es Dupont de Nemours am klarsten in seinem Abrege des prin- cipes d'Economie politique (2me section, societe, Ed. Daire p. 371) ausspricht: "La societe donc ne peut se faire des lois qu'en dedans du cercle trace par les lois naturels." Daneben erhält sich aber mit gleicher Bestimmtheit in dieser ganzen Schule das Verständniß, daß aus dieser Verschiedenheit der Gesetze des Güterlebens und der Ver- waltung nicht eben ein Gegensatz zwischen Volk und Staat hervorgehe, sondern daß vielmehr die höchste Aufgabe der Verwaltung zugleich die höchste Identität der Interessen für beide enthalte. Quesnay hält diesen Grundton seiner ganzen Auffassung fest, und die Verhältnisse machten es wohl erklärlich, daß er die finanzielle Frage in dem be- kannten Satz zum Ausgangspunkte nahm: "Pauvre paysan, pauvre royaume; pauvre royaume, pauvre roi." Seine Schule aber kommt fast auf jedem Punkte auf den Satz zurück, "que l'interet du sou- verain est identique avec celui des sujets." Dieß allgemeinste Princip der wirthschaftlichen Verwaltung durchdringt die ganze physiokratische Schule, wenn es auch nur auf die Vor- und Nachproduktion ange- wendet wird, und die beiden Haupterscheinungen, die sich aus den Werken Quesnays entwickeln, gehören darum in der That der Ver- waltung und nicht mehr der Güterlehre. Wir dürfen sie hier nicht verfolgen; aber sie sind bedeutend genug, um der künftigen Geschichte als Grundlage zu dienen. Was Colbert für die volkswirthschaftlichen Principien des Merkantilsystems gewesen, das wollte Turgot für die der Physiokraten sein. Turgots Ministerium ist die direkte Anwendung der physiokratischen Verwaltungslehre auf die französischen Zustände; es ist der große Versuch, zuerst den Handel und das Gewerbe und dann den Bauern durch die Maßregeln der Regierung frei zu machen. Aber er vermochte nicht einmal das negative Element seiner Schule durchzusetzen, jene "liberte de la concurrence;" zu der positiven Seite derselben, zur Idee der Grundentlastung, die der physiokratischen Schule ihre höchste volkswirthschaftliche Begründung verdankt, ohne daß sie dieselbe doch auszusprechen gewagt hätte, hat auch Turgot sich nicht erhoben: vielleicht eben deßhalb nicht, weil sie selbst die gründ- liche Umgestaltung der socialen Ordnung voraussetzte, die niemand deutlicher kommen sah, als eben die Physiokraten. Denn sie sind die wahren Socialisten des 18. Jahrhunderts. Ihr Kampf gegen die Merkantilisten wird zu einer in furchtbarem Ernst ihnen entgegentretenden Ahnung der kommenden Revolution, die in der Ver- zweiflung an dem guten Willen der herrschenden Klasse und an dem Verständniß ihrer Gefahren prophetisch den nahenden Vernichtungskampf der ständischen Ordnung vorhersieht. "Moderez votre enthousiasme,
es Dupont de Nemours am klarſten in ſeinem Abrégé des prin- cipes d’Économie politique (2me section, société, Ed. Daire p. 371) ausſpricht: „La société donc ne peut se faire des lois qu’en dedans du cercle tracé par les lois naturels.“ Daneben erhält ſich aber mit gleicher Beſtimmtheit in dieſer ganzen Schule das Verſtändniß, daß aus dieſer Verſchiedenheit der Geſetze des Güterlebens und der Ver- waltung nicht eben ein Gegenſatz zwiſchen Volk und Staat hervorgehe, ſondern daß vielmehr die höchſte Aufgabe der Verwaltung zugleich die höchſte Identität der Intereſſen für beide enthalte. Quesnay hält dieſen Grundton ſeiner ganzen Auffaſſung feſt, und die Verhältniſſe machten es wohl erklärlich, daß er die finanzielle Frage in dem be- kannten Satz zum Ausgangspunkte nahm: „Pauvre paysan, pauvre royaume; pauvre royaume, pauvre roi.“ Seine Schule aber kommt faſt auf jedem Punkte auf den Satz zurück, „que l’intérêt du sou- verain est identique avec celui des sujets.“ Dieß allgemeinſte Princip der wirthſchaftlichen Verwaltung durchdringt die ganze phyſiokratiſche Schule, wenn es auch nur auf die Vor- und Nachproduktion ange- wendet wird, und die beiden Haupterſcheinungen, die ſich aus den Werken Quesnays entwickeln, gehören darum in der That der Ver- waltung und nicht mehr der Güterlehre. Wir dürfen ſie hier nicht verfolgen; aber ſie ſind bedeutend genug, um der künftigen Geſchichte als Grundlage zu dienen. Was Colbert für die volkswirthſchaftlichen Principien des Merkantilſyſtems geweſen, das wollte Turgot für die der Phyſiokraten ſein. Turgots Miniſterium iſt die direkte Anwendung der phyſiokratiſchen Verwaltungslehre auf die franzöſiſchen Zuſtände; es iſt der große Verſuch, zuerſt den Handel und das Gewerbe und dann den Bauern durch die Maßregeln der Regierung frei zu machen. Aber er vermochte nicht einmal das negative Element ſeiner Schule durchzuſetzen, jene „liberté de la concurrence;“ zu der poſitiven Seite derſelben, zur Idee der Grundentlaſtung, die der phyſiokratiſchen Schule ihre höchſte volkswirthſchaftliche Begründung verdankt, ohne daß ſie dieſelbe doch auszuſprechen gewagt hätte, hat auch Turgot ſich nicht erhoben: vielleicht eben deßhalb nicht, weil ſie ſelbſt die gründ- liche Umgeſtaltung der ſocialen Ordnung vorausſetzte, die niemand deutlicher kommen ſah, als eben die Phyſiokraten. Denn ſie ſind die wahren Socialiſten des 18. Jahrhunderts. Ihr Kampf gegen die Merkantiliſten wird zu einer in furchtbarem Ernſt ihnen entgegentretenden Ahnung der kommenden Revolution, die in der Ver- zweiflung an dem guten Willen der herrſchenden Klaſſe und an dem Verſtändniß ihrer Gefahren prophetiſch den nahenden Vernichtungskampf der ſtändiſchen Ordnung vorherſieht. „Modérez votre enthousiasme,
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es Dupont de Nemours am klarſten in ſeinem Abrégé des prin-
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ausſpricht: „La société donc ne peut se faire des lois qu’en dedans
du cercle tracé par les lois naturels.“ Daneben erhält ſich aber mit
gleicher Beſtimmtheit in dieſer ganzen Schule das Verſtändniß, daß
aus dieſer Verſchiedenheit der Geſetze des Güterlebens und der Ver-
waltung nicht eben ein Gegenſatz zwiſchen Volk und Staat hervorgehe,
ſondern daß vielmehr die höchſte Aufgabe der Verwaltung zugleich die
höchſte Identität der Intereſſen für beide enthalte. Quesnay hält
dieſen Grundton ſeiner ganzen Auffaſſung feſt, und die Verhältniſſe
machten es wohl erklärlich, daß er die finanzielle Frage in dem be-
kannten Satz zum Ausgangspunkte nahm: „Pauvre paysan, pauvre
royaume; pauvre royaume, pauvre roi.“ Seine Schule aber kommt
faſt auf jedem Punkte auf den Satz zurück, „que l’intérêt du sou-
verain est identique avec celui des sujets.“ Dieß allgemeinſte Princip
der wirthſchaftlichen Verwaltung durchdringt die ganze phyſiokratiſche
Schule, wenn es auch nur auf die Vor- und Nachproduktion ange-
wendet wird, und die beiden Haupterſcheinungen, die ſich aus den
Werken Quesnays entwickeln, gehören darum in der That der Ver-
waltung und nicht mehr der Güterlehre. Wir dürfen ſie hier nicht
verfolgen; aber ſie ſind bedeutend genug, um der künftigen Geſchichte
als Grundlage zu dienen. Was Colbert für die volkswirthſchaftlichen
Principien des Merkantilſyſtems geweſen, das wollte Turgot für die
der Phyſiokraten ſein. Turgots Miniſterium iſt die direkte Anwendung
der phyſiokratiſchen Verwaltungslehre auf die franzöſiſchen Zuſtände;
es iſt der große Verſuch, zuerſt den Handel und das Gewerbe und
dann den Bauern durch die Maßregeln der Regierung frei zu machen.
Aber er vermochte nicht einmal das negative Element ſeiner Schule
durchzuſetzen, jene „liberté de la concurrence;“ zu der poſitiven Seite
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Schule ihre höchſte volkswirthſchaftliche Begründung verdankt, ohne
daß ſie dieſelbe doch auszuſprechen gewagt hätte, hat auch Turgot ſich
nicht erhoben: vielleicht eben deßhalb nicht, weil ſie ſelbſt die gründ-
liche Umgeſtaltung der ſocialen Ordnung vorausſetzte, die niemand
deutlicher kommen ſah, als eben die Phyſiokraten. Denn ſie ſind
die wahren Socialiſten des 18. Jahrhunderts. Ihr Kampf
gegen die Merkantiliſten wird zu einer in furchtbarem Ernſt ihnen
entgegentretenden Ahnung der kommenden Revolution, die in der Ver-
zweiflung an dem guten Willen der herrſchenden Klaſſe und an dem
Verſtändniß ihrer Gefahren prophetiſch den nahenden Vernichtungskampf
der ſtändiſchen Ordnung vorherſieht. „Modérez votre enthousiasme,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/53>, abgerufen am 24.11.2024.
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