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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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Sie erscheint daher auch nur da, wo es sich um solche Bedin-
gungen
handelt. Sie kann eben deßhalb auch das System dieser ihrer
Aufgaben nicht etwa in dem der Volkswirthschaft oder Staatswirth-
schaft suchen wollen. Es ist unmöglich, ein System, namentlich der
ersteren, für die Volkswirthschaftspflege zum Grunde zu legen. Ihr
System kann gar nicht das der Grundbegriffe und Grundgesetze der
Volkswirthschaft sein, da diese niemals das Objekt der Thätigkeit der
Verwaltung sind. Sondern dasselbe ist in der That das System der
außerhalb oder über der Einzelkraft liegenden Lebensverhältnisse der
Gemeinschaft, und zwar insofern eine Action der Verwaltung für die-
selben als eine Aufgabe der wirthschaftlichen Gesammtinter-
essen
erscheint. Und der, diese Aufgabe und somit die Thätigkeit der
Verwaltung bestimmende Wille der Verwaltung erzeugt dann das gel-
tende Recht derselben. So ist dieß System naturgemäß ein vollkommen
selbständiges und eigengeartetes, und dennoch wohl ein sehr einfaches.

Die gesammte Volkswirthschaftspflege und ihr Recht zerfällt zuerst
in den allgemeinen und den besondern Theil.

Der allgemeine Theil behandelt alle diejenigen Lebensverhältnisse,
welche als Bedingung jeder Art von Wirthschaft und Unternehmung
erscheinen. Der besondere Theil dagegen hat nur mit denjenigen zu
thun, welche durch die besondern wirthschaftlichen Verhältnisse der ein-
zelnen Art
der Unternehmung gegeben sind.

Das was der allgemeine Theil enthält, gehört daher jedem beson-
dern Theile wieder an, und muß gleichsam als Einleitung für jede der
Abtheilungen dieses besondern Theiles angesehen werden. Es ist der
Stamm, aus dem die großen Zweige der Verwaltung entsprossen.
Kein einzelner Theil kann daher ohne den allgemeinen als ein voll-
ständiger betrachtet werden. Der letztere muß vielmehr den ersteren auf
allen Punkten gleichsam durchdringen, erheben, verallgemeinern; der
erstere muß den letzteren voraussetzen und in einzelnen Fällen anwen-
den; niemals wird die Behandlung eines einzelnen Gebietes voll-
ständig, ja nicht einmal recht praktisch werden, wenn sie nicht den all-
gemeinen Theil gründlich kennt und denselben als ein in sich fertiges
Ganze ansehen kann. Es ist einer der größten Mängel der gegenwär-
tigen wirthschaftlichen Verwaltungslehre, daß das organische Verhältniß
beider Elemente des Systems nicht gehörig ausgearbeitet vorliegt; denn
allgemein gehaltene Beziehungen des Einen auf das Andere nützen hier
nicht viel. Wir erinnern hier nur beispielsweise an eben das Verhält-
niß von Credit und Landwirthschaft, von Wegwesen und Forstwirth-
schaft, von Maß und Gewicht und Bergwesen und anderes. Die
Forderung einer strengen Unterscheidung des allgemeinen Theils, seines

Sie erſcheint daher auch nur da, wo es ſich um ſolche Bedin-
gungen
handelt. Sie kann eben deßhalb auch das Syſtem dieſer ihrer
Aufgaben nicht etwa in dem der Volkswirthſchaft oder Staatswirth-
ſchaft ſuchen wollen. Es iſt unmöglich, ein Syſtem, namentlich der
erſteren, für die Volkswirthſchaftspflege zum Grunde zu legen. Ihr
Syſtem kann gar nicht das der Grundbegriffe und Grundgeſetze der
Volkswirthſchaft ſein, da dieſe niemals das Objekt der Thätigkeit der
Verwaltung ſind. Sondern daſſelbe iſt in der That das Syſtem der
außerhalb oder über der Einzelkraft liegenden Lebensverhältniſſe der
Gemeinſchaft, und zwar inſofern eine Action der Verwaltung für die-
ſelben als eine Aufgabe der wirthſchaftlichen Geſammtinter-
eſſen
erſcheint. Und der, dieſe Aufgabe und ſomit die Thätigkeit der
Verwaltung beſtimmende Wille der Verwaltung erzeugt dann das gel-
tende Recht derſelben. So iſt dieß Syſtem naturgemäß ein vollkommen
ſelbſtändiges und eigengeartetes, und dennoch wohl ein ſehr einfaches.

Die geſammte Volkswirthſchaftspflege und ihr Recht zerfällt zuerſt
in den allgemeinen und den beſondern Theil.

Der allgemeine Theil behandelt alle diejenigen Lebensverhältniſſe,
welche als Bedingung jeder Art von Wirthſchaft und Unternehmung
erſcheinen. Der beſondere Theil dagegen hat nur mit denjenigen zu
thun, welche durch die beſondern wirthſchaftlichen Verhältniſſe der ein-
zelnen Art
der Unternehmung gegeben ſind.

Das was der allgemeine Theil enthält, gehört daher jedem beſon-
dern Theile wieder an, und muß gleichſam als Einleitung für jede der
Abtheilungen dieſes beſondern Theiles angeſehen werden. Es iſt der
Stamm, aus dem die großen Zweige der Verwaltung entſproſſen.
Kein einzelner Theil kann daher ohne den allgemeinen als ein voll-
ſtändiger betrachtet werden. Der letztere muß vielmehr den erſteren auf
allen Punkten gleichſam durchdringen, erheben, verallgemeinern; der
erſtere muß den letzteren vorausſetzen und in einzelnen Fällen anwen-
den; niemals wird die Behandlung eines einzelnen Gebietes voll-
ſtändig, ja nicht einmal recht praktiſch werden, wenn ſie nicht den all-
gemeinen Theil gründlich kennt und denſelben als ein in ſich fertiges
Ganze anſehen kann. Es iſt einer der größten Mängel der gegenwär-
tigen wirthſchaftlichen Verwaltungslehre, daß das organiſche Verhältniß
beider Elemente des Syſtems nicht gehörig ausgearbeitet vorliegt; denn
allgemein gehaltene Beziehungen des Einen auf das Andere nützen hier
nicht viel. Wir erinnern hier nur beiſpielsweiſe an eben das Verhält-
niß von Credit und Landwirthſchaft, von Wegweſen und Forſtwirth-
ſchaft, von Maß und Gewicht und Bergweſen und anderes. Die
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[48/0066] Sie erſcheint daher auch nur da, wo es ſich um ſolche Bedin- gungen handelt. Sie kann eben deßhalb auch das Syſtem dieſer ihrer Aufgaben nicht etwa in dem der Volkswirthſchaft oder Staatswirth- ſchaft ſuchen wollen. Es iſt unmöglich, ein Syſtem, namentlich der erſteren, für die Volkswirthſchaftspflege zum Grunde zu legen. Ihr Syſtem kann gar nicht das der Grundbegriffe und Grundgeſetze der Volkswirthſchaft ſein, da dieſe niemals das Objekt der Thätigkeit der Verwaltung ſind. Sondern daſſelbe iſt in der That das Syſtem der außerhalb oder über der Einzelkraft liegenden Lebensverhältniſſe der Gemeinſchaft, und zwar inſofern eine Action der Verwaltung für die- ſelben als eine Aufgabe der wirthſchaftlichen Geſammtinter- eſſen erſcheint. Und der, dieſe Aufgabe und ſomit die Thätigkeit der Verwaltung beſtimmende Wille der Verwaltung erzeugt dann das gel- tende Recht derſelben. So iſt dieß Syſtem naturgemäß ein vollkommen ſelbſtändiges und eigengeartetes, und dennoch wohl ein ſehr einfaches. Die geſammte Volkswirthſchaftspflege und ihr Recht zerfällt zuerſt in den allgemeinen und den beſondern Theil. Der allgemeine Theil behandelt alle diejenigen Lebensverhältniſſe, welche als Bedingung jeder Art von Wirthſchaft und Unternehmung erſcheinen. Der beſondere Theil dagegen hat nur mit denjenigen zu thun, welche durch die beſondern wirthſchaftlichen Verhältniſſe der ein- zelnen Art der Unternehmung gegeben ſind. Das was der allgemeine Theil enthält, gehört daher jedem beſon- dern Theile wieder an, und muß gleichſam als Einleitung für jede der Abtheilungen dieſes beſondern Theiles angeſehen werden. Es iſt der Stamm, aus dem die großen Zweige der Verwaltung entſproſſen. Kein einzelner Theil kann daher ohne den allgemeinen als ein voll- ſtändiger betrachtet werden. Der letztere muß vielmehr den erſteren auf allen Punkten gleichſam durchdringen, erheben, verallgemeinern; der erſtere muß den letzteren vorausſetzen und in einzelnen Fällen anwen- den; niemals wird die Behandlung eines einzelnen Gebietes voll- ſtändig, ja nicht einmal recht praktiſch werden, wenn ſie nicht den all- gemeinen Theil gründlich kennt und denſelben als ein in ſich fertiges Ganze anſehen kann. Es iſt einer der größten Mängel der gegenwär- tigen wirthſchaftlichen Verwaltungslehre, daß das organiſche Verhältniß beider Elemente des Syſtems nicht gehörig ausgearbeitet vorliegt; denn allgemein gehaltene Beziehungen des Einen auf das Andere nützen hier nicht viel. Wir erinnern hier nur beiſpielsweiſe an eben das Verhält- niß von Credit und Landwirthſchaft, von Wegweſen und Forſtwirth- ſchaft, von Maß und Gewicht und Bergweſen und anderes. Die Forderung einer ſtrengen Unterſcheidung des allgemeinen Theils, ſeines

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/66>, abgerufen am 23.11.2024.