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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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und sich zur Aufgabe stellt, "den Auflösungsproceß des bisherigen länd-
lichen Gemeindewesens zur Anschauung zu bringen" (S. 38). Wenn
dieser hochbedeutende Fachmann zugleich die positive Gesetzgebung und
das sich in ihr entwickelnde Princip mit demselben richtigen Blick ver-
folgte und seine Untersuchungen nicht bloß auf Preußen beschränkte, so
würden wir wohl einen entscheidenden Beitrag zu den Ansichten von
Knaus und zum Theil von List zu erwarten haben.

Der zweite der obigen Punkte, die Modalität der wirklichen Ver-
theilung, mußte wie natürlich eine vielbestrittene Frage bilden, sowohl
im Princip als in der Ausführung. Im Princip war es zuerst fraglich,
ob man die Auftheilung bloß als eine divisio einer communitas, oder
zugleich als ein Mittel, die Lage des kleineren Besitzers zu verbessern,
ansehen wolle (Rau a. a. O. §. 87); zweitens ob bloß Grundbesitzer
oder auch andere Gemeindeglieder daran Theil nehmen sollten. In der
Ausführung war es fraglich, ob man nach dem Grundbesitz oder nach
der Benutzung durch Viehstand theilen wolle. Da nun die Auftheilung
an und für sich falsch war, so war es auch geradezu unmöglich, theo-
retisch oder praktisch zu einem gemeingültigen Resultate zu gelangen.
Die Theorie griff nach allen Seiten umher, ohne ein definitives Ergebniß
zu finden, wie namentlich Rau's gerade auf diesem Punkte sonst treff-
liche Darstellung der ganzen Frage zeigt. Roscher ist keinen Schritt
weiter gekommen, hat im Gegentheil die Gemeinheitstheilung in ihrer
selbständigen Bedeutung keineswegs genugsam gewürdigt (a. a. O. Bd. II.
Cap. 6). Die Praxis hielt an örtlichen Verhältnissen fest und ein klares
Bild läßt sich daher hier kaum geben. -- Nur das steht allgemein fest,
daß die Waldungen entweder gar nicht, oder doch nur ausnahms-
weise und stellenweise auf Grund besonderer Verhältnisse getheilt werden
dürfen.

Dieß nun ist der Charakter des deutschen Auftheilungswesens im
Gegensatz zu dem englischen und französischen. Die geltenden Gesetze,
so weit sie uns erreichbar waren, sind im Wesentlichen folgende.

Oesterreich zuerst gab den Standpunkt des Zwanges der Gemein-
heitstheilung bereits im Anfange dieses Jahrhunderts auf; das Hof-
decret vom 14. Oktober 1808 bestimmte, daß die Behörden sich auf das
bloße Anrathen der Auftheilung beschränken sollten, was dann das
Hofdecret vom 26. December 1811 wiederholte. Der Grund dieser Be-
stimmung lag jedoch wesentlich in dem Kampfe der Grundherrlichkeit
gegen jene Bestimmung, welcher das letztere namentlich als eine Be-
drohung ihrer Weideservituten erschien. Es fehlen alle statistischen Nach-
weisungen über das, was in dieser Beziehung geschehen ist. Die Ge-
meindeordnung vom 17. März 1849 dagegen verpflichtet umgekehrt, wie

und ſich zur Aufgabe ſtellt, „den Auflöſungsproceß des bisherigen länd-
lichen Gemeindeweſens zur Anſchauung zu bringen“ (S. 38). Wenn
dieſer hochbedeutende Fachmann zugleich die poſitive Geſetzgebung und
das ſich in ihr entwickelnde Princip mit demſelben richtigen Blick ver-
folgte und ſeine Unterſuchungen nicht bloß auf Preußen beſchränkte, ſo
würden wir wohl einen entſcheidenden Beitrag zu den Anſichten von
Knaus und zum Theil von Liſt zu erwarten haben.

Der zweite der obigen Punkte, die Modalität der wirklichen Ver-
theilung, mußte wie natürlich eine vielbeſtrittene Frage bilden, ſowohl
im Princip als in der Ausführung. Im Princip war es zuerſt fraglich,
ob man die Auftheilung bloß als eine divisio einer communitas, oder
zugleich als ein Mittel, die Lage des kleineren Beſitzers zu verbeſſern,
anſehen wolle (Rau a. a. O. §. 87); zweitens ob bloß Grundbeſitzer
oder auch andere Gemeindeglieder daran Theil nehmen ſollten. In der
Ausführung war es fraglich, ob man nach dem Grundbeſitz oder nach
der Benutzung durch Viehſtand theilen wolle. Da nun die Auftheilung
an und für ſich falſch war, ſo war es auch geradezu unmöglich, theo-
retiſch oder praktiſch zu einem gemeingültigen Reſultate zu gelangen.
Die Theorie griff nach allen Seiten umher, ohne ein definitives Ergebniß
zu finden, wie namentlich Rau’s gerade auf dieſem Punkte ſonſt treff-
liche Darſtellung der ganzen Frage zeigt. Roſcher iſt keinen Schritt
weiter gekommen, hat im Gegentheil die Gemeinheitstheilung in ihrer
ſelbſtändigen Bedeutung keineswegs genugſam gewürdigt (a. a. O. Bd. II.
Cap. 6). Die Praxis hielt an örtlichen Verhältniſſen feſt und ein klares
Bild läßt ſich daher hier kaum geben. — Nur das ſteht allgemein feſt,
daß die Waldungen entweder gar nicht, oder doch nur ausnahms-
weiſe und ſtellenweiſe auf Grund beſonderer Verhältniſſe getheilt werden
dürfen.

Dieß nun iſt der Charakter des deutſchen Auftheilungsweſens im
Gegenſatz zu dem engliſchen und franzöſiſchen. Die geltenden Geſetze,
ſo weit ſie uns erreichbar waren, ſind im Weſentlichen folgende.

Oeſterreich zuerſt gab den Standpunkt des Zwanges der Gemein-
heitstheilung bereits im Anfange dieſes Jahrhunderts auf; das Hof-
decret vom 14. Oktober 1808 beſtimmte, daß die Behörden ſich auf das
bloße Anrathen der Auftheilung beſchränken ſollten, was dann das
Hofdecret vom 26. December 1811 wiederholte. Der Grund dieſer Be-
ſtimmung lag jedoch weſentlich in dem Kampfe der Grundherrlichkeit
gegen jene Beſtimmung, welcher das letztere namentlich als eine Be-
drohung ihrer Weideſervituten erſchien. Es fehlen alle ſtatiſtiſchen Nach-
weiſungen über das, was in dieſer Beziehung geſchehen iſt. Die Ge-
meindeordnung vom 17. März 1849 dagegen verpflichtet umgekehrt, wie

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[288/0306] und ſich zur Aufgabe ſtellt, „den Auflöſungsproceß des bisherigen länd- lichen Gemeindeweſens zur Anſchauung zu bringen“ (S. 38). Wenn dieſer hochbedeutende Fachmann zugleich die poſitive Geſetzgebung und das ſich in ihr entwickelnde Princip mit demſelben richtigen Blick ver- folgte und ſeine Unterſuchungen nicht bloß auf Preußen beſchränkte, ſo würden wir wohl einen entſcheidenden Beitrag zu den Anſichten von Knaus und zum Theil von Liſt zu erwarten haben. Der zweite der obigen Punkte, die Modalität der wirklichen Ver- theilung, mußte wie natürlich eine vielbeſtrittene Frage bilden, ſowohl im Princip als in der Ausführung. Im Princip war es zuerſt fraglich, ob man die Auftheilung bloß als eine divisio einer communitas, oder zugleich als ein Mittel, die Lage des kleineren Beſitzers zu verbeſſern, anſehen wolle (Rau a. a. O. §. 87); zweitens ob bloß Grundbeſitzer oder auch andere Gemeindeglieder daran Theil nehmen ſollten. In der Ausführung war es fraglich, ob man nach dem Grundbeſitz oder nach der Benutzung durch Viehſtand theilen wolle. Da nun die Auftheilung an und für ſich falſch war, ſo war es auch geradezu unmöglich, theo- retiſch oder praktiſch zu einem gemeingültigen Reſultate zu gelangen. Die Theorie griff nach allen Seiten umher, ohne ein definitives Ergebniß zu finden, wie namentlich Rau’s gerade auf dieſem Punkte ſonſt treff- liche Darſtellung der ganzen Frage zeigt. Roſcher iſt keinen Schritt weiter gekommen, hat im Gegentheil die Gemeinheitstheilung in ihrer ſelbſtändigen Bedeutung keineswegs genugſam gewürdigt (a. a. O. Bd. II. Cap. 6). Die Praxis hielt an örtlichen Verhältniſſen feſt und ein klares Bild läßt ſich daher hier kaum geben. — Nur das ſteht allgemein feſt, daß die Waldungen entweder gar nicht, oder doch nur ausnahms- weiſe und ſtellenweiſe auf Grund beſonderer Verhältniſſe getheilt werden dürfen. Dieß nun iſt der Charakter des deutſchen Auftheilungsweſens im Gegenſatz zu dem engliſchen und franzöſiſchen. Die geltenden Geſetze, ſo weit ſie uns erreichbar waren, ſind im Weſentlichen folgende. Oeſterreich zuerſt gab den Standpunkt des Zwanges der Gemein- heitstheilung bereits im Anfange dieſes Jahrhunderts auf; das Hof- decret vom 14. Oktober 1808 beſtimmte, daß die Behörden ſich auf das bloße Anrathen der Auftheilung beſchränken ſollten, was dann das Hofdecret vom 26. December 1811 wiederholte. Der Grund dieſer Be- ſtimmung lag jedoch weſentlich in dem Kampfe der Grundherrlichkeit gegen jene Beſtimmung, welcher das letztere namentlich als eine Be- drohung ihrer Weideſervituten erſchien. Es fehlen alle ſtatiſtiſchen Nach- weiſungen über das, was in dieſer Beziehung geſchehen iſt. Die Ge- meindeordnung vom 17. März 1849 dagegen verpflichtet umgekehrt, wie

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/306>, abgerufen am 22.11.2024.