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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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andere. Für die Bestimmung des Organs aber gelten zwei Systeme.
Das eine läßt die beeideten Schätzer von der Behörde bestimmen, das
andere setzt eigene Geschworene dafür ein. Jenes ist das deutsche, das
bereits im preußischen Landrecht a. a. O. aufgestellt und in dem preußi-
schen Eisenbahngesetz von 1838 genauer, wenn auch nur für Eisen-
bahnen, wiederholt worden ist; eben dasselbe gilt in Oesterreich; im
Grunde gehört auch das schweizerische Verfahren dahin, da nach dem
Schweizer Expropriationsgesetz das Bundesgericht Einen, der Bundes-
rath den zweiten, die Kantonalregierung den dritten "Experten" ernennt;
nur ist dabei der Grundsatz nachahmungswerth, daß diese Experten
Sachverständige und Gemeindemitglieder herbeiziehen können. Das
französische System dagegen hat bekanntlich das System der Entschä-
digungsgeschworenen durchgeführt (französisches Gesetz von 1841, Art. 41).
Vgl. Thiel, S. 132 ff. Die Lands Clauses Act hat dagegen die
Abweichung, daß Beträge unter 50 L. von zwei Friedensrichtern ent-
schieden werden; bei größern Beträgen hat dagegen auf schriftliches
Verlangen einer Partei (Art. 23) eine Jury einzutreten, jedoch ist das
Verfahren dabei ohne Zweifel die rationellste Vereinigung des deutschen
und französischen Princips, und in jeder Beziehung beachtenswerth.
Wenn nämlich die Parteien nicht einig werden, so müssen sie zuerst
Schätzmänner (arbitrators) wählen, welche ihren Ausspruch (award)
thun; bei Enteignungen für Eisenbahnen kann das Board of trade
einen arbitrator wählen, wenn eine Partei im Rückstande ist. Die
Schätzmänner wählen einen Vorsitzenden (umpire) und legen ihre
Schätzung den Parteien vor. Erst wenn die letzteren diese Schätzung
nicht annehmen, haben sie nach zehn Tagen durch den sheriff die Jury
berufen zu lassen, bei deren Verfahren der sheriff den Vorsitz führt.
Die Jurys werden speciell vereidet; doch hat jede Partei das Recht,
auf eine special jury zu provociren. Das Verdikt der Jury ist dann
maßgebend (Lands Clauses Act art. 22--68). Wir wüßten unserer-
seits zu diesem Gesetz nichts hinzuzufügen, als unser Bedenken gegen
Art. 38, nach welchem wegen Formfehler der Ausspruch der Schätzleute
nicht angegriffen werden soll. Was Thiel gegen die Geschwornen an-
führt, ist eben so wenig stichhaltig, als sein wunderliches Mißverständniß
daß sie "ein Gericht" seien. Sie sind nichts als die beste Form der
Schätzung, sollten aber weder wie in Deutschland ganz wegfallen, noch
wie in Frankreich immer funktioniren, sondern die höhere Instanz der
Schätzleute bilden. Was das Gericht mit der Schätzung zu thun haben
soll, ist in der That nicht abzusehen; am wenigsten ist es verständlich,
wenn man von den Schätzleuten an die Gerichte appelliren darf,
wie in Oesterreich, da doch das Gericht nur durch neue Schätzleute

andere. Für die Beſtimmung des Organs aber gelten zwei Syſteme.
Das eine läßt die beeideten Schätzer von der Behörde beſtimmen, das
andere ſetzt eigene Geſchworene dafür ein. Jenes iſt das deutſche, das
bereits im preußiſchen Landrecht a. a. O. aufgeſtellt und in dem preußi-
ſchen Eiſenbahngeſetz von 1838 genauer, wenn auch nur für Eiſen-
bahnen, wiederholt worden iſt; eben daſſelbe gilt in Oeſterreich; im
Grunde gehört auch das ſchweizeriſche Verfahren dahin, da nach dem
Schweizer Expropriationsgeſetz das Bundesgericht Einen, der Bundes-
rath den zweiten, die Kantonalregierung den dritten „Experten“ ernennt;
nur iſt dabei der Grundſatz nachahmungswerth, daß dieſe Experten
Sachverſtändige und Gemeindemitglieder herbeiziehen können. Das
franzöſiſche Syſtem dagegen hat bekanntlich das Syſtem der Entſchä-
digungsgeſchworenen durchgeführt (franzöſiſches Geſetz von 1841, Art. 41).
Vgl. Thiel, S. 132 ff. Die Lands Clauses Act hat dagegen die
Abweichung, daß Beträge unter 50 L. von zwei Friedensrichtern ent-
ſchieden werden; bei größern Beträgen hat dagegen auf ſchriftliches
Verlangen einer Partei (Art. 23) eine Jury einzutreten, jedoch iſt das
Verfahren dabei ohne Zweifel die rationellſte Vereinigung des deutſchen
und franzöſiſchen Princips, und in jeder Beziehung beachtenswerth.
Wenn nämlich die Parteien nicht einig werden, ſo müſſen ſie zuerſt
Schätzmänner (arbitrators) wählen, welche ihren Ausſpruch (award)
thun; bei Enteignungen für Eiſenbahnen kann das Board of trade
einen arbitrator wählen, wenn eine Partei im Rückſtande iſt. Die
Schätzmänner wählen einen Vorſitzenden (umpire) und legen ihre
Schätzung den Parteien vor. Erſt wenn die letzteren dieſe Schätzung
nicht annehmen, haben ſie nach zehn Tagen durch den sheriff die Jury
berufen zu laſſen, bei deren Verfahren der sheriff den Vorſitz führt.
Die Jurys werden ſpeciell vereidet; doch hat jede Partei das Recht,
auf eine special jury zu provociren. Das Verdikt der Jury iſt dann
maßgebend (Lands Clauses Act art. 22—68). Wir wüßten unſerer-
ſeits zu dieſem Geſetz nichts hinzuzufügen, als unſer Bedenken gegen
Art. 38, nach welchem wegen Formfehler der Ausſpruch der Schätzleute
nicht angegriffen werden ſoll. Was Thiel gegen die Geſchwornen an-
führt, iſt eben ſo wenig ſtichhaltig, als ſein wunderliches Mißverſtändniß
daß ſie „ein Gericht“ ſeien. Sie ſind nichts als die beſte Form der
Schätzung, ſollten aber weder wie in Deutſchland ganz wegfallen, noch
wie in Frankreich immer funktioniren, ſondern die höhere Inſtanz der
Schätzleute bilden. Was das Gericht mit der Schätzung zu thun haben
ſoll, iſt in der That nicht abzuſehen; am wenigſten iſt es verſtändlich,
wenn man von den Schätzleuten an die Gerichte appelliren darf,
wie in Oeſterreich, da doch das Gericht nur durch neue Schätzleute

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[338/0356] andere. Für die Beſtimmung des Organs aber gelten zwei Syſteme. Das eine läßt die beeideten Schätzer von der Behörde beſtimmen, das andere ſetzt eigene Geſchworene dafür ein. Jenes iſt das deutſche, das bereits im preußiſchen Landrecht a. a. O. aufgeſtellt und in dem preußi- ſchen Eiſenbahngeſetz von 1838 genauer, wenn auch nur für Eiſen- bahnen, wiederholt worden iſt; eben daſſelbe gilt in Oeſterreich; im Grunde gehört auch das ſchweizeriſche Verfahren dahin, da nach dem Schweizer Expropriationsgeſetz das Bundesgericht Einen, der Bundes- rath den zweiten, die Kantonalregierung den dritten „Experten“ ernennt; nur iſt dabei der Grundſatz nachahmungswerth, daß dieſe Experten Sachverſtändige und Gemeindemitglieder herbeiziehen können. Das franzöſiſche Syſtem dagegen hat bekanntlich das Syſtem der Entſchä- digungsgeſchworenen durchgeführt (franzöſiſches Geſetz von 1841, Art. 41). Vgl. Thiel, S. 132 ff. Die Lands Clauses Act hat dagegen die Abweichung, daß Beträge unter 50 L. von zwei Friedensrichtern ent- ſchieden werden; bei größern Beträgen hat dagegen auf ſchriftliches Verlangen einer Partei (Art. 23) eine Jury einzutreten, jedoch iſt das Verfahren dabei ohne Zweifel die rationellſte Vereinigung des deutſchen und franzöſiſchen Princips, und in jeder Beziehung beachtenswerth. Wenn nämlich die Parteien nicht einig werden, ſo müſſen ſie zuerſt Schätzmänner (arbitrators) wählen, welche ihren Ausſpruch (award) thun; bei Enteignungen für Eiſenbahnen kann das Board of trade einen arbitrator wählen, wenn eine Partei im Rückſtande iſt. Die Schätzmänner wählen einen Vorſitzenden (umpire) und legen ihre Schätzung den Parteien vor. Erſt wenn die letzteren dieſe Schätzung nicht annehmen, haben ſie nach zehn Tagen durch den sheriff die Jury berufen zu laſſen, bei deren Verfahren der sheriff den Vorſitz führt. Die Jurys werden ſpeciell vereidet; doch hat jede Partei das Recht, auf eine special jury zu provociren. Das Verdikt der Jury iſt dann maßgebend (Lands Clauses Act art. 22—68). Wir wüßten unſerer- ſeits zu dieſem Geſetz nichts hinzuzufügen, als unſer Bedenken gegen Art. 38, nach welchem wegen Formfehler der Ausſpruch der Schätzleute nicht angegriffen werden ſoll. Was Thiel gegen die Geſchwornen an- führt, iſt eben ſo wenig ſtichhaltig, als ſein wunderliches Mißverſtändniß daß ſie „ein Gericht“ ſeien. Sie ſind nichts als die beſte Form der Schätzung, ſollten aber weder wie in Deutſchland ganz wegfallen, noch wie in Frankreich immer funktioniren, ſondern die höhere Inſtanz der Schätzleute bilden. Was das Gericht mit der Schätzung zu thun haben ſoll, iſt in der That nicht abzuſehen; am wenigſten iſt es verſtändlich, wenn man von den Schätzleuten an die Gerichte appelliren darf, wie in Oeſterreich, da doch das Gericht nur durch neue Schätzleute

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/356>, abgerufen am 24.11.2024.