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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Lauten und Geberden in ihrer eigenen Unterhaltung, allein sie verfügten doch
über die Hülfssprache ausdruckvoller Bewegung in reichem Masse und bedienten
sich ihrer im Verkehr mit anderen Stämmen, wie ich später sah, auf genau
dieselbe Art und Weise wie mir gegenüber. So macht sich der Nachteil, dass
jeder Stamm eine andere Sprache redet, wenig geltend; die Verständigung war
selbst mit einem Karaiben, da die Geberden zwar stereotyp sind, aber noch die
volle Anschaulichkeit enthalten und noch nicht zu konventionellen Abkürzungen
eingeschränkt sind, ohne Schwierigkeit möglich.

Auch für die mir eigentümlichen Interjektionen und Geberden, die ja eben-
falls unwillkürlich einen lebhafteren Ausdruck annahmen als zu Hause, bekundeten
sie ein aufmerksames Interesse. Begleitete ich irgend welchen Affekt mit einem
ihnen auffälligen Laut, so wurde er nachgeahmt; pfiff ich leise vor mich hin, so
konnte ich bald Einen hören, der vergnügt mitpfiff. Allgemeine Anerkennung
fand besonders, wenn ich mir laut lachend auf's Bein schlug: sofort klatschten sie
sich auf die nackten Schenkel und ein homerisches Gelächter erfüllte den Dorfplatz.

Meine linguistischen Aufzeichnungen vom Tage, die ich herbeiholte, wurden
in unserm Tabakkollegium noch einmal durchgenommen und um kleine Beiträge
bereichert. Die Sternbilder, Tiernamen, der unerschöpfliche Stoff für die Körper-
teile und was der Augenblick lieferte, wurde eingetragen, vorgelesen und mit
Beifall bestätigt.

Allein auch ich bot mimische Vorstellungen, zu denen mein interessantes
Ochsenfell den ersten Anlass gegeben hatte, ich führte ihnen unsere Haustiere
vor und erzielte damit bei meinem kleinen, aber dankbaren Publikum einen Erfolg,
wie er selbst dem Verfasser des "Tierlebens" und vielbewunderten Vortrags-
künstler niemals grösser beschieden gewesen sein kann. Vor allem machten sie
die Bekanntschaft von Rind, Schaf und Hund, deren Grösse und Kennzeichen
ich ihnen nach besten Kräften veranschaulichte, und deren Sprache "itano" laute
Ausbrüche der Heiterkeit und des Jubels hervorrief.

Da erklang es denn "muh", "mäh", "wauwau" und "miau" in allen Tonarten
von mir und von ihnen. Besonders wirkte die Abwechslung zwischen dem merk-
würdigen "mäh" der alten Schafe und dem kläglichen "mäh" eines die Mutter
suchenden Lämmchens, zwischen dem Gebell der grossen Köter und dem der
kleinen Kläffer. Zufällig verfügte ich über eine ziemlich gute Aussprache in
diesen itanos, sodass die gewiegten Kenner der Tiersprachen an der Echtheit
nicht zu zweifeln brauchten. Ich suchte ihnen auch den Charakter der Tiere
klar zu machen, indem ich verschiedene Arten wie Katze und Hund zusammen
auftreten liess, suchte ihnen zu verdeutlichen, dass z. B. ein Hund dem Menschen
gehorcht, und war jetzt in der Lage, sie über den Ursprung meiner Woll-
bekleidung -- mäh -- zu unterrichten. Es waren aufmerksame Schüler, die den
Lernstoff sehr bald vollständig beherrschten und fleissig übten.

Die denkwürdige Sitzung unsers Tabakkollegiums, in der ich den ersten
Vortrag über die europäischen Haustiere gehalten hatte, war spät in die Nacht

Lauten und Geberden in ihrer eigenen Unterhaltung, allein sie verfügten doch
über die Hülfssprache ausdruckvoller Bewegung in reichem Masse und bedienten
sich ihrer im Verkehr mit anderen Stämmen, wie ich später sah, auf genau
dieselbe Art und Weise wie mir gegenüber. So macht sich der Nachteil, dass
jeder Stamm eine andere Sprache redet, wenig geltend; die Verständigung war
selbst mit einem Karaiben, da die Geberden zwar stereotyp sind, aber noch die
volle Anschaulichkeit enthalten und noch nicht zu konventionellen Abkürzungen
eingeschränkt sind, ohne Schwierigkeit möglich.

Auch für die mir eigentümlichen Interjektionen und Geberden, die ja eben-
falls unwillkürlich einen lebhafteren Ausdruck annahmen als zu Hause, bekundeten
sie ein aufmerksames Interesse. Begleitete ich irgend welchen Affekt mit einem
ihnen auffälligen Laut, so wurde er nachgeahmt; pfiff ich leise vor mich hin, so
konnte ich bald Einen hören, der vergnügt mitpfiff. Allgemeine Anerkennung
fand besonders, wenn ich mir laut lachend auf’s Bein schlug: sofort klatschten sie
sich auf die nackten Schenkel und ein homerisches Gelächter erfüllte den Dorfplatz.

Meine linguistischen Aufzeichnungen vom Tage, die ich herbeiholte, wurden
in unserm Tabakkollegium noch einmal durchgenommen und um kleine Beiträge
bereichert. Die Sternbilder, Tiernamen, der unerschöpfliche Stoff für die Körper-
teile und was der Augenblick lieferte, wurde eingetragen, vorgelesen und mit
Beifall bestätigt.

Allein auch ich bot mimische Vorstellungen, zu denen mein interessantes
Ochsenfell den ersten Anlass gegeben hatte, ich führte ihnen unsere Haustiere
vor und erzielte damit bei meinem kleinen, aber dankbaren Publikum einen Erfolg,
wie er selbst dem Verfasser des »Tierlebens« und vielbewunderten Vortrags-
künstler niemals grösser beschieden gewesen sein kann. Vor allem machten sie
die Bekanntschaft von Rind, Schaf und Hund, deren Grösse und Kennzeichen
ich ihnen nach besten Kräften veranschaulichte, und deren Sprache »itáno« laute
Ausbrüche der Heiterkeit und des Jubels hervorrief.

Da erklang es denn »muh«, »mäh«, »wauwau« und »miau« in allen Tonarten
von mir und von ihnen. Besonders wirkte die Abwechslung zwischen dem merk-
würdigen »mäh« der alten Schafe und dem kläglichen »mäh« eines die Mutter
suchenden Lämmchens, zwischen dem Gebell der grossen Köter und dem der
kleinen Kläffer. Zufällig verfügte ich über eine ziemlich gute Aussprache in
diesen itános, sodass die gewiegten Kenner der Tiersprachen an der Echtheit
nicht zu zweifeln brauchten. Ich suchte ihnen auch den Charakter der Tiere
klar zu machen, indem ich verschiedene Arten wie Katze und Hund zusammen
auftreten liess, suchte ihnen zu verdeutlichen, dass z. B. ein Hund dem Menschen
gehorcht, und war jetzt in der Lage, sie über den Ursprung meiner Woll-
bekleidung — mäh — zu unterrichten. Es waren aufmerksame Schüler, die den
Lernstoff sehr bald vollständig beherrschten und fleissig übten.

Die denkwürdige Sitzung unsers Tabakkollegiums, in der ich den ersten
Vortrag über die europäischen Haustiere gehalten hatte, war spät in die Nacht

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[72/0100] Lauten und Geberden in ihrer eigenen Unterhaltung, allein sie verfügten doch über die Hülfssprache ausdruckvoller Bewegung in reichem Masse und bedienten sich ihrer im Verkehr mit anderen Stämmen, wie ich später sah, auf genau dieselbe Art und Weise wie mir gegenüber. So macht sich der Nachteil, dass jeder Stamm eine andere Sprache redet, wenig geltend; die Verständigung war selbst mit einem Karaiben, da die Geberden zwar stereotyp sind, aber noch die volle Anschaulichkeit enthalten und noch nicht zu konventionellen Abkürzungen eingeschränkt sind, ohne Schwierigkeit möglich. Auch für die mir eigentümlichen Interjektionen und Geberden, die ja eben- falls unwillkürlich einen lebhafteren Ausdruck annahmen als zu Hause, bekundeten sie ein aufmerksames Interesse. Begleitete ich irgend welchen Affekt mit einem ihnen auffälligen Laut, so wurde er nachgeahmt; pfiff ich leise vor mich hin, so konnte ich bald Einen hören, der vergnügt mitpfiff. Allgemeine Anerkennung fand besonders, wenn ich mir laut lachend auf’s Bein schlug: sofort klatschten sie sich auf die nackten Schenkel und ein homerisches Gelächter erfüllte den Dorfplatz. Meine linguistischen Aufzeichnungen vom Tage, die ich herbeiholte, wurden in unserm Tabakkollegium noch einmal durchgenommen und um kleine Beiträge bereichert. Die Sternbilder, Tiernamen, der unerschöpfliche Stoff für die Körper- teile und was der Augenblick lieferte, wurde eingetragen, vorgelesen und mit Beifall bestätigt. Allein auch ich bot mimische Vorstellungen, zu denen mein interessantes Ochsenfell den ersten Anlass gegeben hatte, ich führte ihnen unsere Haustiere vor und erzielte damit bei meinem kleinen, aber dankbaren Publikum einen Erfolg, wie er selbst dem Verfasser des »Tierlebens« und vielbewunderten Vortrags- künstler niemals grösser beschieden gewesen sein kann. Vor allem machten sie die Bekanntschaft von Rind, Schaf und Hund, deren Grösse und Kennzeichen ich ihnen nach besten Kräften veranschaulichte, und deren Sprache »itáno« laute Ausbrüche der Heiterkeit und des Jubels hervorrief. Da erklang es denn »muh«, »mäh«, »wauwau« und »miau« in allen Tonarten von mir und von ihnen. Besonders wirkte die Abwechslung zwischen dem merk- würdigen »mäh« der alten Schafe und dem kläglichen »mäh« eines die Mutter suchenden Lämmchens, zwischen dem Gebell der grossen Köter und dem der kleinen Kläffer. Zufällig verfügte ich über eine ziemlich gute Aussprache in diesen itános, sodass die gewiegten Kenner der Tiersprachen an der Echtheit nicht zu zweifeln brauchten. Ich suchte ihnen auch den Charakter der Tiere klar zu machen, indem ich verschiedene Arten wie Katze und Hund zusammen auftreten liess, suchte ihnen zu verdeutlichen, dass z. B. ein Hund dem Menschen gehorcht, und war jetzt in der Lage, sie über den Ursprung meiner Woll- bekleidung — mäh — zu unterrichten. Es waren aufmerksame Schüler, die den Lernstoff sehr bald vollständig beherrschten und fleissig übten. Die denkwürdige Sitzung unsers Tabakkollegiums, in der ich den ersten Vortrag über die europäischen Haustiere gehalten hatte, war spät in die Nacht

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/100>, abgerufen am 23.11.2024.