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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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übernimmt. Die Klarheit über diesen Punkt hängt jedoch wesentlich von
der über den folgenden ab.

Mag nämlich über die Sicherheit oder Auszahlung der Entschädigung
bestimmt sein was da will, immer bleibt die Frage, welches Organ zum
Ausspruch über die Enteignung competent sei, und wie es bei der-
selben zu verfahren habe. Hier sind nun der französische, der englische
und der deutsche Standpunkt wesentlich verschieden. Nach französischem
Recht gibt zwar die Verwaltungsbehörde (der Prefet) ihr Arret über den
Detailplan, aber die Aufhebung des Eigenthums sowie die Uebertragung
desselben an den Enteigner geschieht durch ein richterliches Urtheil;
wenn aber das gefällt ist, wird wieder die Besitzanweisung von der
politischen Behörde, dem Maire, vollzogen. Nach englischem Recht ist
die Enteignung eigentlich mit dem Uebergeben der Entschädigung, be-
ziehungsweise des bank bond, vollzogen, und der Eigner hat die Pflicht,
den Besitz zu übertragen (s. oben). Der Enteigner steht damit in der
Lage eines jeden andern Käufers. Es ist seine Sache, auf Grundlage
der Lands Clauses Act den Besitz zu erstreiten; die Behörde hat mit
diesem seinem Privatrecht gar nichts weiter zu thun. Die Gefahren
dieses Princips liegen auf der Hand. Nach deutschen Begriffen dagegen
spricht die Verwaltungsbehörde die Enteignung aus, ohne Inter-
vention des Gerichts, das nur bei den Entschädigungen thätig wird,
und übergibt mit dem Eigenthum auch den Besitz -- letztern meist, wenn
die Entschädigungssumme gezahlt ist. Nach dem preußischen Entwurf
(§. 25. 30.) enthält der Enteignungsspruch zugleich die Enteignung
und die Besitzeinweisung durch die Bezirksregierung. Nach österreichi-
schem Recht ist dasselbe der Fall, nur wird das Recht des Eigenthums
und des Besitzes hier vielfach durch den sogenannten Patentar-Besitz
normirt, indem erst die Eintragung in das Grundbuch das volle Eigen-
thum gibt, was namentlich bei Eisenbahnparcellen oft geradezu unthun-
lich wird. Man hilft sich, indem man das Enteignungsurtheil in
das Grundbuch eintragen läßt, ohne eine grundbücherliche Zuschreibung
der enteigneten Parcellen in die meistens gar nicht existirenden Folien
der Bahnen zu fordern. Nach schweizerischem Recht verliert der Eigen-
thümer sofort das Recht auch auf den Besitz, sowie die Behörde den
Enteignungsspruch gethan (Thiel S. 147. 148). Bei Häberlin u. a.
ist die Frage gar nicht behandelt.

Offenbar ist nun die autorite judiciaire hier etwas an sich durch-
aus Ueberflüssiges und vielmehr die Sache Hinderndes. Es ist gar nicht
abzusehen, was denn hier eigentlich das Objekt des Richterspruches
sein soll. Hat die Behörde den Enteignungsspruch gethan, so haftet
sie für die Entschädigung, und es ist daher gar kein Grund, die Besitz-

übernimmt. Die Klarheit über dieſen Punkt hängt jedoch weſentlich von
der über den folgenden ab.

Mag nämlich über die Sicherheit oder Auszahlung der Entſchädigung
beſtimmt ſein was da will, immer bleibt die Frage, welches Organ zum
Ausſpruch über die Enteignung competent ſei, und wie es bei der-
ſelben zu verfahren habe. Hier ſind nun der franzöſiſche, der engliſche
und der deutſche Standpunkt weſentlich verſchieden. Nach franzöſiſchem
Recht gibt zwar die Verwaltungsbehörde (der Préfet) ihr Arrêt über den
Detailplan, aber die Aufhebung des Eigenthums ſowie die Uebertragung
deſſelben an den Enteigner geſchieht durch ein richterliches Urtheil;
wenn aber das gefällt iſt, wird wieder die Beſitzanweiſung von der
politiſchen Behörde, dem Maire, vollzogen. Nach engliſchem Recht iſt
die Enteignung eigentlich mit dem Uebergeben der Entſchädigung, be-
ziehungsweiſe des bank bond, vollzogen, und der Eigner hat die Pflicht,
den Beſitz zu übertragen (ſ. oben). Der Enteigner ſteht damit in der
Lage eines jeden andern Käufers. Es iſt ſeine Sache, auf Grundlage
der Lands Clauses Act den Beſitz zu erſtreiten; die Behörde hat mit
dieſem ſeinem Privatrecht gar nichts weiter zu thun. Die Gefahren
dieſes Princips liegen auf der Hand. Nach deutſchen Begriffen dagegen
ſpricht die Verwaltungsbehörde die Enteignung aus, ohne Inter-
vention des Gerichts, das nur bei den Entſchädigungen thätig wird,
und übergibt mit dem Eigenthum auch den Beſitz — letztern meiſt, wenn
die Entſchädigungsſumme gezahlt iſt. Nach dem preußiſchen Entwurf
(§. 25. 30.) enthält der Enteignungsſpruch zugleich die Enteignung
und die Beſitzeinweiſung durch die Bezirksregierung. Nach öſterreichi-
ſchem Recht iſt daſſelbe der Fall, nur wird das Recht des Eigenthums
und des Beſitzes hier vielfach durch den ſogenannten Patentar-Beſitz
normirt, indem erſt die Eintragung in das Grundbuch das volle Eigen-
thum gibt, was namentlich bei Eiſenbahnparcellen oft geradezu unthun-
lich wird. Man hilft ſich, indem man das Enteignungsurtheil in
das Grundbuch eintragen läßt, ohne eine grundbücherliche Zuſchreibung
der enteigneten Parcellen in die meiſtens gar nicht exiſtirenden Folien
der Bahnen zu fordern. Nach ſchweizeriſchem Recht verliert der Eigen-
thümer ſofort das Recht auch auf den Beſitz, ſowie die Behörde den
Enteignungsſpruch gethan (Thiel S. 147. 148). Bei Häberlin u. a.
iſt die Frage gar nicht behandelt.

Offenbar iſt nun die autorité judiciaire hier etwas an ſich durch-
aus Ueberflüſſiges und vielmehr die Sache Hinderndes. Es iſt gar nicht
abzuſehen, was denn hier eigentlich das Objekt des Richterſpruches
ſein ſoll. Hat die Behörde den Enteignungsſpruch gethan, ſo haftet
ſie für die Entſchädigung, und es iſt daher gar kein Grund, die Beſitz-

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[334/0352] übernimmt. Die Klarheit über dieſen Punkt hängt jedoch weſentlich von der über den folgenden ab. Mag nämlich über die Sicherheit oder Auszahlung der Entſchädigung beſtimmt ſein was da will, immer bleibt die Frage, welches Organ zum Ausſpruch über die Enteignung competent ſei, und wie es bei der- ſelben zu verfahren habe. Hier ſind nun der franzöſiſche, der engliſche und der deutſche Standpunkt weſentlich verſchieden. Nach franzöſiſchem Recht gibt zwar die Verwaltungsbehörde (der Préfet) ihr Arrêt über den Detailplan, aber die Aufhebung des Eigenthums ſowie die Uebertragung deſſelben an den Enteigner geſchieht durch ein richterliches Urtheil; wenn aber das gefällt iſt, wird wieder die Beſitzanweiſung von der politiſchen Behörde, dem Maire, vollzogen. Nach engliſchem Recht iſt die Enteignung eigentlich mit dem Uebergeben der Entſchädigung, be- ziehungsweiſe des bank bond, vollzogen, und der Eigner hat die Pflicht, den Beſitz zu übertragen (ſ. oben). Der Enteigner ſteht damit in der Lage eines jeden andern Käufers. Es iſt ſeine Sache, auf Grundlage der Lands Clauses Act den Beſitz zu erſtreiten; die Behörde hat mit dieſem ſeinem Privatrecht gar nichts weiter zu thun. Die Gefahren dieſes Princips liegen auf der Hand. Nach deutſchen Begriffen dagegen ſpricht die Verwaltungsbehörde die Enteignung aus, ohne Inter- vention des Gerichts, das nur bei den Entſchädigungen thätig wird, und übergibt mit dem Eigenthum auch den Beſitz — letztern meiſt, wenn die Entſchädigungsſumme gezahlt iſt. Nach dem preußiſchen Entwurf (§. 25. 30.) enthält der Enteignungsſpruch zugleich die Enteignung und die Beſitzeinweiſung durch die Bezirksregierung. Nach öſterreichi- ſchem Recht iſt daſſelbe der Fall, nur wird das Recht des Eigenthums und des Beſitzes hier vielfach durch den ſogenannten Patentar-Beſitz normirt, indem erſt die Eintragung in das Grundbuch das volle Eigen- thum gibt, was namentlich bei Eiſenbahnparcellen oft geradezu unthun- lich wird. Man hilft ſich, indem man das Enteignungsurtheil in das Grundbuch eintragen läßt, ohne eine grundbücherliche Zuſchreibung der enteigneten Parcellen in die meiſtens gar nicht exiſtirenden Folien der Bahnen zu fordern. Nach ſchweizeriſchem Recht verliert der Eigen- thümer ſofort das Recht auch auf den Beſitz, ſowie die Behörde den Enteignungsſpruch gethan (Thiel S. 147. 148). Bei Häberlin u. a. iſt die Frage gar nicht behandelt. Offenbar iſt nun die autorité judiciaire hier etwas an ſich durch- aus Ueberflüſſiges und vielmehr die Sache Hinderndes. Es iſt gar nicht abzuſehen, was denn hier eigentlich das Objekt des Richterſpruches ſein ſoll. Hat die Behörde den Enteignungsſpruch gethan, ſo haftet ſie für die Entſchädigung, und es iſt daher gar kein Grund, die Beſitz-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/352>, abgerufen am 22.11.2024.