Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.
Bevormundung auch in wirthschaftlicher Hinsicht; er fordert Das ist es nun, was der ganzen theoretischen Bewegung auf diesen Adam Smith hatte sein Princip der wirthschaftlichen Freiheit in
Bevormundung auch in wirthſchaftlicher Hinſicht; er fordert Das iſt es nun, was der ganzen theoretiſchen Bewegung auf dieſen Adam Smith hatte ſein Princip der wirthſchaftlichen Freiheit in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0057" n="39"/> Bevormundung auch in wirthſchaftlicher Hinſicht</hi>; er fordert<lb/> unbedingt an ihrer Stelle die freie Selbſtbeſtimmung des Einzelnen;<lb/> er erklärt geradezu, es ſei eine <hi rendition="#aq">„impertinence and presumtion of the<lb/> Government, to watch over the industry of private people.“</hi> Das<lb/> waren Gedanken, welche dem Engländer vollkommen geläufig waren;<lb/> dem Continente waren ſie neu, und mußten in jener Zeit als das<lb/> Evangelium der wirthſchaftlichen Freiheit der neuen ſtaatsbürgerlichen<lb/> Geſellſchaft begrüßt werden. Und die nächſte natürliche Folge war die,<lb/> daß diejenige Nationalökonomie, welche die Wahrheit dieſes Princips<lb/> durch die abſoluten Grundſätze der Güterlehre bewies, an und für ſich<lb/> als die wahre Nationalökonomie begrüßt wurde. Man nahm das wirth-<lb/> ſchaftliche Princip um der freiheitlichen Conſequenz willen und bewies<lb/> das freiheitliche Princip wieder durch die wirthſchaftlichen Conſequenzen<lb/> des Syſtems. Das Loſungswort der Nationalökonomie ward durch<lb/> Adam Smith die „Arbeit,“ das Loſungswort der geſammten Staats-<lb/> wiſſenſchaft dagegen die „Freiheit.“</p><lb/> <p>Das iſt es nun, was der ganzen theoretiſchen Bewegung auf dieſen<lb/> beiden Gebieten in unſerem Jahrhundert ihre Geſtalt gegeben hat. Wir<lb/> überlaſſen dabei die nationalökonomiſche Seite der Geſchichte der Volks-<lb/> wirthſchaftslehre; aber der Gang der Volkswirthſchaftspflege bedarf doch<lb/> einiger Bemerkungen.</p><lb/> <p>Adam Smith hatte ſein Princip der wirthſchaftlichen Freiheit in<lb/> ächt engliſcher Weiſe aufgefaßt, als die einfache Negation des Staats<lb/> und ſeiner Berechtigung in volkswirthſchaftlichen Dingen. Die erſte<lb/> große Folge davon war, daß man von ihm aus die Nationalökonomie<lb/> principiell von der übrigen Wiſſenſchaft <hi rendition="#g">ſcheiden</hi>, und ſie als eine<lb/> ſelbſtändige Wiſſenſchaft behandeln lernte. Man kann, namentlich bei<lb/> der gegenwärtig herrſchenden Verwirrung aller Begriffe auf dieſem Ge-<lb/> biete, nicht oft und nachdrücklich genug darauf hinweiſen, daß bis zum<lb/> Anfang unſeres Jahrhunderts <hi rendition="#g">überhaupt keine ſelbſtändige Na-<lb/> tionalökonomie exiſtirt hat</hi>, ſondern daß ſie nur als begründendes<lb/> Moment an der Volkswirthſchaftspflege vorkommt; ſelbſt Quesnay konnte<lb/> ſie aus dieſer Verſchmelzung nicht herausreißen. Erſt jetzt beginnt man<lb/> zu verſtehen, daß es eine Nationalökonomie gibt, und von da an fängt<lb/> die eigentlich nationalökonomiſche Literatur an, ihre Stellung einzu-<lb/> nehmen. Allein ſie ſteht beinahe ausſchließlich auf den Schultern von<lb/> Adam Smith. Nun ließ ſich aber, trotz aller Macht dieſer Lehre, denn<lb/> doch nicht ſo einfach das Daſein, die Nothwendigkeit, ja die Function<lb/> des Staats und ſeiner Verwaltung nicht bloß in Recht und Verfaſſung,<lb/> ſondern auch in der Volkswirthſchaft abweiſen. Die große, ſyſtematiſch<lb/> ausgearbeitete ſtaatsrechtliche Literatur ſtand aufrecht da; die Rechts-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0057]
Bevormundung auch in wirthſchaftlicher Hinſicht; er fordert
unbedingt an ihrer Stelle die freie Selbſtbeſtimmung des Einzelnen;
er erklärt geradezu, es ſei eine „impertinence and presumtion of the
Government, to watch over the industry of private people.“ Das
waren Gedanken, welche dem Engländer vollkommen geläufig waren;
dem Continente waren ſie neu, und mußten in jener Zeit als das
Evangelium der wirthſchaftlichen Freiheit der neuen ſtaatsbürgerlichen
Geſellſchaft begrüßt werden. Und die nächſte natürliche Folge war die,
daß diejenige Nationalökonomie, welche die Wahrheit dieſes Princips
durch die abſoluten Grundſätze der Güterlehre bewies, an und für ſich
als die wahre Nationalökonomie begrüßt wurde. Man nahm das wirth-
ſchaftliche Princip um der freiheitlichen Conſequenz willen und bewies
das freiheitliche Princip wieder durch die wirthſchaftlichen Conſequenzen
des Syſtems. Das Loſungswort der Nationalökonomie ward durch
Adam Smith die „Arbeit,“ das Loſungswort der geſammten Staats-
wiſſenſchaft dagegen die „Freiheit.“
Das iſt es nun, was der ganzen theoretiſchen Bewegung auf dieſen
beiden Gebieten in unſerem Jahrhundert ihre Geſtalt gegeben hat. Wir
überlaſſen dabei die nationalökonomiſche Seite der Geſchichte der Volks-
wirthſchaftslehre; aber der Gang der Volkswirthſchaftspflege bedarf doch
einiger Bemerkungen.
Adam Smith hatte ſein Princip der wirthſchaftlichen Freiheit in
ächt engliſcher Weiſe aufgefaßt, als die einfache Negation des Staats
und ſeiner Berechtigung in volkswirthſchaftlichen Dingen. Die erſte
große Folge davon war, daß man von ihm aus die Nationalökonomie
principiell von der übrigen Wiſſenſchaft ſcheiden, und ſie als eine
ſelbſtändige Wiſſenſchaft behandeln lernte. Man kann, namentlich bei
der gegenwärtig herrſchenden Verwirrung aller Begriffe auf dieſem Ge-
biete, nicht oft und nachdrücklich genug darauf hinweiſen, daß bis zum
Anfang unſeres Jahrhunderts überhaupt keine ſelbſtändige Na-
tionalökonomie exiſtirt hat, ſondern daß ſie nur als begründendes
Moment an der Volkswirthſchaftspflege vorkommt; ſelbſt Quesnay konnte
ſie aus dieſer Verſchmelzung nicht herausreißen. Erſt jetzt beginnt man
zu verſtehen, daß es eine Nationalökonomie gibt, und von da an fängt
die eigentlich nationalökonomiſche Literatur an, ihre Stellung einzu-
nehmen. Allein ſie ſteht beinahe ausſchließlich auf den Schultern von
Adam Smith. Nun ließ ſich aber, trotz aller Macht dieſer Lehre, denn
doch nicht ſo einfach das Daſein, die Nothwendigkeit, ja die Function
des Staats und ſeiner Verwaltung nicht bloß in Recht und Verfaſſung,
ſondern auch in der Volkswirthſchaft abweiſen. Die große, ſyſtematiſch
ausgearbeitete ſtaatsrechtliche Literatur ſtand aufrecht da; die Rechts-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |