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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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anständigen Federschmuck. Alles, was von Instrumenten und Zierrat bei den
Tänzern gebraucht worden war, tauschten wir gegen Messer ein.

Allein unsere Stimmung war recht trüb und verzweifelt. Wie sollten wir eine
ethnologische Sammlung heimbringen, wenn die Leute sich vor unserer Ankunft im
Walde versteckten! Was würde Professor Bastian in Berlin sagen, wenn wir ihm zur
Veranschaulichung der Schingu-Kultur nur so elenden Kram überbringen konnten,
wie er in diesem ausgeräumten Flötenhaus oder in diesen verlassenen Hütten noch
mühsam aus irgend einem Winkel hervorgesucht werden musste! Die Nahuqua waren
erst der zweite Stamm unserer Liste; wenn die übrigen sich ebenso benehmen
würden, wie sie, so war es mit den Ergebnissen unserer Expedition traurig bestellt.

Was also thun? Wir durften nicht in zahlreicher Gesellschaft, die Furcht
einflösste, bei den Stämmen antreten und mussten um jeden Preis suchen, sie
mit unserer Ankunft unvorbereitet zu überraschen. Ich entschied mich deshalb,
die Nahuqua heimlich zu verlassen und nicht mit unseren Leuten, sondern mit
zwei Bakairi in der Frühe des nächsten Morgens allein zu den Mehinaku vor-
auszufahren. Mein Vetter und Ehrenreich blieben bei den Nahuqua zurück,
um ihr Misstrauen möglichst zu verscheuchen und die Untersuchungen zu ver-
vollständigen; die Nachrückenden sollten mir wenigstens zwei Tage Vorsprung
lassen. Wenn ich plötzlich als einzelner unter den Mehinaku erschien, so war
doch wahrlich nicht anzunehmen, dass sich das ganze Dorf vor mir fürchtete und
mit seiner Habe in den Wald flüchtete. So ging ich denn am Nachmittag zum
Hafen zurück, während mein Vetter und Ehrenreich blieben.

Bei Ehrenreich meldeten sich in jenen Tagen die ersten Vorboten des
Fiebers; sie machten sich um so unangenehmer fühlbar, als die Hitze ungewöhn-
lich stark war. Wilhelm hat mir über den weiteren Verlauf das Folgende be-
richtet. Nach meinem Weggehen wurde er auf den Platz hinausgeführt und dort
coram publico gründlich darüber ausgeforscht, was aus mir geworden sei. Nach
unserer Verabredung erwiderte er mit harmlosen Gesicht, ich habe Hunger gehabt
und sei nach dem Hafen, Fische zu essen. Dieses Motiv leuchtete den Indianern
ein und befriedigte sie; weniger angenehm war es ihnen, dass nicht auch er und
Ehrenreich einen gleichen Hunger verspürten.

Schon um 5 Uhr des nächsten Morgens wurde Wilhelm durch eine lange
Rede draussen geweckt, schlief aber wieder ein; um 6 Uhr erschien eine
Ladung frischer Beijus. Ehrenreich photographierte, was Anfangs grossen Alarm
erregte, aber über Erwarten gut verlief. Die Nahuqua, die sich des Lohnes der
Perlen freuten, holten schliesslich selbst sogar Frauen aus dem Wald herbei, damit
sie sich den Schmuck verdienten. Ein Alter, der am Stocke ging, überreichte
Wilhelm ein Töpfchen bitteren Salzes, dessen Zubereitung wir später bei den
Mehinaku kennen lernten. Der alte Herr betrachtete das abscheulich schmeckende
Zeug als Delikatesse, denn er verfehlte nicht, mehrmals den Finger hineinzu-
stecken und das Salz behaglich schmatzend abzulecken. Obenauf lagen ein paar
Pfefferschötchen, die homi genannt wurden.


anständigen Federschmuck. Alles, was von Instrumenten und Zierrat bei den
Tänzern gebraucht worden war, tauschten wir gegen Messer ein.

Allein unsere Stimmung war recht trüb und verzweifelt. Wie sollten wir eine
ethnologische Sammlung heimbringen, wenn die Leute sich vor unserer Ankunft im
Walde versteckten! Was würde Professor Bastian in Berlin sagen, wenn wir ihm zur
Veranschaulichung der Schingú-Kultur nur so elenden Kram überbringen konnten,
wie er in diesem ausgeräumten Flötenhaus oder in diesen verlassenen Hütten noch
mühsam aus irgend einem Winkel hervorgesucht werden musste! Die Nahuquá waren
erst der zweite Stamm unserer Liste; wenn die übrigen sich ebenso benehmen
würden, wie sie, so war es mit den Ergebnissen unserer Expedition traurig bestellt.

Was also thun? Wir durften nicht in zahlreicher Gesellschaft, die Furcht
einflösste, bei den Stämmen antreten und mussten um jeden Preis suchen, sie
mit unserer Ankunft unvorbereitet zu überraschen. Ich entschied mich deshalb,
die Nahuquá heimlich zu verlassen und nicht mit unseren Leuten, sondern mit
zwei Bakaïrí in der Frühe des nächsten Morgens allein zu den Mehinakú vor-
auszufahren. Mein Vetter und Ehrenreich blieben bei den Nahuquá zurück,
um ihr Misstrauen möglichst zu verscheuchen und die Untersuchungen zu ver-
vollständigen; die Nachrückenden sollten mir wenigstens zwei Tage Vorsprung
lassen. Wenn ich plötzlich als einzelner unter den Mehinakú erschien, so war
doch wahrlich nicht anzunehmen, dass sich das ganze Dorf vor mir fürchtete und
mit seiner Habe in den Wald flüchtete. So ging ich denn am Nachmittag zum
Hafen zurück, während mein Vetter und Ehrenreich blieben.

Bei Ehrenreich meldeten sich in jenen Tagen die ersten Vorboten des
Fiebers; sie machten sich um so unangenehmer fühlbar, als die Hitze ungewöhn-
lich stark war. Wilhelm hat mir über den weiteren Verlauf das Folgende be-
richtet. Nach meinem Weggehen wurde er auf den Platz hinausgeführt und dort
coram publico gründlich darüber ausgeforscht, was aus mir geworden sei. Nach
unserer Verabredung erwiderte er mit harmlosen Gesicht, ich habe Hunger gehabt
und sei nach dem Hafen, Fische zu essen. Dieses Motiv leuchtete den Indianern
ein und befriedigte sie; weniger angenehm war es ihnen, dass nicht auch er und
Ehrenreich einen gleichen Hunger verspürten.

Schon um 5 Uhr des nächsten Morgens wurde Wilhelm durch eine lange
Rede draussen geweckt, schlief aber wieder ein; um 6 Uhr erschien eine
Ladung frischer Beijús. Ehrenreich photographierte, was Anfangs grossen Alarm
erregte, aber über Erwarten gut verlief. Die Nahuquá, die sich des Lohnes der
Perlen freuten, holten schliesslich selbst sogar Frauen aus dem Wald herbei, damit
sie sich den Schmuck verdienten. Ein Alter, der am Stocke ging, überreichte
Wilhelm ein Töpfchen bitteren Salzes, dessen Zubereitung wir später bei den
Mehinakú kennen lernten. Der alte Herr betrachtete das abscheulich schmeckende
Zeug als Delikatesse, denn er verfehlte nicht, mehrmals den Finger hineinzu-
stecken und das Salz behaglich schmatzend abzulecken. Obenauf lagen ein paar
Pfefferschötchen, die homi genannt wurden.


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[100/0132] anständigen Federschmuck. Alles, was von Instrumenten und Zierrat bei den Tänzern gebraucht worden war, tauschten wir gegen Messer ein. Allein unsere Stimmung war recht trüb und verzweifelt. Wie sollten wir eine ethnologische Sammlung heimbringen, wenn die Leute sich vor unserer Ankunft im Walde versteckten! Was würde Professor Bastian in Berlin sagen, wenn wir ihm zur Veranschaulichung der Schingú-Kultur nur so elenden Kram überbringen konnten, wie er in diesem ausgeräumten Flötenhaus oder in diesen verlassenen Hütten noch mühsam aus irgend einem Winkel hervorgesucht werden musste! Die Nahuquá waren erst der zweite Stamm unserer Liste; wenn die übrigen sich ebenso benehmen würden, wie sie, so war es mit den Ergebnissen unserer Expedition traurig bestellt. Was also thun? Wir durften nicht in zahlreicher Gesellschaft, die Furcht einflösste, bei den Stämmen antreten und mussten um jeden Preis suchen, sie mit unserer Ankunft unvorbereitet zu überraschen. Ich entschied mich deshalb, die Nahuquá heimlich zu verlassen und nicht mit unseren Leuten, sondern mit zwei Bakaïrí in der Frühe des nächsten Morgens allein zu den Mehinakú vor- auszufahren. Mein Vetter und Ehrenreich blieben bei den Nahuquá zurück, um ihr Misstrauen möglichst zu verscheuchen und die Untersuchungen zu ver- vollständigen; die Nachrückenden sollten mir wenigstens zwei Tage Vorsprung lassen. Wenn ich plötzlich als einzelner unter den Mehinakú erschien, so war doch wahrlich nicht anzunehmen, dass sich das ganze Dorf vor mir fürchtete und mit seiner Habe in den Wald flüchtete. So ging ich denn am Nachmittag zum Hafen zurück, während mein Vetter und Ehrenreich blieben. Bei Ehrenreich meldeten sich in jenen Tagen die ersten Vorboten des Fiebers; sie machten sich um so unangenehmer fühlbar, als die Hitze ungewöhn- lich stark war. Wilhelm hat mir über den weiteren Verlauf das Folgende be- richtet. Nach meinem Weggehen wurde er auf den Platz hinausgeführt und dort coram publico gründlich darüber ausgeforscht, was aus mir geworden sei. Nach unserer Verabredung erwiderte er mit harmlosen Gesicht, ich habe Hunger gehabt und sei nach dem Hafen, Fische zu essen. Dieses Motiv leuchtete den Indianern ein und befriedigte sie; weniger angenehm war es ihnen, dass nicht auch er und Ehrenreich einen gleichen Hunger verspürten. Schon um 5 Uhr des nächsten Morgens wurde Wilhelm durch eine lange Rede draussen geweckt, schlief aber wieder ein; um 6 Uhr erschien eine Ladung frischer Beijús. Ehrenreich photographierte, was Anfangs grossen Alarm erregte, aber über Erwarten gut verlief. Die Nahuquá, die sich des Lohnes der Perlen freuten, holten schliesslich selbst sogar Frauen aus dem Wald herbei, damit sie sich den Schmuck verdienten. Ein Alter, der am Stocke ging, überreichte Wilhelm ein Töpfchen bitteren Salzes, dessen Zubereitung wir später bei den Mehinakú kennen lernten. Der alte Herr betrachtete das abscheulich schmeckende Zeug als Delikatesse, denn er verfehlte nicht, mehrmals den Finger hineinzu- stecken und das Salz behaglich schmatzend abzulecken. Obenauf lagen ein paar Pfefferschötchen, die homi genannt wurden.

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/132>, abgerufen am 24.11.2024.