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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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ins Eigenthum derselben, als öffentlich rechtliche Verwaltungsangelegen-
heit nur unter ausdrücklicher Zustimmung der Regierung geschehen
dürfe. Für diese aber handelt es sich jetzt nicht mehr bloß um die
Selbständigkeit und Individualität der Bauernwirthschaften, wie im
vorigen Jahrhundert, sondern um die allgemeinen Verwaltungsaufgaben
der Gemeinden; und so wie man diese ins Auge faßt, wird jede ver-
ständige Regierung den Grundsatz festhalten, daß die socialen Elemente
und Aufgaben der Gemeindeverwaltung, die Sorge des Ganzen für
die niederen Klassen, eine ihrer wesentlichen Grundlagen gerade im
Gemeindegut habe. Sie wird daher in dem Grade sich negativer gegen
die Auftheilung verhalten, in welchem das Gemeindeleben selbst freier
und höher steht; und wie im vorigen Jahrhundert die Gemeinheits-
theilungen aus landwirthschaftlichen Gründen entstanden sind, so werden
sie jetzt durch das Zusammenwirken intelligenter Gemeinden und vor-
sichtiger Regierungen verschwinden, und an ihre Stelle eine Ver-
waltung des Gemeindeguts treten, welche seine Erhaltung mit der
möglichst großen Ertragsfähigkeit desselben zu verbinden sucht. So
gestaltet sich die zweite Epoche des Princips der Gemeinheitstheilungen.
Der Grundsatz derselben ist ausgesprochen in fast allen Gemeindegesetzen
des Continents: "keine Veräußerung des Gemeindevermögens ohne
Zustimmung der Regierung," also keine Gemeinheitstheilung; dagegen
möglichst tüchtige und freie, öffentliche Verwaltung desselben, das
ist Verwendung seines Ertrages für die Verwirklichung der Zwecke der
Verwaltung innerhalb der örtlichen Sphäre des Gemeindelebens.

Dieß sind die leitenden Grundsätze für das Gemeintheilungs-
wesen in Beziehung auf die Gemeindeflur. In Beziehung auf den
Gemeindewald dagegen treten andere Erwägungen ein, die freilich bei
demselben Resultate anlangen. Der Wald hat in unserem Jahrhundert
eine andere Stellung als im vorigen. Seine Existenz ist als Bedingung
der Gesammtproduktion erkannt. Das Recht Einzelner muß sich dieser
Forderung unterordnen, also auch das Recht der Gemeinde. Der Ge-
meindewald wird daher überhaupt kein Gegenstand der Theilung, son-
dern der öffentlichen Verwaltung und tritt als Glied und Gebiet unter
die Forstverwaltung überhaupt. Damit beginnt hier eine neue Epoche,
welche mit dem Auftheilungswesen gar nichts zu thun hat, sondern
der Verwaltungslehre der Forsten angehört; und dieß wiederholt sich
fast in ganz Europa.

So ist nun wenigstens für die Gemeindeweide der Gang der Dinge
zu demselben Ergebniß gelangt, wie bei der Entlastung, wen auch mit
wesentlich verschiedenem Objekt und Recht. Es ist derselbe Proceß, voll-
zogen durch dasselbe große Element der europäischen Geschichte. Die

ins Eigenthum derſelben, als öffentlich rechtliche Verwaltungsangelegen-
heit nur unter ausdrücklicher Zuſtimmung der Regierung geſchehen
dürfe. Für dieſe aber handelt es ſich jetzt nicht mehr bloß um die
Selbſtändigkeit und Individualität der Bauernwirthſchaften, wie im
vorigen Jahrhundert, ſondern um die allgemeinen Verwaltungsaufgaben
der Gemeinden; und ſo wie man dieſe ins Auge faßt, wird jede ver-
ſtändige Regierung den Grundſatz feſthalten, daß die ſocialen Elemente
und Aufgaben der Gemeindeverwaltung, die Sorge des Ganzen für
die niederen Klaſſen, eine ihrer weſentlichen Grundlagen gerade im
Gemeindegut habe. Sie wird daher in dem Grade ſich negativer gegen
die Auftheilung verhalten, in welchem das Gemeindeleben ſelbſt freier
und höher ſteht; und wie im vorigen Jahrhundert die Gemeinheits-
theilungen aus landwirthſchaftlichen Gründen entſtanden ſind, ſo werden
ſie jetzt durch das Zuſammenwirken intelligenter Gemeinden und vor-
ſichtiger Regierungen verſchwinden, und an ihre Stelle eine Ver-
waltung des Gemeindeguts treten, welche ſeine Erhaltung mit der
möglichſt großen Ertragsfähigkeit deſſelben zu verbinden ſucht. So
geſtaltet ſich die zweite Epoche des Princips der Gemeinheitstheilungen.
Der Grundſatz derſelben iſt ausgeſprochen in faſt allen Gemeindegeſetzen
des Continents: „keine Veräußerung des Gemeindevermögens ohne
Zuſtimmung der Regierung,“ alſo keine Gemeinheitstheilung; dagegen
möglichſt tüchtige und freie, öffentliche Verwaltung deſſelben, das
iſt Verwendung ſeines Ertrages für die Verwirklichung der Zwecke der
Verwaltung innerhalb der örtlichen Sphäre des Gemeindelebens.

Dieß ſind die leitenden Grundſätze für das Gemeintheilungs-
weſen in Beziehung auf die Gemeindeflur. In Beziehung auf den
Gemeindewald dagegen treten andere Erwägungen ein, die freilich bei
demſelben Reſultate anlangen. Der Wald hat in unſerem Jahrhundert
eine andere Stellung als im vorigen. Seine Exiſtenz iſt als Bedingung
der Geſammtproduktion erkannt. Das Recht Einzelner muß ſich dieſer
Forderung unterordnen, alſo auch das Recht der Gemeinde. Der Ge-
meindewald wird daher überhaupt kein Gegenſtand der Theilung, ſon-
dern der öffentlichen Verwaltung und tritt als Glied und Gebiet unter
die Forſtverwaltung überhaupt. Damit beginnt hier eine neue Epoche,
welche mit dem Auftheilungsweſen gar nichts zu thun hat, ſondern
der Verwaltungslehre der Forſten angehört; und dieß wiederholt ſich
faſt in ganz Europa.

So iſt nun wenigſtens für die Gemeindeweide der Gang der Dinge
zu demſelben Ergebniß gelangt, wie bei der Entlaſtung, wen auch mit
weſentlich verſchiedenem Objekt und Recht. Es iſt derſelbe Proceß, voll-
zogen durch daſſelbe große Element der europäiſchen Geſchichte. Die

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[263/0281] ins Eigenthum derſelben, als öffentlich rechtliche Verwaltungsangelegen- heit nur unter ausdrücklicher Zuſtimmung der Regierung geſchehen dürfe. Für dieſe aber handelt es ſich jetzt nicht mehr bloß um die Selbſtändigkeit und Individualität der Bauernwirthſchaften, wie im vorigen Jahrhundert, ſondern um die allgemeinen Verwaltungsaufgaben der Gemeinden; und ſo wie man dieſe ins Auge faßt, wird jede ver- ſtändige Regierung den Grundſatz feſthalten, daß die ſocialen Elemente und Aufgaben der Gemeindeverwaltung, die Sorge des Ganzen für die niederen Klaſſen, eine ihrer weſentlichen Grundlagen gerade im Gemeindegut habe. Sie wird daher in dem Grade ſich negativer gegen die Auftheilung verhalten, in welchem das Gemeindeleben ſelbſt freier und höher ſteht; und wie im vorigen Jahrhundert die Gemeinheits- theilungen aus landwirthſchaftlichen Gründen entſtanden ſind, ſo werden ſie jetzt durch das Zuſammenwirken intelligenter Gemeinden und vor- ſichtiger Regierungen verſchwinden, und an ihre Stelle eine Ver- waltung des Gemeindeguts treten, welche ſeine Erhaltung mit der möglichſt großen Ertragsfähigkeit deſſelben zu verbinden ſucht. So geſtaltet ſich die zweite Epoche des Princips der Gemeinheitstheilungen. Der Grundſatz derſelben iſt ausgeſprochen in faſt allen Gemeindegeſetzen des Continents: „keine Veräußerung des Gemeindevermögens ohne Zuſtimmung der Regierung,“ alſo keine Gemeinheitstheilung; dagegen möglichſt tüchtige und freie, öffentliche Verwaltung deſſelben, das iſt Verwendung ſeines Ertrages für die Verwirklichung der Zwecke der Verwaltung innerhalb der örtlichen Sphäre des Gemeindelebens. Dieß ſind die leitenden Grundſätze für das Gemeintheilungs- weſen in Beziehung auf die Gemeindeflur. In Beziehung auf den Gemeindewald dagegen treten andere Erwägungen ein, die freilich bei demſelben Reſultate anlangen. Der Wald hat in unſerem Jahrhundert eine andere Stellung als im vorigen. Seine Exiſtenz iſt als Bedingung der Geſammtproduktion erkannt. Das Recht Einzelner muß ſich dieſer Forderung unterordnen, alſo auch das Recht der Gemeinde. Der Ge- meindewald wird daher überhaupt kein Gegenſtand der Theilung, ſon- dern der öffentlichen Verwaltung und tritt als Glied und Gebiet unter die Forſtverwaltung überhaupt. Damit beginnt hier eine neue Epoche, welche mit dem Auftheilungsweſen gar nichts zu thun hat, ſondern der Verwaltungslehre der Forſten angehört; und dieß wiederholt ſich faſt in ganz Europa. So iſt nun wenigſtens für die Gemeindeweide der Gang der Dinge zu demſelben Ergebniß gelangt, wie bei der Entlaſtung, wen auch mit weſentlich verſchiedenem Objekt und Recht. Es iſt derſelbe Proceß, voll- zogen durch daſſelbe große Element der europäiſchen Geſchichte. Die

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/281>, abgerufen am 22.11.2024.