des Staats anzuwenden, enthält dagegen die wirthschaftliche Verwaltung diejenigen Aufgaben des Staats, welche durch das Wesen desselben für das wirthschaftliche Leben gegeben sind. Daraus ergeben sich die entscheidenden Elemente für die Gestalt und Geschichte der letztern.
IV. Es folgt nämlich zuerst, daß ein Volk und eine Literatur, die keinen Begriff vom Staate haben, auch niemals zu einer Lehre von der Verwaltung überhaupt, oder im besondern zur Volkswirthschafts- pflege gelangen können. Es wird vielmehr ein ganz anderer Proceß, und damit auch eine ganz andere Gestalt jener Wissenschaften eintreten. Da nämlich der Staat die Verwaltung überhaupt, und mithin auch die volkswirthschaftliche Verwaltung im besondern seiner Natur nach pflegen muß, so wird er stets ein bestimmtes Recht der Volkswirth- schaftspflege, eine positive volkswirthschaftliche Gesetzgebung und Ver- waltung erzeugen, seinerseits ganz gleichgültig dagegen, ob die Wissen- schaft Volkswirthschaftslehre und -Pflege zu unterscheiden versteht. So wie das geschehen ist, wird sich nun allerdings die Wissenschaft dieses positiven Rechts bemächtigen, und es wird dieselbe im Anschluß an die Bestimmungen desselben eine Gesetzes- und Rechtskunde der wirth- schaftlichen Verwaltung des Staats werden. Dieß ist wieder theils systematisch der Fall, wie in Frankreich als droit administratif, oder in Deutschland als die sog. "Verwaltungsrechte" oder "Gesetzkunden"; theils aber auch stückweise für einzelne Gesetze, was sich in allen Län- dern wiederholt. Von einem allgemeinen, aus dem Wesen des Staats fließenden, den ganzen Stoff beherrschenden und erleuchtenden Princip ist dabei natürlich keine Rede; eine Wissenschaft kann man das wohl kaum nennen. Daneben aber wird die Vermengung der volkswirth- schaftlichen und verwaltungsrechtlichen Begriffe und Gesetze einfach in hundert verschiedenen Formen fortdauern, manche im Einzelnen nützliche Anregung erzeugen, aber unvermeidlich anstatt einer ihrer selbst gewissen Wissenschaft, wie die Logik, oder Rechtswissenschaft, oder Heilkunde u. s. w. eine unabsehbare Verwirrung hervorbringen. Denn diese Be- handlungsweise wird und muß eine gänzlich systemlose sein, da ihre beiden verschmolzenen Elemente, Volkswirthschaft und Verwaltung eben zwei wesentlich verschiedene Systeme enthalten. Es wird daher bei viel Trefflichem im Einzelnen und Ganzen weder eine Volkswirthschaft, noch eine Verwaltung erscheinen. Und das ist in der That der gegen- wärtige Zustand.
Daran knüpft sich dann eine weitere Folge, welche man in jenem chaotischen Zustande bequemer Behandlung gar nicht zu erkennen vermag.
V. Da nämlich, wie gesagt, trotzdem der Staat seine wirthschaft-
des Staats anzuwenden, enthält dagegen die wirthſchaftliche Verwaltung diejenigen Aufgaben des Staats, welche durch das Weſen deſſelben für das wirthſchaftliche Leben gegeben ſind. Daraus ergeben ſich die entſcheidenden Elemente für die Geſtalt und Geſchichte der letztern.
IV. Es folgt nämlich zuerſt, daß ein Volk und eine Literatur, die keinen Begriff vom Staate haben, auch niemals zu einer Lehre von der Verwaltung überhaupt, oder im beſondern zur Volkswirthſchafts- pflege gelangen können. Es wird vielmehr ein ganz anderer Proceß, und damit auch eine ganz andere Geſtalt jener Wiſſenſchaften eintreten. Da nämlich der Staat die Verwaltung überhaupt, und mithin auch die volkswirthſchaftliche Verwaltung im beſondern ſeiner Natur nach pflegen muß, ſo wird er ſtets ein beſtimmtes Recht der Volkswirth- ſchaftspflege, eine poſitive volkswirthſchaftliche Geſetzgebung und Ver- waltung erzeugen, ſeinerſeits ganz gleichgültig dagegen, ob die Wiſſen- ſchaft Volkswirthſchaftslehre und -Pflege zu unterſcheiden verſteht. So wie das geſchehen iſt, wird ſich nun allerdings die Wiſſenſchaft dieſes poſitiven Rechts bemächtigen, und es wird dieſelbe im Anſchluß an die Beſtimmungen deſſelben eine Geſetzes- und Rechtskunde der wirth- ſchaftlichen Verwaltung des Staats werden. Dieß iſt wieder theils ſyſtematiſch der Fall, wie in Frankreich als droit administratif, oder in Deutſchland als die ſog. „Verwaltungsrechte“ oder „Geſetzkunden“; theils aber auch ſtückweiſe für einzelne Geſetze, was ſich in allen Län- dern wiederholt. Von einem allgemeinen, aus dem Weſen des Staats fließenden, den ganzen Stoff beherrſchenden und erleuchtenden Princip iſt dabei natürlich keine Rede; eine Wiſſenſchaft kann man das wohl kaum nennen. Daneben aber wird die Vermengung der volkswirth- ſchaftlichen und verwaltungsrechtlichen Begriffe und Geſetze einfach in hundert verſchiedenen Formen fortdauern, manche im Einzelnen nützliche Anregung erzeugen, aber unvermeidlich anſtatt einer ihrer ſelbſt gewiſſen Wiſſenſchaft, wie die Logik, oder Rechtswiſſenſchaft, oder Heilkunde u. ſ. w. eine unabſehbare Verwirrung hervorbringen. Denn dieſe Be- handlungsweiſe wird und muß eine gänzlich ſyſtemloſe ſein, da ihre beiden verſchmolzenen Elemente, Volkswirthſchaft und Verwaltung eben zwei weſentlich verſchiedene Syſteme enthalten. Es wird daher bei viel Trefflichem im Einzelnen und Ganzen weder eine Volkswirthſchaft, noch eine Verwaltung erſcheinen. Und das iſt in der That der gegen- wärtige Zuſtand.
Daran knüpft ſich dann eine weitere Folge, welche man in jenem chaotiſchen Zuſtande bequemer Behandlung gar nicht zu erkennen vermag.
V. Da nämlich, wie geſagt, trotzdem der Staat ſeine wirthſchaft-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0033"n="15"/>
des Staats anzuwenden</hi>, enthält dagegen die wirthſchaftliche<lb/>
Verwaltung diejenigen Aufgaben des Staats, welche durch <hirendition="#g">das Weſen<lb/>
deſſelben für das wirthſchaftliche Leben</hi> gegeben ſind. Daraus<lb/>
ergeben ſich die entſcheidenden Elemente für die Geſtalt und Geſchichte<lb/>
der letztern.</p><lb/><p><hirendition="#aq">IV.</hi> Es folgt nämlich zuerſt, daß ein Volk und eine Literatur,<lb/>
die keinen Begriff vom Staate haben, auch niemals zu einer Lehre von<lb/>
der Verwaltung überhaupt, oder im beſondern zur Volkswirthſchafts-<lb/>
pflege gelangen können. Es wird vielmehr ein ganz anderer Proceß,<lb/>
und damit auch eine ganz andere Geſtalt jener Wiſſenſchaften eintreten.<lb/>
Da nämlich der Staat die Verwaltung überhaupt, und mithin auch<lb/>
die volkswirthſchaftliche Verwaltung im beſondern ſeiner Natur nach<lb/>
pflegen <hirendition="#g">muß</hi>, ſo wird er ſtets ein beſtimmtes <hirendition="#g">Recht</hi> der Volkswirth-<lb/>ſchaftspflege, eine poſitive volkswirthſchaftliche Geſetzgebung und Ver-<lb/>
waltung erzeugen, ſeinerſeits ganz gleichgültig dagegen, ob die Wiſſen-<lb/>ſchaft Volkswirthſchaftslehre und -Pflege zu unterſcheiden verſteht. So<lb/>
wie das geſchehen iſt, wird ſich nun allerdings die Wiſſenſchaft dieſes<lb/>
poſitiven Rechts bemächtigen, und es wird dieſelbe im Anſchluß an die<lb/>
Beſtimmungen deſſelben eine <hirendition="#g">Geſetzes-</hi> und <hirendition="#g">Rechtskunde der wirth-<lb/>ſchaftlichen Verwaltung</hi> des Staats werden. Dieß iſt wieder<lb/>
theils ſyſtematiſch der Fall, wie in Frankreich als <hirendition="#aq">droit administratif,</hi><lb/>
oder in Deutſchland als die ſog. „Verwaltungsrechte“ oder „Geſetzkunden“;<lb/>
theils aber auch ſtückweiſe für einzelne Geſetze, was ſich in allen Län-<lb/>
dern wiederholt. Von einem allgemeinen, aus dem Weſen des Staats<lb/>
fließenden, den ganzen Stoff beherrſchenden und erleuchtenden Princip<lb/>
iſt dabei natürlich keine Rede; eine Wiſſenſchaft kann man das wohl<lb/>
kaum nennen. <hirendition="#g">Daneben</hi> aber wird die Vermengung der volkswirth-<lb/>ſchaftlichen und verwaltungsrechtlichen Begriffe und Geſetze einfach in<lb/>
hundert verſchiedenen Formen fortdauern, manche im Einzelnen nützliche<lb/>
Anregung erzeugen, aber unvermeidlich anſtatt einer ihrer ſelbſt gewiſſen<lb/>
Wiſſenſchaft, wie die Logik, oder Rechtswiſſenſchaft, oder Heilkunde<lb/>
u. ſ. w. eine unabſehbare Verwirrung hervorbringen. Denn dieſe Be-<lb/>
handlungsweiſe wird und muß eine <hirendition="#g">gänzlich ſyſtemloſe</hi>ſein, da ihre<lb/>
beiden verſchmolzenen Elemente, Volkswirthſchaft und Verwaltung eben<lb/>
zwei weſentlich verſchiedene Syſteme enthalten. Es wird daher bei<lb/>
viel Trefflichem im Einzelnen und Ganzen <hirendition="#g">weder</hi> eine Volkswirthſchaft,<lb/><hirendition="#g">noch</hi> eine Verwaltung erſcheinen. Und das iſt in der That der gegen-<lb/>
wärtige Zuſtand.</p><lb/><p>Daran knüpft ſich dann eine weitere Folge, welche man in jenem<lb/>
chaotiſchen Zuſtande bequemer Behandlung gar nicht zu erkennen vermag.</p><lb/><p><hirendition="#aq">V.</hi> Da nämlich, wie geſagt, trotzdem der Staat ſeine wirthſchaft-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[15/0033]
des Staats anzuwenden, enthält dagegen die wirthſchaftliche
Verwaltung diejenigen Aufgaben des Staats, welche durch das Weſen
deſſelben für das wirthſchaftliche Leben gegeben ſind. Daraus
ergeben ſich die entſcheidenden Elemente für die Geſtalt und Geſchichte
der letztern.
IV. Es folgt nämlich zuerſt, daß ein Volk und eine Literatur,
die keinen Begriff vom Staate haben, auch niemals zu einer Lehre von
der Verwaltung überhaupt, oder im beſondern zur Volkswirthſchafts-
pflege gelangen können. Es wird vielmehr ein ganz anderer Proceß,
und damit auch eine ganz andere Geſtalt jener Wiſſenſchaften eintreten.
Da nämlich der Staat die Verwaltung überhaupt, und mithin auch
die volkswirthſchaftliche Verwaltung im beſondern ſeiner Natur nach
pflegen muß, ſo wird er ſtets ein beſtimmtes Recht der Volkswirth-
ſchaftspflege, eine poſitive volkswirthſchaftliche Geſetzgebung und Ver-
waltung erzeugen, ſeinerſeits ganz gleichgültig dagegen, ob die Wiſſen-
ſchaft Volkswirthſchaftslehre und -Pflege zu unterſcheiden verſteht. So
wie das geſchehen iſt, wird ſich nun allerdings die Wiſſenſchaft dieſes
poſitiven Rechts bemächtigen, und es wird dieſelbe im Anſchluß an die
Beſtimmungen deſſelben eine Geſetzes- und Rechtskunde der wirth-
ſchaftlichen Verwaltung des Staats werden. Dieß iſt wieder
theils ſyſtematiſch der Fall, wie in Frankreich als droit administratif,
oder in Deutſchland als die ſog. „Verwaltungsrechte“ oder „Geſetzkunden“;
theils aber auch ſtückweiſe für einzelne Geſetze, was ſich in allen Län-
dern wiederholt. Von einem allgemeinen, aus dem Weſen des Staats
fließenden, den ganzen Stoff beherrſchenden und erleuchtenden Princip
iſt dabei natürlich keine Rede; eine Wiſſenſchaft kann man das wohl
kaum nennen. Daneben aber wird die Vermengung der volkswirth-
ſchaftlichen und verwaltungsrechtlichen Begriffe und Geſetze einfach in
hundert verſchiedenen Formen fortdauern, manche im Einzelnen nützliche
Anregung erzeugen, aber unvermeidlich anſtatt einer ihrer ſelbſt gewiſſen
Wiſſenſchaft, wie die Logik, oder Rechtswiſſenſchaft, oder Heilkunde
u. ſ. w. eine unabſehbare Verwirrung hervorbringen. Denn dieſe Be-
handlungsweiſe wird und muß eine gänzlich ſyſtemloſe ſein, da ihre
beiden verſchmolzenen Elemente, Volkswirthſchaft und Verwaltung eben
zwei weſentlich verſchiedene Syſteme enthalten. Es wird daher bei
viel Trefflichem im Einzelnen und Ganzen weder eine Volkswirthſchaft,
noch eine Verwaltung erſcheinen. Und das iſt in der That der gegen-
wärtige Zuſtand.
Daran knüpft ſich dann eine weitere Folge, welche man in jenem
chaotiſchen Zuſtande bequemer Behandlung gar nicht zu erkennen vermag.
V. Da nämlich, wie geſagt, trotzdem der Staat ſeine wirthſchaft-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/33>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.