auftreten. Von einer Einheit aus einem höheren Gesichtspunkte ist dabei noch keine Rede. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ent- stehen jedoch, namentlich durch die physiokratischen Bewegungen und durch die Polizeiwissenschaft angeregt, einzelne Organe, wie die Landes- ökonomie-Collegien, die jedoch zu keiner großen Entwicklung gedeihen, da auf allen Punkten die obrigkeitlichen Rechte der Grundherrlichkeiten der Thätigkeit solcher Behörden entgegen treten. Alle örtliche Volks- wirthschaftspflege liegt noch in den Händen der letztern.
Erst als in Frankreich die letzten Reste dieser Grundherrlichkeit be- seitigt worden, und die Ministerien als Organisationsbasis der voll- ziehenden Gewalt zur Geltung gelangen, scheidet sich die Volkswirth- schaftspflege aus der innern Verwaltung heraus, und es entstehen einzelne Ministerien für dieselbe. Allein diese Organisation ist gleich anfangs eine höchst unsichere, und ist es bis zum heutigen Tage geblieben. Man hatte eben keinen Begriff der Volkswirthschaftspflege als eines Ganzen, und die Grundlage der ministeriellen Organisation war daher nicht der Unterschied des Systems in Ministerien der Volkswirthschaft und Ministerien der socialen Verwaltung, sondern man nahm aus der ersten gewisse einzelne, an Bedeutung hervorragende Gebiete heraus, gab diesem selbständige Ministerien, und den Rest faßte man dann un- geschieden als Ministerium des Innern zusammen, ohne sich weiter viel Rechenschaft über das wahre Verhältniß abzulegen. Dazu kam, daß man gewisse Gebiete nach wie vor dem Finanzministerium über- ließ, namentlich diejenigen, bei denen es sich um Einnahmsquellen des Staats handelte, wie das Post- und Münzregal, zum Theil auch das Bergwesen u. a. m. Wo Zweifel entstanden, half man sich durch eigene Commissionen und Schöpfung eigener Referate, ohne gerade viel nach einem selbständigen Systeme zu fragen. Auch setzte man die ein- zelnen wirthschaftlichen Ministerien oder sog. "Fachministerien" wohl dem Ministerium des Innern gegenüber, gewöhnlich mit ziemlich eng- begränzter Competenz, wie die Handelsministerien, die Ackerbaumini- sterien, die Ministerien für öffentliche Arbeiten; bald verschmolz man sie wieder; bald hob man sie ganz oder zum Theil auf; kurz, man kann nicht im Zweifel sein, daß hier ein festes Princip durchaus fehlt, und auch nicht gefunden werden wird, bis man sich über das Wesen der Volkswirthschaft im Verhältniß zur gesellschaftlichen Verwaltung, und zweitens über Natur und Inhalt der Oberaufsicht einig sein wird. Die beste Quelle für das Bestehende ist dabei stets für jedes Land das Staatshandbuch.
Dagegen ist ein zweiter hochwichtiger Moment aufgetreten, und dazu bestimmt, der ganzen Auffassung des Organismus eine neue
auftreten. Von einer Einheit aus einem höheren Geſichtspunkte iſt dabei noch keine Rede. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ent- ſtehen jedoch, namentlich durch die phyſiokratiſchen Bewegungen und durch die Polizeiwiſſenſchaft angeregt, einzelne Organe, wie die Landes- ökonomie-Collegien, die jedoch zu keiner großen Entwicklung gedeihen, da auf allen Punkten die obrigkeitlichen Rechte der Grundherrlichkeiten der Thätigkeit ſolcher Behörden entgegen treten. Alle örtliche Volks- wirthſchaftspflege liegt noch in den Händen der letztern.
Erſt als in Frankreich die letzten Reſte dieſer Grundherrlichkeit be- ſeitigt worden, und die Miniſterien als Organiſationsbaſis der voll- ziehenden Gewalt zur Geltung gelangen, ſcheidet ſich die Volkswirth- ſchaftspflege aus der innern Verwaltung heraus, und es entſtehen einzelne Miniſterien für dieſelbe. Allein dieſe Organiſation iſt gleich anfangs eine höchſt unſichere, und iſt es bis zum heutigen Tage geblieben. Man hatte eben keinen Begriff der Volkswirthſchaftspflege als eines Ganzen, und die Grundlage der miniſteriellen Organiſation war daher nicht der Unterſchied des Syſtems in Miniſterien der Volkswirthſchaft und Miniſterien der ſocialen Verwaltung, ſondern man nahm aus der erſten gewiſſe einzelne, an Bedeutung hervorragende Gebiete heraus, gab dieſem ſelbſtändige Miniſterien, und den Reſt faßte man dann un- geſchieden als Miniſterium des Innern zuſammen, ohne ſich weiter viel Rechenſchaft über das wahre Verhältniß abzulegen. Dazu kam, daß man gewiſſe Gebiete nach wie vor dem Finanzminiſterium über- ließ, namentlich diejenigen, bei denen es ſich um Einnahmsquellen des Staats handelte, wie das Poſt- und Münzregal, zum Theil auch das Bergweſen u. a. m. Wo Zweifel entſtanden, half man ſich durch eigene Commiſſionen und Schöpfung eigener Referate, ohne gerade viel nach einem ſelbſtändigen Syſteme zu fragen. Auch ſetzte man die ein- zelnen wirthſchaftlichen Miniſterien oder ſog. „Fachminiſterien“ wohl dem Miniſterium des Innern gegenüber, gewöhnlich mit ziemlich eng- begränzter Competenz, wie die Handelsminiſterien, die Ackerbaumini- ſterien, die Miniſterien für öffentliche Arbeiten; bald verſchmolz man ſie wieder; bald hob man ſie ganz oder zum Theil auf; kurz, man kann nicht im Zweifel ſein, daß hier ein feſtes Princip durchaus fehlt, und auch nicht gefunden werden wird, bis man ſich über das Weſen der Volkswirthſchaft im Verhältniß zur geſellſchaftlichen Verwaltung, und zweitens über Natur und Inhalt der Oberaufſicht einig ſein wird. Die beſte Quelle für das Beſtehende iſt dabei ſtets für jedes Land das Staatshandbuch.
Dagegen iſt ein zweiter hochwichtiger Moment aufgetreten, und dazu beſtimmt, der ganzen Auffaſſung des Organismus eine neue
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auftreten. Von einer Einheit aus einem höheren Geſichtspunkte iſt dabei
noch keine Rede. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ent-
ſtehen jedoch, namentlich durch die phyſiokratiſchen Bewegungen und
durch die Polizeiwiſſenſchaft angeregt, einzelne Organe, wie die Landes-
ökonomie-Collegien, die jedoch zu keiner großen Entwicklung gedeihen,
da auf allen Punkten die obrigkeitlichen Rechte der Grundherrlichkeiten
der Thätigkeit ſolcher Behörden entgegen treten. Alle örtliche Volks-
wirthſchaftspflege liegt noch in den Händen der letztern.
Erſt als in Frankreich die letzten Reſte dieſer Grundherrlichkeit be-
ſeitigt worden, und die Miniſterien als Organiſationsbaſis der voll-
ziehenden Gewalt zur Geltung gelangen, ſcheidet ſich die Volkswirth-
ſchaftspflege aus der innern Verwaltung heraus, und es entſtehen
einzelne Miniſterien für dieſelbe. Allein dieſe Organiſation iſt gleich
anfangs eine höchſt unſichere, und iſt es bis zum heutigen Tage geblieben.
Man hatte eben keinen Begriff der Volkswirthſchaftspflege als eines
Ganzen, und die Grundlage der miniſteriellen Organiſation war daher
nicht der Unterſchied des Syſtems in Miniſterien der Volkswirthſchaft
und Miniſterien der ſocialen Verwaltung, ſondern man nahm aus der
erſten gewiſſe einzelne, an Bedeutung hervorragende Gebiete heraus,
gab dieſem ſelbſtändige Miniſterien, und den Reſt faßte man dann un-
geſchieden als Miniſterium des Innern zuſammen, ohne ſich weiter
viel Rechenſchaft über das wahre Verhältniß abzulegen. Dazu kam,
daß man gewiſſe Gebiete nach wie vor dem Finanzminiſterium über-
ließ, namentlich diejenigen, bei denen es ſich um Einnahmsquellen des
Staats handelte, wie das Poſt- und Münzregal, zum Theil auch das
Bergweſen u. a. m. Wo Zweifel entſtanden, half man ſich durch
eigene Commiſſionen und Schöpfung eigener Referate, ohne gerade viel
nach einem ſelbſtändigen Syſteme zu fragen. Auch ſetzte man die ein-
zelnen wirthſchaftlichen Miniſterien oder ſog. „Fachminiſterien“ wohl
dem Miniſterium des Innern gegenüber, gewöhnlich mit ziemlich eng-
begränzter Competenz, wie die Handelsminiſterien, die Ackerbaumini-
ſterien, die Miniſterien für öffentliche Arbeiten; bald verſchmolz man ſie
wieder; bald hob man ſie ganz oder zum Theil auf; kurz, man kann
nicht im Zweifel ſein, daß hier ein feſtes Princip durchaus fehlt,
und auch nicht gefunden werden wird, bis man ſich über das Weſen
der Volkswirthſchaft im Verhältniß zur geſellſchaftlichen Verwaltung,
und zweitens über Natur und Inhalt der Oberaufſicht einig ſein wird.
Die beſte Quelle für das Beſtehende iſt dabei ſtets für jedes Land das
Staatshandbuch.
Dagegen iſt ein zweiter hochwichtiger Moment aufgetreten, und
dazu beſtimmt, der ganzen Auffaſſung des Organismus eine neue
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/80>, abgerufen am 17.02.2025.
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