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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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wahre Fortschritt fängt an bei der auf sich selbst angewiesenen Persön-
lichkeit, wie er in ihr endet. Das gilt von der Landwirthschaft so gut
als von jedem andern Theile der Volkswirthschaft. Allerdings schließt
diese Selbständigkeit des Einzelnen keinesweges die Gemeinschaft aus;
im Gegentheil wird sie die letztere vielmehr auf vielen Punkten erzeugen.
Allein das Wesentliche ist eben, daß sie nicht als eine rein objektive,
unveränderliche Thatsache dastehe, sondern daß sie fähig sei, sich nach
Bedürfniß und Willen des Einzelnen zu gestalten; das ist, daß sie nicht
als ein gegebenes historisches Recht, sondern als ein freier Vertrag der
Betheiligten erscheine. Die Gemeinschaft muß frei sein, wie die Ein-
zelnen, welche sie bilden. Dieser Selbständigkeit der Einzelnen, dieser
Freiheit der individuellen Bauernwirthschaft stand nun die Gemeinde-
weide als eine gegebene, unabänderliche Gestalt des Eigenthums gegen-
über. Es war keinesweges nothwendig, diese in ihr vorhandene Ge-
meinschaft unbedingt aufzuheben, und in der That hat die neueste
Zeit dieselbe vielmehr aufrecht erhalten. Wohl aber war es nothwendig,
ihr gegenüber und in ihr vor allen Dingen jene wirthschaftliche Selbst-
ständigkeit der Einzelnen herzustellen, und damit die unabweisbare
Basis eines bessern Zustandes zu gewinnen. Diese Selbständigkeit aber
ist das große Princip der staatsbürgerlichen Gesellschaft. Dasselbe hatte
seine Consequenzen im gewerblichen Leben der Städte, aber es hatte
nicht minder seine Consequenzen für den Landwirth. Die erste war
allerdings die Herstellung der staatsbürgerlichen Freiheit des Grund-
besitzes überhaupt; die zweite nicht minder wichtige war die Herstellung
des individuellen Grundbesitzes an der Stelle der geschichtlichen Gemein-
schaft desselben in der Gemeindemark, wie sie aus der Geschlechterord-
nung hervorgegangen war. Und die Herstellung dieses individuellen
Grundbesitzes, der Sieg des Princips der staatsbürgerlichen Gesellschaft
nicht mehr in dem Verhältniß zwischen Bauern und Grundherrn, son-
dern zwischen Bauern und Bauern ist die Gemeinheitsthei-
lung
. Die Gemeinheitstheilung läßt das principielle Einzeleigenthum
an die Stelle des historischen Gesammteigenthums treten, und erst wenn
dieß geschehen ist, können die Forderungen der rationellen Landwirth-
schaft und mit ihr die Begründung einer weiteren Entwicklung des Volks-
reichthums zur Geltung kommen. Das ist daher das Verhältniß der
hier zusammenwirkenden Elemente, daß die Gemeinheitstheilung alle
ihre Gründe aus der Volkswirthschaft hernimmt, aber ihr wahres Ziel
die Schöpfung des Staatsbürgerthums auch in der bäuerlichen Gemeinde
ist. Und so gehört dieselbe, wenn auch nicht in Objekt und Motivi-
rung, so doch in Zweck und Erfolg demselben Processe an, den wir
in Entlastung und Ablösung, in Gewerbefreiheit und Aufhebung der

wahre Fortſchritt fängt an bei der auf ſich ſelbſt angewieſenen Perſön-
lichkeit, wie er in ihr endet. Das gilt von der Landwirthſchaft ſo gut
als von jedem andern Theile der Volkswirthſchaft. Allerdings ſchließt
dieſe Selbſtändigkeit des Einzelnen keinesweges die Gemeinſchaft aus;
im Gegentheil wird ſie die letztere vielmehr auf vielen Punkten erzeugen.
Allein das Weſentliche iſt eben, daß ſie nicht als eine rein objektive,
unveränderliche Thatſache daſtehe, ſondern daß ſie fähig ſei, ſich nach
Bedürfniß und Willen des Einzelnen zu geſtalten; das iſt, daß ſie nicht
als ein gegebenes hiſtoriſches Recht, ſondern als ein freier Vertrag der
Betheiligten erſcheine. Die Gemeinſchaft muß frei ſein, wie die Ein-
zelnen, welche ſie bilden. Dieſer Selbſtändigkeit der Einzelnen, dieſer
Freiheit der individuellen Bauernwirthſchaft ſtand nun die Gemeinde-
weide als eine gegebene, unabänderliche Geſtalt des Eigenthums gegen-
über. Es war keinesweges nothwendig, dieſe in ihr vorhandene Ge-
meinſchaft unbedingt aufzuheben, und in der That hat die neueſte
Zeit dieſelbe vielmehr aufrecht erhalten. Wohl aber war es nothwendig,
ihr gegenüber und in ihr vor allen Dingen jene wirthſchaftliche Selbſt-
ſtändigkeit der Einzelnen herzuſtellen, und damit die unabweisbare
Baſis eines beſſern Zuſtandes zu gewinnen. Dieſe Selbſtändigkeit aber
iſt das große Princip der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. Daſſelbe hatte
ſeine Conſequenzen im gewerblichen Leben der Städte, aber es hatte
nicht minder ſeine Conſequenzen für den Landwirth. Die erſte war
allerdings die Herſtellung der ſtaatsbürgerlichen Freiheit des Grund-
beſitzes überhaupt; die zweite nicht minder wichtige war die Herſtellung
des individuellen Grundbeſitzes an der Stelle der geſchichtlichen Gemein-
ſchaft deſſelben in der Gemeindemark, wie ſie aus der Geſchlechterord-
nung hervorgegangen war. Und die Herſtellung dieſes individuellen
Grundbeſitzes, der Sieg des Princips der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft
nicht mehr in dem Verhältniß zwiſchen Bauern und Grundherrn, ſon-
dern zwiſchen Bauern und Bauern iſt die Gemeinheitsthei-
lung
. Die Gemeinheitstheilung läßt das principielle Einzeleigenthum
an die Stelle des hiſtoriſchen Geſammteigenthums treten, und erſt wenn
dieß geſchehen iſt, können die Forderungen der rationellen Landwirth-
ſchaft und mit ihr die Begründung einer weiteren Entwicklung des Volks-
reichthums zur Geltung kommen. Das iſt daher das Verhältniß der
hier zuſammenwirkenden Elemente, daß die Gemeinheitstheilung alle
ihre Gründe aus der Volkswirthſchaft hernimmt, aber ihr wahres Ziel
die Schöpfung des Staatsbürgerthums auch in der bäuerlichen Gemeinde
iſt. Und ſo gehört dieſelbe, wenn auch nicht in Objekt und Motivi-
rung, ſo doch in Zweck und Erfolg demſelben Proceſſe an, den wir
in Entlaſtung und Ablöſung, in Gewerbefreiheit und Aufhebung der

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[258/0276] wahre Fortſchritt fängt an bei der auf ſich ſelbſt angewieſenen Perſön- lichkeit, wie er in ihr endet. Das gilt von der Landwirthſchaft ſo gut als von jedem andern Theile der Volkswirthſchaft. Allerdings ſchließt dieſe Selbſtändigkeit des Einzelnen keinesweges die Gemeinſchaft aus; im Gegentheil wird ſie die letztere vielmehr auf vielen Punkten erzeugen. Allein das Weſentliche iſt eben, daß ſie nicht als eine rein objektive, unveränderliche Thatſache daſtehe, ſondern daß ſie fähig ſei, ſich nach Bedürfniß und Willen des Einzelnen zu geſtalten; das iſt, daß ſie nicht als ein gegebenes hiſtoriſches Recht, ſondern als ein freier Vertrag der Betheiligten erſcheine. Die Gemeinſchaft muß frei ſein, wie die Ein- zelnen, welche ſie bilden. Dieſer Selbſtändigkeit der Einzelnen, dieſer Freiheit der individuellen Bauernwirthſchaft ſtand nun die Gemeinde- weide als eine gegebene, unabänderliche Geſtalt des Eigenthums gegen- über. Es war keinesweges nothwendig, dieſe in ihr vorhandene Ge- meinſchaft unbedingt aufzuheben, und in der That hat die neueſte Zeit dieſelbe vielmehr aufrecht erhalten. Wohl aber war es nothwendig, ihr gegenüber und in ihr vor allen Dingen jene wirthſchaftliche Selbſt- ſtändigkeit der Einzelnen herzuſtellen, und damit die unabweisbare Baſis eines beſſern Zuſtandes zu gewinnen. Dieſe Selbſtändigkeit aber iſt das große Princip der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. Daſſelbe hatte ſeine Conſequenzen im gewerblichen Leben der Städte, aber es hatte nicht minder ſeine Conſequenzen für den Landwirth. Die erſte war allerdings die Herſtellung der ſtaatsbürgerlichen Freiheit des Grund- beſitzes überhaupt; die zweite nicht minder wichtige war die Herſtellung des individuellen Grundbeſitzes an der Stelle der geſchichtlichen Gemein- ſchaft deſſelben in der Gemeindemark, wie ſie aus der Geſchlechterord- nung hervorgegangen war. Und die Herſtellung dieſes individuellen Grundbeſitzes, der Sieg des Princips der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft nicht mehr in dem Verhältniß zwiſchen Bauern und Grundherrn, ſon- dern zwiſchen Bauern und Bauern iſt die Gemeinheitsthei- lung. Die Gemeinheitstheilung läßt das principielle Einzeleigenthum an die Stelle des hiſtoriſchen Geſammteigenthums treten, und erſt wenn dieß geſchehen iſt, können die Forderungen der rationellen Landwirth- ſchaft und mit ihr die Begründung einer weiteren Entwicklung des Volks- reichthums zur Geltung kommen. Das iſt daher das Verhältniß der hier zuſammenwirkenden Elemente, daß die Gemeinheitstheilung alle ihre Gründe aus der Volkswirthſchaft hernimmt, aber ihr wahres Ziel die Schöpfung des Staatsbürgerthums auch in der bäuerlichen Gemeinde iſt. Und ſo gehört dieſelbe, wenn auch nicht in Objekt und Motivi- rung, ſo doch in Zweck und Erfolg demſelben Proceſſe an, den wir in Entlaſtung und Ablöſung, in Gewerbefreiheit und Aufhebung der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/276>, abgerufen am 22.11.2024.