Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Gestalt zu geben. Das ist die starke, und von Jahr zu Jahr zunehmende
Bedeutung der beiden andern Grundformen der vollziehenden Gewalt,
der Selbstverwaltungskörper und des Vereinswesens. Mehr und mehr
gestaltet sich die Sache so, daß wir die allgemeinen Maßregeln und
Gesetze den Ministerien, die wirkliche örtliche und besondere Ausführung
desselben dagegen den Selbstverwaltungen und Vereinen anheimfallen
und damit die wesentlichste Funktion der Regierung in der Oberaufsicht
über die Thätigkeit jener Organe bestehen wird. Die Regierung tritt
dadurch von Jahr zu Jahr mehr in die Stellung, welche ihr gerade
in der Volkswirthschaftspflege am meisten zukommt, die leitende, die
Einheit herstellende Organisation zu sein, welche die Verwaltung selbst
nur da einführt, wo Sonderinteressen eine Selbstverwaltung oder ein
Vereinswesen nicht zulassen (z. B. Post, Münzen u. s. w.), während sie
alle Aufgaben der Volkswirthschaft, welche von den letzteren übernom-
men werden können, demselben mehr und mehr zuweist. Diese Bewe-
gung ist erst im Beginn; aber sie wird ihr Ziel erreichen. Und
um das zu übersehen, muß man allerdings erst alle einzelne Gebiete der
Volkswirthschaftspflege einmal vorführen, als Grundlage des Verständ-
nisses dieser neuen Ordnung, und als Basis auch des Systems der
vollziehenden Gewalt in seiner praktischen Anwendung.

Unsere Aufgabe wird es daher zunächst sein, bei jedem einzelnen
Gebiete der Volkswirthschaftspflege die betreffende Organisation desselben
auch in ihrer historischen Entwicklung zu beleuchten; erst dann läßt sich
ein allgemeines Bild geben, das auch für besondere Studien einen
Werth haben kann.



Geſtalt zu geben. Das iſt die ſtarke, und von Jahr zu Jahr zunehmende
Bedeutung der beiden andern Grundformen der vollziehenden Gewalt,
der Selbſtverwaltungskörper und des Vereinsweſens. Mehr und mehr
geſtaltet ſich die Sache ſo, daß wir die allgemeinen Maßregeln und
Geſetze den Miniſterien, die wirkliche örtliche und beſondere Ausführung
deſſelben dagegen den Selbſtverwaltungen und Vereinen anheimfallen
und damit die weſentlichſte Funktion der Regierung in der Oberaufſicht
über die Thätigkeit jener Organe beſtehen wird. Die Regierung tritt
dadurch von Jahr zu Jahr mehr in die Stellung, welche ihr gerade
in der Volkswirthſchaftspflege am meiſten zukommt, die leitende, die
Einheit herſtellende Organiſation zu ſein, welche die Verwaltung ſelbſt
nur da einführt, wo Sonderintereſſen eine Selbſtverwaltung oder ein
Vereinsweſen nicht zulaſſen (z. B. Poſt, Münzen u. ſ. w.), während ſie
alle Aufgaben der Volkswirthſchaft, welche von den letzteren übernom-
men werden können, demſelben mehr und mehr zuweist. Dieſe Bewe-
gung iſt erſt im Beginn; aber ſie wird ihr Ziel erreichen. Und
um das zu überſehen, muß man allerdings erſt alle einzelne Gebiete der
Volkswirthſchaftspflege einmal vorführen, als Grundlage des Verſtänd-
niſſes dieſer neuen Ordnung, und als Baſis auch des Syſtems der
vollziehenden Gewalt in ſeiner praktiſchen Anwendung.

Unſere Aufgabe wird es daher zunächſt ſein, bei jedem einzelnen
Gebiete der Volkswirthſchaftspflege die betreffende Organiſation deſſelben
auch in ihrer hiſtoriſchen Entwicklung zu beleuchten; erſt dann läßt ſich
ein allgemeines Bild geben, das auch für beſondere Studien einen
Werth haben kann.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0081" n="63"/>
Ge&#x017F;talt zu geben. Das i&#x017F;t die &#x017F;tarke, und von Jahr zu Jahr zunehmende<lb/>
Bedeutung der beiden andern Grundformen der vollziehenden Gewalt,<lb/>
der Selb&#x017F;tverwaltungskörper und des Vereinswe&#x017F;ens. Mehr und mehr<lb/>
ge&#x017F;taltet &#x017F;ich die Sache &#x017F;o, daß wir die allgemeinen Maßregeln und<lb/>
Ge&#x017F;etze den Mini&#x017F;terien, die wirkliche örtliche und be&#x017F;ondere Ausführung<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben dagegen den Selb&#x017F;tverwaltungen und Vereinen anheimfallen<lb/>
und damit die we&#x017F;entlich&#x017F;te Funktion der Regierung in der Oberauf&#x017F;icht<lb/>
über die Thätigkeit jener Organe be&#x017F;tehen wird. Die Regierung tritt<lb/>
dadurch von Jahr zu Jahr mehr in die Stellung, welche ihr gerade<lb/>
in der Volkswirth&#x017F;chaftspflege am mei&#x017F;ten zukommt, die leitende, die<lb/>
Einheit her&#x017F;tellende Organi&#x017F;ation zu &#x017F;ein, welche die Verwaltung &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nur da einführt, wo Sonderintere&#x017F;&#x017F;en eine Selb&#x017F;tverwaltung oder ein<lb/>
Vereinswe&#x017F;en nicht zula&#x017F;&#x017F;en (z. B. Po&#x017F;t, Münzen u. &#x017F;. w.), während &#x017F;ie<lb/>
alle Aufgaben der Volkswirth&#x017F;chaft, welche von den letzteren übernom-<lb/>
men werden <hi rendition="#g">können</hi>, dem&#x017F;elben mehr und mehr zuweist. Die&#x017F;e Bewe-<lb/>
gung i&#x017F;t er&#x017F;t im Beginn; aber <hi rendition="#g">&#x017F;ie wird ihr Ziel erreichen</hi>. Und<lb/>
um das zu über&#x017F;ehen, muß man allerdings er&#x017F;t alle einzelne Gebiete der<lb/>
Volkswirth&#x017F;chaftspflege einmal vorführen, als Grundlage des Ver&#x017F;tänd-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;es die&#x017F;er neuen Ordnung, und als Ba&#x017F;is auch des Sy&#x017F;tems der<lb/>
vollziehenden Gewalt in &#x017F;einer prakti&#x017F;chen Anwendung.</p><lb/>
            <p>Un&#x017F;ere Aufgabe wird es daher zunäch&#x017F;t &#x017F;ein, bei jedem <hi rendition="#g">einzelnen</hi><lb/>
Gebiete der Volkswirth&#x017F;chaftspflege die betreffende Organi&#x017F;ation de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
auch in ihrer hi&#x017F;tori&#x017F;chen Entwicklung zu beleuchten; er&#x017F;t dann läßt &#x017F;ich<lb/>
ein allgemeines Bild geben, das auch für be&#x017F;ondere Studien einen<lb/>
Werth haben kann.</p>
          </div>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0081] Geſtalt zu geben. Das iſt die ſtarke, und von Jahr zu Jahr zunehmende Bedeutung der beiden andern Grundformen der vollziehenden Gewalt, der Selbſtverwaltungskörper und des Vereinsweſens. Mehr und mehr geſtaltet ſich die Sache ſo, daß wir die allgemeinen Maßregeln und Geſetze den Miniſterien, die wirkliche örtliche und beſondere Ausführung deſſelben dagegen den Selbſtverwaltungen und Vereinen anheimfallen und damit die weſentlichſte Funktion der Regierung in der Oberaufſicht über die Thätigkeit jener Organe beſtehen wird. Die Regierung tritt dadurch von Jahr zu Jahr mehr in die Stellung, welche ihr gerade in der Volkswirthſchaftspflege am meiſten zukommt, die leitende, die Einheit herſtellende Organiſation zu ſein, welche die Verwaltung ſelbſt nur da einführt, wo Sonderintereſſen eine Selbſtverwaltung oder ein Vereinsweſen nicht zulaſſen (z. B. Poſt, Münzen u. ſ. w.), während ſie alle Aufgaben der Volkswirthſchaft, welche von den letzteren übernom- men werden können, demſelben mehr und mehr zuweist. Dieſe Bewe- gung iſt erſt im Beginn; aber ſie wird ihr Ziel erreichen. Und um das zu überſehen, muß man allerdings erſt alle einzelne Gebiete der Volkswirthſchaftspflege einmal vorführen, als Grundlage des Verſtänd- niſſes dieſer neuen Ordnung, und als Baſis auch des Syſtems der vollziehenden Gewalt in ſeiner praktiſchen Anwendung. Unſere Aufgabe wird es daher zunächſt ſein, bei jedem einzelnen Gebiete der Volkswirthſchaftspflege die betreffende Organiſation deſſelben auch in ihrer hiſtoriſchen Entwicklung zu beleuchten; erſt dann läßt ſich ein allgemeines Bild geben, das auch für beſondere Studien einen Werth haben kann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/81
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/81>, abgerufen am 23.11.2024.