand es entschieden sehr bequem, dass wir mit unsern Kanus immer zur Verfügung standen. Die Auetö schwammen aber auch ausgezeichnet. Kinder, die bis ans Knie des Vaters reichten, puddelten sich frei und vergnügt im Kulisehu umher. Einem jungen Mann, der von der andern Seite auf Auetö "Holüber" schrie, verweigerten wir die Fähre; es war ein Vergnügen zu sehen, wie elegant er den Fluss durchsetzte, die linke Hand hoch emporgestreckt und Hängematte und Bogen haltend.
Der Abschied wurde uns schwer, so sehr wir darauf brannten, von dem schmutzigen und ungesunden Lagerplatz wegzukommen. Vogel und Perrot waren den 29. Oktober von ihrer Fahrt zurückgekehrt, am 30. Oktober wurde noch fleissig gearbeitet und die Sammlung eingepackt. Perrot ging noch einmal in das Auetödorf und verabschiedete sich zärtlich, die Frauen brachten ihm ihre Kinder und ein kleines Mädchen erhielt den Namen "Perro"; für die viele Liebe musste er sich natürlich in Perlen erkenntlich zeigen, und eine junge Mutter, deren zwei Kinder er beschenkt hatte, machte ihn mit lebhaften Geberden darauf auf- merksam, dass er doch auch noch ein drittes, das in Aussicht stand, be- denken möge.
VIII. Rückkehr nach Independencia.
Vogel's Fahrt nach Schingu-Koblenz. Ab vom Auetöhafen. Besuche der Dörfer. Begleitung durch die Indianer. Rheinischer Karneval am Kulisehu. Abschiedszene in Maigeri. Die Bergfahrt: Rudern. Beschwerden. Fieber. Independencia: Ruhetag. Feierlicher Abschied von den Bakairi.
Ueber das Verhältnis von Kulisehu und Kuluene war durch den Ausflug von Vogel und Perrot Klarheit geschaffen worden. Auayato, der Auetöhäuptling, hatte sie begleitet. Sie waren vom Hafen abwesend vom 24. Oktober 113/4 Uhr bis zum 29. Oktober 7 Uhr Abends und hatten, da sie kein Gepäck mit sich führten, leicht vorwärts kommen können. Sie erreichten die Mündung des Kulisehu
Nahuquá vom Kuluëne, weil es bei der vorgerückten Zeit unmöglich war, sie selbst aufzusuchen. Da hatte der Guikurú-Nahuquá, den wir im Nahuquádorf getroffen, die Reise hinter uns gemacht, und ihm hatte sich eine Familie von vier Yanu- makapü oder Yanumakabihü, die etwa eine halbe Tagereise landeinwärts zwischen Kulisehu und Kuluëne zu wohnen schienen, angeschlossen. Da yanumáka bei den Mehinakú, Kustenaú, Waurá und Yaulapiti das Wort für »Jaguar« ist, so dachte ich schon an eine Vermischung von Nahuquá mit einem jener Nu-Aruak- stämme. Allein die sprachliche Aufnahme des Familienvaters ergab einen reinen Nahuquádialekt. Die Yanumakapú-Nahuquá hatten niedliche Tanzrasseln bei sich; dem durch den kleinen Kürbis durchgestossenen Stiel sassen am oberen Ende Tierköpfchen aus Wachs auf, und bei einer hatte man den Kürbis durch die Schale einer jungen Schildkröte ersetzt.
Die Nahuquá liessen sich von uns über den Fluss setzen. Auch die Auetö́ nahmen uns öfter in Anspruch. Man fand es entschieden sehr bequem, dass wir mit unsern Kanus immer zur Verfügung standen. Die Auetö́ schwammen aber auch ausgezeichnet. Kinder, die bis ans Knie des Vaters reichten, puddelten sich frei und vergnügt im Kulisehu umher. Einem jungen Mann, der von der andern Seite auf Auetö́ »Holüber« schrie, verweigerten wir die Fähre; es war ein Vergnügen zu sehen, wie elegant er den Fluss durchsetzte, die linke Hand hoch emporgestreckt und Hängematte und Bogen haltend.
Der Abschied wurde uns schwer, so sehr wir darauf brannten, von dem schmutzigen und ungesunden Lagerplatz wegzukommen. Vogel und Perrot waren den 29. Oktober von ihrer Fahrt zurückgekehrt, am 30. Oktober wurde noch fleissig gearbeitet und die Sammlung eingepackt. Perrot ging noch einmal in das Auetö́dorf und verabschiedete sich zärtlich, die Frauen brachten ihm ihre Kinder und ein kleines Mädchen erhielt den Namen »Perro«; für die viele Liebe musste er sich natürlich in Perlen erkenntlich zeigen, und eine junge Mutter, deren zwei Kinder er beschenkt hatte, machte ihn mit lebhaften Geberden darauf auf- merksam, dass er doch auch noch ein drittes, das in Aussicht stand, be- denken möge.
VIII. Rückkehr nach Independencia.
Vogel’s Fahrt nach Schingú-Koblenz. Ab vom Auetö́hafen. Besuche der Dörfer. Begleitung durch die Indianer. Rheinischer Karneval am Kulisehu. Abschiedszene in Maigéri. Die Bergfahrt: Rudern. Beschwerden. Fieber. Independencia: Ruhetag. Feierlicher Abschied von den Bakaïrí.
Ueber das Verhältnis von Kulisehu und Kuluëne war durch den Ausflug von Vogel und Perrot Klarheit geschaffen worden. Auayato, der Auetö́häuptling, hatte sie begleitet. Sie waren vom Hafen abwesend vom 24. Oktober 11¾ Uhr bis zum 29. Oktober 7 Uhr Abends und hatten, da sie kein Gepäck mit sich führten, leicht vorwärts kommen können. Sie erreichten die Mündung des Kulisehu
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Nahuquá vom Kuluëne, weil es bei der vorgerückten Zeit unmöglich war, sie selbst
aufzusuchen. Da hatte der Guikurú-Nahuquá, den wir im Nahuquádorf getroffen,
die Reise hinter uns gemacht, und ihm hatte sich eine Familie von vier Yanu-
makapü oder Yanumakabihü, die etwa eine halbe Tagereise landeinwärts
zwischen Kulisehu und Kuluëne zu wohnen schienen, angeschlossen. Da yanumáka
bei den Mehinakú, Kustenaú, Waurá und Yaulapiti das Wort für »Jaguar« ist, so
dachte ich schon an eine Vermischung von Nahuquá mit einem jener Nu-Aruak-
stämme. Allein die sprachliche Aufnahme des Familienvaters ergab einen reinen
Nahuquádialekt. Die Yanumakapú-Nahuquá hatten niedliche Tanzrasseln bei sich;
dem durch den kleinen Kürbis durchgestossenen Stiel sassen am oberen Ende
Tierköpfchen aus Wachs auf, und bei einer hatte man den Kürbis durch die Schale
einer jungen Schildkröte ersetzt.
Die Nahuquá liessen sich von uns über den Fluss setzen. Auch die Auetö́
nahmen uns öfter in Anspruch. Man fand es entschieden sehr bequem, dass wir
mit unsern Kanus immer zur Verfügung standen. Die Auetö́ schwammen aber
auch ausgezeichnet. Kinder, die bis ans Knie des Vaters reichten, puddelten
sich frei und vergnügt im Kulisehu umher. Einem jungen Mann, der von der
andern Seite auf Auetö́ »Holüber« schrie, verweigerten wir die Fähre; es war ein
Vergnügen zu sehen, wie elegant er den Fluss durchsetzte, die linke Hand hoch
emporgestreckt und Hängematte und Bogen haltend.
Der Abschied wurde uns schwer, so sehr wir darauf brannten, von dem
schmutzigen und ungesunden Lagerplatz wegzukommen. Vogel und Perrot waren
den 29. Oktober von ihrer Fahrt zurückgekehrt, am 30. Oktober wurde noch
fleissig gearbeitet und die Sammlung eingepackt. Perrot ging noch einmal in
das Auetö́dorf und verabschiedete sich zärtlich, die Frauen brachten ihm ihre
Kinder und ein kleines Mädchen erhielt den Namen »Perro«; für die viele Liebe
musste er sich natürlich in Perlen erkenntlich zeigen, und eine junge Mutter, deren
zwei Kinder er beschenkt hatte, machte ihn mit lebhaften Geberden darauf auf-
merksam, dass er doch auch noch ein drittes, das in Aussicht stand, be-
denken möge.
VIII. Rückkehr nach Independencia.
Vogel’s Fahrt nach Schingú-Koblenz. Ab vom Auetö́hafen. Besuche der Dörfer. Begleitung durch
die Indianer. Rheinischer Karneval am Kulisehu. Abschiedszene in Maigéri. Die Bergfahrt:
Rudern. Beschwerden. Fieber. Independencia: Ruhetag. Feierlicher Abschied von den Bakaïrí.
Ueber das Verhältnis von Kulisehu und Kuluëne war durch den Ausflug
von Vogel und Perrot Klarheit geschaffen worden. Auayato, der Auetö́häuptling,
hatte sie begleitet. Sie waren vom Hafen abwesend vom 24. Oktober 11¾ Uhr
bis zum 29. Oktober 7 Uhr Abends und hatten, da sie kein Gepäck mit sich
führten, leicht vorwärts kommen können. Sie erreichten die Mündung des Kulisehu
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/163>, abgerufen am 26.11.2024.
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