sein Inhalt grundsätzlich nur die durch die Noth gebotene Abkürzung des Verfahrens enthält.
1) Die Enteignung des Staatsnothrechts.
Der Unterschied dieser Enteignung von der ordentlichen ist nun merkwürdiger Weise schon von der französischen Gesetzgebung durch das Gesetz vom 30. März 1831 wesentlich auf Enteignung für militärische Zwecke bezogen, was der preußische Entwurf (§. 35. 40) wiederholt hat. Erst das Gesetz von 1841 nahm die Enteignung aus Noth als Theil des Enteignungsrechts überhaupt auf, als urgence de prendre possession, und ordnete dafür die Erklärung einer Ordonnance royale an; doch sollte das jugement d'expropriation bleiben; es ist mithin eigentlich nur das Entschädigungsverfahren kürzer geworden (Tit. VII.). Mit Recht bemerkt Thiel, daß das Gesetz dabei wesentlich dauernde militärische Anlagen im Auge habe (S. 179); mit Unrecht läßt er weg, daß im Grunde gar kein denkbares Motiv vorhanden ist, für militärische Anlagen andere Arten des Verfahrens als für alle andern öffentlichen Zwecke für nöthig zu erachten, ganz gleichviel, ob es sich um militärische Bauten, Befestigungen oder etwas anderes handelt. Eben so wenig ist ein Grund vorhanden, etwas anderes als das regel- mäßige Enteignungsverfahren bei "zeitweiligen Militärzwecken" (d. h. vorübergehenden militärischen Bedürfnissen), z. B. Schieß- und Exercier- plätzen u. s. w. eintreten zu lassen, wenn die Zeit ausreicht, mit dem gewöhnlichen Verfahren vorzugehen. Dasselbe muß für jeden öffent- lichen Zweck gelten. Die summarische Enteignung tritt erst da ein, wo eben diese Zeit nicht ausreicht, wie bei durchmarschirenden Truppen, bei Anstrengungen in Feuers- und Wassersgefahren, bei Maßregeln der Sicherheitspolizei bei Volksaufständen u. s. w. Daß auch hier das Enteignungsrecht stattfinden muß, ist klar. Die Hauptfrage bleibt dabei die, welches Organ dazu competent ist, und welches die Grenze seiner Competenz sein muß. Und hier möchten wir folgende Grundsätze auf- stellen. Jedes Organ, welches eine plötzliche äußere Gefahr zu bekämpfen hat, hat nicht bloß das Recht, die Enteignung für die ihr durchaus nothwendigen Sachen auszusprechen, sondern auch unter einfacher amt- licher Erklärung davon eventuell, nach Maßgabe der Gefahr, Besitz zu ergreifen. Allein erstlich soll dasselbe niemals das Eigenthum an dem betreffenden Gute aufheben, sondern sein Enteignungsrecht geht nur auf den Gebrauch desselben für den plötzlich aufgetretenen Zweck, allerdings in der Weise, daß der Gebrauch das Gut vernichten kann. Das Eigenthum soll stets nur auf dem Wege der regelmäßigen Ent-
ſein Inhalt grundſätzlich nur die durch die Noth gebotene Abkürzung des Verfahrens enthält.
1) Die Enteignung des Staatsnothrechts.
Der Unterſchied dieſer Enteignung von der ordentlichen iſt nun merkwürdiger Weiſe ſchon von der franzöſiſchen Geſetzgebung durch das Geſetz vom 30. März 1831 weſentlich auf Enteignung für militäriſche Zwecke bezogen, was der preußiſche Entwurf (§. 35. 40) wiederholt hat. Erſt das Geſetz von 1841 nahm die Enteignung aus Noth als Theil des Enteignungsrechts überhaupt auf, als urgence de prendre possession, und ordnete dafür die Erklärung einer Ordonnance royale an; doch ſollte das jugement d’expropriation bleiben; es iſt mithin eigentlich nur das Entſchädigungsverfahren kürzer geworden (Tit. VII.). Mit Recht bemerkt Thiel, daß das Geſetz dabei weſentlich dauernde militäriſche Anlagen im Auge habe (S. 179); mit Unrecht läßt er weg, daß im Grunde gar kein denkbares Motiv vorhanden iſt, für militäriſche Anlagen andere Arten des Verfahrens als für alle andern öffentlichen Zwecke für nöthig zu erachten, ganz gleichviel, ob es ſich um militäriſche Bauten, Befeſtigungen oder etwas anderes handelt. Eben ſo wenig iſt ein Grund vorhanden, etwas anderes als das regel- mäßige Enteignungsverfahren bei „zeitweiligen Militärzwecken“ (d. h. vorübergehenden militäriſchen Bedürfniſſen), z. B. Schieß- und Exercier- plätzen u. ſ. w. eintreten zu laſſen, wenn die Zeit ausreicht, mit dem gewöhnlichen Verfahren vorzugehen. Daſſelbe muß für jeden öffent- lichen Zweck gelten. Die ſummariſche Enteignung tritt erſt da ein, wo eben dieſe Zeit nicht ausreicht, wie bei durchmarſchirenden Truppen, bei Anſtrengungen in Feuers- und Waſſersgefahren, bei Maßregeln der Sicherheitspolizei bei Volksaufſtänden u. ſ. w. Daß auch hier das Enteignungsrecht ſtattfinden muß, iſt klar. Die Hauptfrage bleibt dabei die, welches Organ dazu competent iſt, und welches die Grenze ſeiner Competenz ſein muß. Und hier möchten wir folgende Grundſätze auf- ſtellen. Jedes Organ, welches eine plötzliche äußere Gefahr zu bekämpfen hat, hat nicht bloß das Recht, die Enteignung für die ihr durchaus nothwendigen Sachen auszuſprechen, ſondern auch unter einfacher amt- licher Erklärung davon eventuell, nach Maßgabe der Gefahr, Beſitz zu ergreifen. Allein erſtlich ſoll daſſelbe niemals das Eigenthum an dem betreffenden Gute aufheben, ſondern ſein Enteignungsrecht geht nur auf den Gebrauch deſſelben für den plötzlich aufgetretenen Zweck, allerdings in der Weiſe, daß der Gebrauch das Gut vernichten kann. Das Eigenthum ſoll ſtets nur auf dem Wege der regelmäßigen Ent-
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ſein Inhalt grundſätzlich nur die durch die Noth gebotene Abkürzung
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1) Die Enteignung des Staatsnothrechts.
Der Unterſchied dieſer Enteignung von der ordentlichen iſt nun
merkwürdiger Weiſe ſchon von der franzöſiſchen Geſetzgebung durch das
Geſetz vom 30. März 1831 weſentlich auf Enteignung für militäriſche
Zwecke bezogen, was der preußiſche Entwurf (§. 35. 40) wiederholt
hat. Erſt das Geſetz von 1841 nahm die Enteignung aus Noth als
Theil des Enteignungsrechts überhaupt auf, als urgence de prendre
possession, und ordnete dafür die Erklärung einer Ordonnance royale
an; doch ſollte das jugement d’expropriation bleiben; es iſt mithin
eigentlich nur das Entſchädigungsverfahren kürzer geworden (Tit. VII.).
Mit Recht bemerkt Thiel, daß das Geſetz dabei weſentlich dauernde
militäriſche Anlagen im Auge habe (S. 179); mit Unrecht läßt er weg,
daß im Grunde gar kein denkbares Motiv vorhanden iſt, für
militäriſche Anlagen andere Arten des Verfahrens als für alle andern
öffentlichen Zwecke für nöthig zu erachten, ganz gleichviel, ob es ſich
um militäriſche Bauten, Befeſtigungen oder etwas anderes handelt.
Eben ſo wenig iſt ein Grund vorhanden, etwas anderes als das regel-
mäßige Enteignungsverfahren bei „zeitweiligen Militärzwecken“ (d. h.
vorübergehenden militäriſchen Bedürfniſſen), z. B. Schieß- und Exercier-
plätzen u. ſ. w. eintreten zu laſſen, wenn die Zeit ausreicht, mit dem
gewöhnlichen Verfahren vorzugehen. Daſſelbe muß für jeden öffent-
lichen Zweck gelten. Die ſummariſche Enteignung tritt erſt da ein, wo
eben dieſe Zeit nicht ausreicht, wie bei durchmarſchirenden Truppen,
bei Anſtrengungen in Feuers- und Waſſersgefahren, bei Maßregeln der
Sicherheitspolizei bei Volksaufſtänden u. ſ. w. Daß auch hier das
Enteignungsrecht ſtattfinden muß, iſt klar. Die Hauptfrage bleibt dabei
die, welches Organ dazu competent iſt, und welches die Grenze ſeiner
Competenz ſein muß. Und hier möchten wir folgende Grundſätze auf-
ſtellen. Jedes Organ, welches eine plötzliche äußere Gefahr zu bekämpfen
hat, hat nicht bloß das Recht, die Enteignung für die ihr durchaus
nothwendigen Sachen auszuſprechen, ſondern auch unter einfacher amt-
licher Erklärung davon eventuell, nach Maßgabe der Gefahr, Beſitz zu
ergreifen. Allein erſtlich ſoll daſſelbe niemals das Eigenthum an dem
betreffenden Gute aufheben, ſondern ſein Enteignungsrecht geht nur
auf den Gebrauch deſſelben für den plötzlich aufgetretenen Zweck,
allerdings in der Weiſe, daß der Gebrauch das Gut vernichten kann.
Das Eigenthum ſoll ſtets nur auf dem Wege der regelmäßigen Ent-
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/364>, abgerufen am 22.02.2025.
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