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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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eminens daher, kraft dessen die Landesherrschaft der Unterthanen
Güter im Fall der Noth wegnehmen, und zum gemeinen Besten
verwenden kann, denn, obwohl diese Benennung, welche von Hugo
Grotius auf das Tapet gebracht worden, etwas hart klingt, und in-
sonderheit zwischen Hornio (de dominio eminente), dann Leysero (in
Diss. de imperio contra dominium eminens) großer Streit entstanden,
so läuft doch das Meiste hierbei auf eine bloße Logomachie hinaus.
Im Hauptwerk läugnet der Landesherrschaft obverstandene
Gewalt
, so weit sie in gehörigen Schranken bleibt, Niemand ab,
liegt also im Ueberrest nicht viel daran, wie das Kind getauft werde,
und ob es eigentlich dominium eminens oder imperium heißen soll."
Es war eben der Sieg eines ganz neuen Princips über die alte Vor-
stellung, und dieses Princip findet nun in der Gesetzgebung am Schlusse
des 18. Jahrhunderts eine ganz bestimmte, wenn auch nur noch all-
gemein gehaltene gesetzliche Anerkennung. Für die Anlage von Wegen
und Chausseen bereits durch Edikt vom 18. April 1792 in Preußen
ausgesprochen, und in andern Wegeordnungen des 18. Jahrhunderts
angedeutet (Häberlin S. 37--39), wird es mit den beiden großen
bürgerlichen Gesetzgebungen des 18. Jahrhunderts, dem österreichischen
bürgerlichen Gesetzbuche §. 365 und dem preußischen allgemeinen Landrecht,
namentlich Tit. 11, ausdrücklich als allgemeiner Rechtsgrundsatz
anerkannt
. Damit schließt die zweite Epoche. Es macht nicht viel
aus, daß das erste dieser beiden Gesetzbücher kurz, das zweite in seiner
gewöhnlichen Weise breit ist; gemeinsam bleibt beiden, und mit ihnen
der ganzen deutschen Jurisprudenz der Satz, daß jede Regierung das
Recht zur Enteignung für den allgemeinen Nutzen nach ihrem Ermessen
gegen angemessene Schadloshaltung haben solle.

Es ist nun wohl klar, daß in diesem Grundsatz zwar einerseits
die große Idee der Verwaltung zur Geltung kommt, daß aber auch
andererseits damit das Einzeleigenthum gegenüber dem souveränen Ver-
waltungsrecht der Staaten fast als schutzlos erscheint. Es liegt in jener
gesetzlich formulirten Berechtigung des Staats der Keim eines tiefen,
die ganze staatsbürgerliche Gesellschaft in ihrer ersten Grundlage, der
Selbständigkeit des Einzelnen, beständig bedrohenden Widerspruchs. Die
Verwaltung allein entscheidet darüber, nicht bloß ob und was enteignet
werden soll, sondern eben so gut über die Zwecke, für welche die Ent-
eignung stattfindet. Das Enteignungswesen beruht hier daher ganz auf
der einseitigen Auffassung der Verwaltung, und wir nennen es dem-
nach das verordnungsmäßige Enteignungsrecht, in formeller
Unterscheidung von der folgenden Epoche. Dieß Enteignungsrecht ist
in der That eine ernste Gefahr für den Staatsbürger. Denn die

Stein, die Verwaltungslehre. VII. 20

eminens daher, kraft deſſen die Landesherrſchaft der Unterthanen
Güter im Fall der Noth wegnehmen, und zum gemeinen Beſten
verwenden kann, denn, obwohl dieſe Benennung, welche von Hugo
Grotius auf das Tapet gebracht worden, etwas hart klingt, und in-
ſonderheit zwiſchen Hornio (de dominio eminente), dann Leysero (in
Diss. de imperio contra dominium eminens) großer Streit entſtanden,
ſo läuft doch das Meiſte hierbei auf eine bloße Logomachie hinaus.
Im Hauptwerk läugnet der Landesherrſchaft obverſtandene
Gewalt
, ſo weit ſie in gehörigen Schranken bleibt, Niemand ab,
liegt alſo im Ueberreſt nicht viel daran, wie das Kind getauft werde,
und ob es eigentlich dominium eminens oder imperium heißen ſoll.“
Es war eben der Sieg eines ganz neuen Princips über die alte Vor-
ſtellung, und dieſes Princip findet nun in der Geſetzgebung am Schluſſe
des 18. Jahrhunderts eine ganz beſtimmte, wenn auch nur noch all-
gemein gehaltene geſetzliche Anerkennung. Für die Anlage von Wegen
und Chauſſeen bereits durch Edikt vom 18. April 1792 in Preußen
ausgeſprochen, und in andern Wegeordnungen des 18. Jahrhunderts
angedeutet (Häberlin S. 37—39), wird es mit den beiden großen
bürgerlichen Geſetzgebungen des 18. Jahrhunderts, dem öſterreichiſchen
bürgerlichen Geſetzbuche §. 365 und dem preußiſchen allgemeinen Landrecht,
namentlich Tit. 11, ausdrücklich als allgemeiner Rechtsgrundſatz
anerkannt
. Damit ſchließt die zweite Epoche. Es macht nicht viel
aus, daß das erſte dieſer beiden Geſetzbücher kurz, das zweite in ſeiner
gewöhnlichen Weiſe breit iſt; gemeinſam bleibt beiden, und mit ihnen
der ganzen deutſchen Jurisprudenz der Satz, daß jede Regierung das
Recht zur Enteignung für den allgemeinen Nutzen nach ihrem Ermeſſen
gegen angemeſſene Schadloshaltung haben ſolle.

Es iſt nun wohl klar, daß in dieſem Grundſatz zwar einerſeits
die große Idee der Verwaltung zur Geltung kommt, daß aber auch
andererſeits damit das Einzeleigenthum gegenüber dem ſouveränen Ver-
waltungsrecht der Staaten faſt als ſchutzlos erſcheint. Es liegt in jener
geſetzlich formulirten Berechtigung des Staats der Keim eines tiefen,
die ganze ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft in ihrer erſten Grundlage, der
Selbſtändigkeit des Einzelnen, beſtändig bedrohenden Widerſpruchs. Die
Verwaltung allein entſcheidet darüber, nicht bloß ob und was enteignet
werden ſoll, ſondern eben ſo gut über die Zwecke, für welche die Ent-
eignung ſtattfindet. Das Enteignungsweſen beruht hier daher ganz auf
der einſeitigen Auffaſſung der Verwaltung, und wir nennen es dem-
nach das verordnungsmäßige Enteignungsrecht, in formeller
Unterſcheidung von der folgenden Epoche. Dieß Enteignungsrecht iſt
in der That eine ernſte Gefahr für den Staatsbürger. Denn die

Stein, die Verwaltungslehre. VII. 20
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[305/0323] eminens daher, kraft deſſen die Landesherrſchaft der Unterthanen Güter im Fall der Noth wegnehmen, und zum gemeinen Beſten verwenden kann, denn, obwohl dieſe Benennung, welche von Hugo Grotius auf das Tapet gebracht worden, etwas hart klingt, und in- ſonderheit zwiſchen Hornio (de dominio eminente), dann Leysero (in Diss. de imperio contra dominium eminens) großer Streit entſtanden, ſo läuft doch das Meiſte hierbei auf eine bloße Logomachie hinaus. Im Hauptwerk läugnet der Landesherrſchaft obverſtandene Gewalt, ſo weit ſie in gehörigen Schranken bleibt, Niemand ab, liegt alſo im Ueberreſt nicht viel daran, wie das Kind getauft werde, und ob es eigentlich dominium eminens oder imperium heißen ſoll.“ Es war eben der Sieg eines ganz neuen Princips über die alte Vor- ſtellung, und dieſes Princip findet nun in der Geſetzgebung am Schluſſe des 18. Jahrhunderts eine ganz beſtimmte, wenn auch nur noch all- gemein gehaltene geſetzliche Anerkennung. Für die Anlage von Wegen und Chauſſeen bereits durch Edikt vom 18. April 1792 in Preußen ausgeſprochen, und in andern Wegeordnungen des 18. Jahrhunderts angedeutet (Häberlin S. 37—39), wird es mit den beiden großen bürgerlichen Geſetzgebungen des 18. Jahrhunderts, dem öſterreichiſchen bürgerlichen Geſetzbuche §. 365 und dem preußiſchen allgemeinen Landrecht, namentlich Tit. 11, ausdrücklich als allgemeiner Rechtsgrundſatz anerkannt. Damit ſchließt die zweite Epoche. Es macht nicht viel aus, daß das erſte dieſer beiden Geſetzbücher kurz, das zweite in ſeiner gewöhnlichen Weiſe breit iſt; gemeinſam bleibt beiden, und mit ihnen der ganzen deutſchen Jurisprudenz der Satz, daß jede Regierung das Recht zur Enteignung für den allgemeinen Nutzen nach ihrem Ermeſſen gegen angemeſſene Schadloshaltung haben ſolle. Es iſt nun wohl klar, daß in dieſem Grundſatz zwar einerſeits die große Idee der Verwaltung zur Geltung kommt, daß aber auch andererſeits damit das Einzeleigenthum gegenüber dem ſouveränen Ver- waltungsrecht der Staaten faſt als ſchutzlos erſcheint. Es liegt in jener geſetzlich formulirten Berechtigung des Staats der Keim eines tiefen, die ganze ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft in ihrer erſten Grundlage, der Selbſtändigkeit des Einzelnen, beſtändig bedrohenden Widerſpruchs. Die Verwaltung allein entſcheidet darüber, nicht bloß ob und was enteignet werden ſoll, ſondern eben ſo gut über die Zwecke, für welche die Ent- eignung ſtattfindet. Das Enteignungsweſen beruht hier daher ganz auf der einſeitigen Auffaſſung der Verwaltung, und wir nennen es dem- nach das verordnungsmäßige Enteignungsrecht, in formeller Unterſcheidung von der folgenden Epoche. Dieß Enteignungsrecht iſt in der That eine ernſte Gefahr für den Staatsbürger. Denn die Stein, die Verwaltungslehre. VII. 20

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/323>, abgerufen am 22.11.2024.